Grit Kienzlen: Michael Lange berichtete von der Tagung der Europäischen Reproduktionsmediziner in Amsterdam. Die Mediziner, die er dort getroffen hat, tragen ihren Doktortitel aus wissenschaftlicher Sicht allesamt zu Recht. Will heißen: Sie alle arbeiten nach wissenschaftlichen Standards und veröffentlichen ihre Ergebnisse in entsprechenden Fachjournalen. Das ist insofern nicht selbstverständlich, als sie viele Kollegen unter den praktizierenden Ärzten haben, die zwar gut ausgebildete Mediziner sind, die für ihren Titel "Dr. med." aber keine große wissenschaftliche Leistung erbringen mussten. "Türschildforschung" heißt das Phänomen und nach Meinung des Wissenschaftsrates ist es ein Problem. Die Vorsitzende der wissenschaftlichen Kommission dieses Rates, Professor Ulrike Beisiegel, fragte ich vor der Sendung, warum es die Türschildforschung dennoch gibt:
Professor Ulrike Beisiegel: Sie ist wichtig, weil natürlich die Gesellschaft erwartet, dass ein Mediziner einen Doktortitel hat, und das zwingt sozusagen die Mehrheit der Medizinstudenten, egal ob sie sich für oder gegen die Wissenschaft entscheiden, eine Promotion durchzuführen.
Kienzlen: Und das Problem ist dann, dass ich nicht unterscheiden kann, aus wissenschaftlicher Sicht: Wer hat sozusagen nur eine ganz kleine Doktorarbeit gemacht, um das an sein Türschild zu schreiben, und wer hat wirklich wissenschaftlich gearbeitet?
Beisiegel: Richtig. Das lässt sich am Titel nicht ablesen. Natürlich kann man es, wenn man die Arbeit liest, beurteilen, aber es ist eine große Heterogenität, dass also einige Mediziner wirklich solide große wissenschaftliche Arbeiten machen, und andere kleine statistische Arbeiten, die eben nicht die Kriterien erfüllen. Und das kann man nicht erkennen an dem Titel.
Kienzlen: Jetzt könnte ich mich ja auf den Standpunkt stellen: Na ja, ist doch vielleicht nur eine Neiddebatte für die Leute, die eben eine große wissenschaftliche Arbeit gemacht haben. Welchen Nachteil haben sie denn daraus, dass es die Türschildforschung gibt?
Beisiegel: Also die Studierenden oder die Mediziner selber, die eine große wissenschaftliche Arbeit gemacht haben, haben dadurch am Ende keinen Nachteil. Aber wir müssen natürlich darauf achten, dass akademische Titel auch das halten, was sie versprechen, nämlich dass hier eine wissenschaftlich fundierte Arbeit zugrunde liegt. Deswegen hat der Wissenschaftsrat ja vorgeschlagen, den M.D., also einen medizinischen Doktor zu vergeben für alle, um zu zeigen, hier handelt es sich um einen Arzt, der Medizin studiert hat und auch ein gewisses Maß an Einsicht in die Wissenschaft hat, und dann eben einen anderen Titel zu vergeben an die, die wirklich wissenschaftliche Arbeit über längere Zeiten erstellen. Was wir für die wissenschaftlich interessierten Mediziner haben wollen, wäre der Ph.D.
Kienzlen: Und der Dr. med., den wir heute haben, der wird nicht anerkannt als Ph.D.?
Beisiegel: Nein, das ist so, dass das European Research Council den Abschluss Dr. med. eben nicht als Ph.D. anerkennt. Das ist ja auch ein Auslöser der Diskussion im Moment.
Kienzlen: Jetzt arbeiten Sie ja als Professorin und Direktorin eines Instituts am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg. Sie sind also von Ärzten umgeben. Wie finden die denn Ihr Ansinnen?
Beisiegel: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt viele Kollegen, Kolleginnen, die dieses Problem genauso ernst nehmen wie ich oder wie der Wissenschaftsrat und auch sagen, es wäre besser, wenn wir eine andere Lösung finden würden, weil sie nämlich so wie ich sehen, dass viele Arbeiten die eigentlichen Kriterien, die man an ein wissenschaftliches Projekt stellen, nicht erfüllen. Natürlich gibt es auf der anderen Seite Kollegen, die sagen: Ja, es sollte jeder Mediziner mal in die Forschung reingeschnuppert haben und deswegen ist es gut, das so zu lassen, wie es ist. Also neben dem Studium zu promovieren als Mediziner und vielleicht nur die Qualität insgesamt durch Graduiertenschulen zu verbessern.
Kienzlen: Das, was Sie beschrieben haben als System, dass es einerseits den medizinischen Doktor gibt, der eben keine wissenschaftliche Arbeit verfasst hat, und andererseits den forschenden Mediziner - wie ließe sich denn so was deutschlandweit durchsetzen?
Beisiegel: Das wäre eine Angelegenheit für die Hochschulrektorenkonferenz und die entsprechenden Gremien, Kultusministerkonferenz, beschlossen werden müsste. Aber es würde ja heißen, dass man im Medizinstudium - das schlagen wir ja auch vor - eine gewisse, nichtexperimentelle wissenschaftliche Ausbildung anbieten, eine strukturierte Ausbildung, damit die Mediziner später klinische Studien und wissenschaftliche Artikel beurteilen können. Dazu muss man ja keine Molekularbiologie selbst gemacht haben. Also so einen strukturierten Anteil des Studiums, der sicherstellt, dass Mediziner akademisch ausgebildet sind und auch Forschungen einschätzen können, und nur für die wirklich Wissenschaftsinteressierten dann die eigentliche Promotion nach dem Studium anbietet. Das heißt, das müsste beschlossen werden und könnte beschlossen werden. Das ist jetzt nicht etwas, was man nicht umsetzen könnte in Deutschland.
