Mit keinem ausländischen Staats- oder Regierungschef hat Angela Merkel mehr Stunden verbracht, am Telefon oder persönlich. Wladimir Putin war Präsident, als sie ins Bundeskanzleramt kam. Und er ist es bis heute, mit einer eher technischen Unterbrechung von vier Jahren.
Lagodinsky (Grüne): Nord Stream 2 muss gestoppt werden
Der Grünen-Politiker Sergey Lagodinsky rechnet mit keinen greifbaren Ergebnissen beim letzten Treffen von Angela Merkel mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin – weder mit Blick auf den schwelenden Krieg in der Ost-Ukraine, noch zum Thema Nord Stream 2.
Der Grünen-Politiker Sergey Lagodinsky rechnet mit keinen greifbaren Ergebnissen beim letzten Treffen von Angela Merkel mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin – weder mit Blick auf den schwelenden Krieg in der Ost-Ukraine, noch zum Thema Nord Stream 2.
Der Besuch am Freitag sei aber nicht nur ein Abschiedsbesuch, sagt der Merkel-Biograph und Autor der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" Ralph Bollmann:
"Ich glaube, dass die Beziehung zu Russland ein so wichtiges Thema ihrer Amtszeit gewesen ist, dass sie da einen Schlusspunkt noch einmal setzen will. Ich glaube, dass sie da nochmal ein paar Pflöcke einschlagen, auch Signale an ihren möglichen Nachfolger, wie die Russlandpolitik künftig aussehen soll."
Merkel sparte nicht mit Kritik
Pflöcke eingeschlagen hat Angela Merkel schon bei ihrem ersten Moskau-Besuch als Kanzlerin vor 15 Jahren. Anders als ihr Vorgänger Gerhard Schröder kritisierte sie deutlich den Demokratie-Abbau, den Wladimir Putin betrieb. So bei der gemeinsamen Pressekonferenz:
"Wir haben über das Gesetz über die Nicht-Regierungsorganisationen gesprochen. Und ich habe darauf aufmerksam gemacht, dass, wenn dieses Gesetz jetzt eingesetzt wird, dass wir sehr genau auch schauen werden, zum Beispiel am Beispiel unserer Stiftungen, die ja auch hier arbeiten, dass dieses Gesetz so angewandt wird, dass Nicht-Regierungsorganisationen auch die Möglichkeit haben, ihre Arbeit durchzuführen."
Merkels Befürchtungen waren berechtigt. Sechs Jahre später wurden Büros der Friedrich Ebert-Stiftung und der Konrad Adenauer-Stiftung in Moskau und Sankt-Petersburg durchsucht. Und erst vor wenigen Wochen hat die Regierung drei deutsche Organisationen, die sich für Dialog und Jugendaustausch einsetzen, auf die Liste der "unerwünschten Organisationen" gesetzt.
Merkel stellte sich hinter Nord Stream 2
Putin versuchte, der Kanzlerin mit Psycho-Spielchen zuzusetzen. Berühmt wurde die Labrador-Hündin "Conni", die er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in den Raum ließ – wohl wissend um Merkels Angst vor Hunden.
Dennoch nahm diese in zentralen Fragen Rücksicht auf russische Interessen. So wandte sie sich in den 2000er Jahren gegen die Aufnahme der Ukraine und Georgiens in den Membership Action Plan der Nato, die Vorstufe zur Mitgliedschaft. Sie stellte sich hinter die deutsch-russische Gaspipeline durch die Ostsee "Nord Stream 2".
Wendepunkt Ukraine-Konflikt
Einen Schwenk brachte das Jahr 2014, so Ralph Bollmann, als Russland die Krim annektierte und eine russische Rakete über der Ostukraine ein malaysisches Passagierflugzeug abstürzen ließ:
"Die Ukraine-Krise war dann tatsächlich ein Einschnitt, wo sie dann eben klar die Politik der Sanktionen auch durchgesetzt hat in der EU. Und ich glaube, eine ihrer großen historischen Leistungen ist schon gewesen, in dieser Phase die EU beisammen zu halten. Ich meine, wir dürfen ja nicht vergessen: Frankreich wollte noch einen Hubschrauberträger liefern an Russland in dieser Phase auf der einen Seite. Die Osteuropäer fanden die Sanktionen noch viel zu lasch. Und wie sie das geschafft, glaube ich, das war auch etwas, womit auch Putin nicht gerechnet hatte."
In den Folgemonaten führten Merkel und Putin stundenlange Telefonate. Im Februar 2015 handelten sie in Minsk einen Friedensplan für die Ostukraine aus, zusammen mit den Staatsoberhäuptern der Ukraine und Frankreichs. Er ließ die Kampfhandlungen zumindest stark abebben.
Seitdem ist das Verhältnis zwischen den beiden stark abgekühlt. Selbst zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs reiste Merkel nicht nach Moskau, sie kam einen Tag nach der Militärparade. Zuletzt sorgte die unaufgeklärte Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalnyj, die sich am Freitag jährt, für Spannungen.
Lob für die Kanzlerin
Dennoch fand Putin vor wenigen Monaten, als sich Merkels Abschied ankündigte, positive Worte: "Zwischen uns hat sich eine sachbezogene Beziehung entwickelt. Ich schätze sie sehr. Sie ist eine erfahrene Politikerin und ein direkter Mensch. Wenn wir etwas vereinbart hatten, dann konnte ich mich auf sie verlassen. Sie ist konsequent und kann sich durchsetzen."
Vor allem ein Thema würde Angela Merkel am liebsten noch regeln, sagen Beobachter: Sie will erreichen, dass Russland auch in Zukunft Gas durch die Ukraine in die Europäische Union leiten wird, auch dann, wenn die Pipeline "Nord Stream 2" fertig gestellt sein wird. Wohl nicht zufällig reist sie dann am Sonntag zum letzten Mal als Kanzlerin nach Kiew.