Schmidt ist bis zu seinem Tod am 10. November der älteste noch lebende ehemalige deutsche Regierungschef, eine Art Ehrenkanzler der Bundesrepublik. Zur Trauerfeier und zum Staatsakt in Hamburg kommen sie dann auch alle: Vertreter aus Gesellschaft und Politik, aus dem Aus- und Inland, aktuelle und ehemalige Amtsträger, Wegbegleiter und Nachfolger Schmidts. Sie erleben eine Trauerfeier an einem Tag mit eisigen Temperaturen außerhalb und warmen, herzlichen Worten des Andenkens im Inneren der Kirche Sankt Michaels.
"Als wäre ein guter Freund gegangen"
Zu Beginn erinnert der Hauptpastor des Gotteshauses, Alexander Röder, Schmidt als einen Menschen, der "Millionen Menschen tief berührt" habe. "Als wäre ein guter Freund gegangen", das hätten die Ehrbekundungen nach seinem Tod zum Ausdruck gebracht. Schmidt sei "empfundene menschliche Nähe" entgegen gebracht worden, "obwohl viele Menschen ihm niemals begegnet sind".
Auch nach seinem Tod, das wird deutlich, überlässt Schmidt nichts dem Zufall, hat die Trauerfeier mitgeplant: Den Psalm für die Predigt wählte er aus (90,10), eine Bibelstelle über die Vergänglichkeit der eigenen Mühe. Genau wie die Musik: Der Chor von Sankt Michaels singt "Der Mond ist aufgegangen", zum Abschluss singt der Hamburger Volkssänger Joachim Wiegandt auf Wunsch des Altkanzlers zur Gitarre das Lied "Mien Jehann", mit einem Text, in dem der plattdeutsche Lyriker Klaus Groth von seiner Kindheit und seinem Bruder erzählt.
Scholz und Kissinger würdigen Schmidt beim Staatsakt
Dann geht die Trauerfeier in den von Bundespräsident Joachim Gauck angeordneten Staatsakt über. Hamburg Erster Bürgermeister, Olaf Scholz, erinnert an Schmidts Verdienste für die Hansestadt und darüber hinaus: sein Krisenmanagement als Innensenator bei der Sturmflut 1962, sein Kampf gegen den RAF-Terrorismus. Scholz schlägt die Brücke zum islamistischen Terror von heute, spricht von den Werten der Aufklärung mit universeller Gültigkeit, die wir heute so verteidigen könnten, indem wir leben, wie Schmidt es getan habe. "Wir haben einen Giganten verloren", sagt Scholz zum Ende seiner Rede, "politisch und menschlich". Diese Lücke bleibe.
Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger erinnerte zu Beginn an seine langjährige Freundschaft mit Helmut Schmidt. Sechs Jahrzehnte lang hätten die beiden über die selben Probleme nachgedacht, dabei aber dennoch nie zum Du gefunden. "Wer sich auf Helmut einließ, wurde sozusagen in einen Orden rekrutiert, welcher die Suche nach dem Wesentlichen mit Demut paarte."
Schmidts Verständnis von Politik sei weit über das tägliche Geschäft hinaus gegangen: Er sei weiter gebildet als die meisten Spitzenpolitiker, habe ein "spirituelles Verhältnis" zur Musik gehabt. Sein Weg in die Politik sei dem Zufall geschuldet - eigentlich habe er Architektur studieren wollen, erinnerte Kissinger. Als Staatsmann habe sich Schmidt später in der Pflicht gesehen, "sein Land aus dem Gestern in eine Welt zu führen, die Deutschland nie gekannt hatte". Später dann habe er "uns die Weltläufe erklärt". Schmidt sei eine "Art Weltgewissen" gewesen.
"Helmut wird bei uns bleiben: perfektionistisch, launisch, stets auf der Suche, fordernd, inspirierend, immer zuverlässig. So wird er uns für den Rest unseres Lebens begleiten. Mit seiner Hingabe und seinem Streben. So hat er uns geehrt. Uns, die wir die Zeitgenossen eines guten und großen Menschen sein durften", beendet Kissinger seine persönlichen Worte.
Merkel: "Er war standhaft"
"Er wird seinen Freunden und Weggefährten fehlen", knüpft Angela Merkel, die dritte Nachfolgerin Schmidts im Bundeskanzleramt, an Kissingers Abschiedsrede an. Sie betont, ihr Vorgänger habe stets Verantwortung übernommen. "Er war standhaft." Dabei sei Schmidt bereit gewesen, "den höchsten Preis zu zahlen", zuletzt den Verlust seiner Kanzlerschaft. Schmidt habe für die Demokratie gebrannt und sich gegen jegliche Form von Ideologie gewehrt.
Die Leistungen Schmidts hätten sich in den Krisen gezeigt, die er bewältigen musste, wie dem Kampf gegen den Terror. Angesichts der heutigen Gefahren dieser Form der Gewalt läge die Frage "Was hätte Helmut Schmidt zu den Anschlägen von Paris gesagt" nahe, sie verbiete sich aber. "Wir müssen selbst Antworten finden und Verantwortung übernehmen."
Schmidts Tod sei "für uns alle eine Zäsur", so Merkel. "Ich verneige mich vor dem Politiker, dem unabhängigen Geist und dem Publizisten Ich verneige mich vor einer herausragenden Persönlichkeit. Helmut Schmidt wird uns fehlen."
Beisetzung im privaten Familienkreis
Im Anschluss an den Staatsakt wurde Schmidts Sarg in einer Eskorte zur Beisetzung zum Friedhof Ohlsdorf gefahren, um auch der Bevölkerung die Möglichkeit zum Abschied zu geben. Die Beisetzung soll im privaten Familienkreis stattfinden.
Der Sozialdemokrat Schmidt war von 1974 bis 1982 Bundeskanzler. Von 1983 bis zu seinem Tod war er Herausgeber der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit". Am 10. November war er im Alter von 96 Jahren in seinem Haus in Hamburg-Langenhorn gestorben.
(bor/tj)