Kienzlen: Wann und wo könnte das beschlossen werden?
Beisiegel: Es ist so, dass die Kultusministerkonferenz im Jahre 2006 ja schon einen Beschluss gefasst hat, der in etwa dieses auch aufgreift. Und das müsste man jetzt reaktivieren und dann mit den entsprechenden Gremien diskutieren.
Professor Ulrike Beisiegel: Sie ist wichtig, weil natürlich die Gesellschaft erwartet, dass ein Mediziner einen Doktortitel hat, und das zwingt sozusagen die Mehrheit der Medizinstudenten, egal ob sie sich für oder gegen die Wissenschaft entscheiden, eine Promotion durchzuführen.
Kienzlen: Und das Problem ist dann, dass ich nicht unterscheiden kann, aus wissenschaftlicher Sicht: Wer hat sozusagen nur eine ganz kleine Doktorarbeit gemacht, um das an sein Türschild zu schreiben, und wer hat wirklich wissenschaftlich gearbeitet?
Beisiegel: Richtig. Das lässt sich am Titel nicht ablesen. Natürlich kann man es, wenn man die Arbeit liest, beurteilen, aber es ist eine große Heterogenität, dass also einige Mediziner wirklich solide große wissenschaftliche Arbeiten machen, und andere kleine statistische Arbeiten, die eben nicht die Kriterien erfüllen. Und das kann man nicht erkennen an dem Titel.
Kienzlen: Jetzt könnte ich mich ja auf den Standpunkt stellen: Na ja, ist doch vielleicht nur eine Neiddebatte für die Leute, die eben eine große wissenschaftliche Arbeit gemacht haben. Welchen Nachteil haben sie denn daraus, dass es die Türschildforschung gibt?
Beisiegel: Also die Studierenden oder die Mediziner selber, die eine große wissenschaftliche Arbeit gemacht haben, haben dadurch am Ende keinen Nachteil. Aber wir müssen natürlich darauf achten, dass akademische Titel auch das halten, was sie versprechen, nämlich dass hier eine wissenschaftlich fundierte Arbeit zugrunde liegt. Deswegen hat der Wissenschaftsrat ja vorgeschlagen, den M.D., also einen medizinischen Doktor zu vergeben für alle, um zu zeigen, hier handelt es sich um einen Arzt, der Medizin studiert hat und auch ein gewisses Maß an Einsicht in die Wissenschaft hat, und dann eben einen anderen Titel zu vergeben an die, die wirklich wissenschaftliche Arbeit über längere Zeiten erstellen. Was wir für die wissenschaftlich interessierten Mediziner haben wollen, wäre der Ph.D.
Kienzlen: Und der Dr. med., den wir heute haben, der wird nicht anerkannt als Ph.D.?
Beisiegel: Nein, das ist so, dass das European Research Council den Abschluss Dr. med. eben nicht als Ph.D. anerkennt. Das ist ja auch ein Auslöser der Diskussion im Moment.
Kienzlen: Jetzt arbeiten Sie ja als Professorin und Direktorin eines Instituts am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg. Sie sind also von Ärzten umgeben. Wie finden die denn Ihr Ansinnen?
Beisiegel: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt viele Kollegen, Kolleginnen, die dieses Problem genauso ernst nehmen wie ich oder wie der Wissenschaftsrat und auch sagen, es wäre besser, wenn wir eine andere Lösung finden würden, weil sie nämlich so wie ich sehen, dass viele Arbeiten die eigentlichen Kriterien, die man an ein wissenschaftliches Projekt stellen, nicht erfüllen. Natürlich gibt es auf der anderen Seite Kollegen, die sagen: Ja, es sollte jeder Mediziner mal in die Forschung reingeschnuppert haben und deswegen ist es gut, das so zu lassen, wie es ist. Also neben dem Studium zu promovieren als Mediziner und vielleicht nur die Qualität insgesamt durch Graduiertenschulen zu verbessern.
Kienzlen: Das, was Sie beschrieben haben als System, dass es einerseits den medizinischen Doktor gibt, der eben keine wissenschaftliche Arbeit verfasst hat, und andererseits den forschenden Mediziner - wie ließe sich denn so was deutschlandweit durchsetzen?
Beisiegel: Das wäre eine Angelegenheit für die Hochschulrektorenkonferenz und die entsprechenden Gremien, Kultusministerkonferenz, beschlossen werden müsste. Aber es würde ja heißen, dass man im Medizinstudium - das schlagen wir ja auch vor - eine gewisse, nichtexperimentelle wissenschaftliche Ausbildung anbieten, eine strukturierte Ausbildung, damit die Mediziner später klinische Studien und wissenschaftliche Artikel beurteilen können. Dazu muss man ja keine Molekularbiologie selbst gemacht haben. Also so einen strukturierten Anteil des Studiums, der sicherstellt, dass Mediziner akademisch ausgebildet sind und auch Forschungen einschätzen können, und nur für die wirklich Wissenschaftsinteressierten dann die eigentliche Promotion nach dem Studium anbietet. Das heißt, das müsste beschlossen werden und könnte beschlossen werden. Das ist jetzt nicht etwas, was man nicht umsetzen könnte in Deutschland.
Kienzlen: Wann und wo könnte das beschlossen werden?
Beisiegel: Es ist so, dass die Kultusministerkonferenz im Jahre 2006 ja schon einen Beschluss gefasst hat, der in etwa dieses auch aufgreift. Und das müsste man jetzt reaktivieren und dann mit den entsprechenden Gremien diskutieren.