Im Ton freundlich, in der Sache manchmal hart, insgesamt mehr Fragen als Antworten, so lassen sich die 26 Stunden Befragung von Amy Coney Barrett im Justizausschuss des US-Senates zusammenfassen. Präsident Trumps Kandidatin für den Obersten Gerichtshof vermied auch am zweiten Tag der Befragung konkrete Aussagen und alle kontroversen Themen. Besonders vorsichtig war die 48-jährige Juraprofessorin und Richterin an einem Berufungsgericht, wenn es um Präsident Trump ging. Ob ein Präsident sich selber begnadigen dürfe? Dazu habe sie keine Meinung, sagte Coney Barrett.
Donald Trump, dem ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung droht, hat dies immer wieder behauptet. Zweimal wurde sie gefragt, ob ein solcher Vorgang eine Gefahr für die amerikanische Verfassung sei, zweimal antwortete Coney Barrett nicht darauf und erklärte erst auf Nachfrage, niemand stehe über dem Gesetz.
Häufigste Äußerung - darauf könne sie nicht antworten
Amy Coney Barrett hat in den über zwei Jahrzehnten ihrer juristischen Tätigkeit nie ein Hehl daraus gemacht, wie sehr ihr Glaube und ihre konservativen Überzeugungen ihr Leben und das ihrer Familie prägen. So hat sie eine Petition gegen das geltende Abtreibungsrecht und künstliche Befruchtung unterzeichnet und den konservativen Vorsitzenden des Supreme Court dafür kritisiert, dass mit seiner Stimme Obamacare, die flächendeckende Krankenversicherung, als verfassungsgemäß bestätigt wurde. Doch in der Befragung war Coney Barretts häufigste Äußerung auf Fragen der Demokraten, dazu könne sie sich nicht äußern. Weniger vorsichtig war der republikanische Ausschussvorsitzende Lindsey Graham, mit Coney Barrett werde zum ersten Mal eine Frau, die ohne Scham und Entschuldigung für das Leben Ungeborener und ihren Glauben eintrete, Richterin am Supreme Court.
Dass Amy Coney Barrett am 26. Oktober als neue Verfassungsrichterin bestätigt wird, steht auch für die Demokraten außer Frage. Die Republikaner haben die Mehrheit im Senat, der die Richter auf Lebenszeit bestellt. Die Strategie der Kandidatin, sich bei nichts festzulegen, konterten die Demokraten mit der Erinnerung an ihre früheren Äußerungen und Entscheidungen, und deren mögliche Auswirkungen. Der Supreme Court befasst sich in der Woche nach dem Wahltag mit einer Klage der Republikaner, viele Millionen Amerikaner befürchten, darüber ihren Krankenversicherungsschutz zu verlieren. Coney Barretts Berufung so kurz vor der Wahl, mit dem Ziel, die Krankenversicherung abzuschaffen, hänge wie eine orange Wolke über der Kandidatin sagte der demokratische Senator Durbin in Anspielung auf den Präsidenten.
Kippt Trumps Kandidatin Obamacare?
Präsident Trump hatte die Nominierung der konservativen Juristin mit dem Hinweis verbunden, mit ihr werde das Gericht das Obamacare-Gesetz kippen und im Zweifel den Wahlausgang zu seinen Gunsten entscheiden. Wie bereits am Vortag äußerte sich die Kandidatin für das Oberste Gericht nicht zu der Frage, ob es in den USA Rassismus gebe und Diskriminierung beim Stimmrecht, eine sehr aktuelle Frage, da viele US-Bürger derzeit stundenlang anstehen, um ihre Stimme abzugeben. Hintergrund ist, dass in republikanisch regierten Bundesstaaten die Zahl der Wahllokale in demokratisch dominierten Bezirken oft bewusst geringgehalten wird.
Aufschlussreich war gegen Ende der Befragung der Schlagabtausch zum Thema Klimawandel zwischen Richterin Barrett und Senatorin Kamala Harris, der Kandidatin der Demokraten für die Vizepräsidentschaft: Nachdem Amy Coney Barrett erklärt hatte, ihre Ansichten zum Klimawandel seien nicht entscheidend für ihre Arbeit im Supreme Court, obwohl sich das Gericht absehbar mit einem Fall dazu befassen wird, stellte Harris Fragen nach dem Infektionsrisiko von COVID und nach der Gefährlichkeit von Zigaretten. Beides bejahte Coney Barrett, aber bei der anschließenden Frage, ob sie an den Klimawandel glaube, und dass er eine Bedrohung sei für Luft und Wasser sei, wich sie aus.
Der Klimawandel sei ein sehr umstrittenes Thema, sie werde keine Meinung äußern zu diesem gesellschaftlich umstrittenen und hochpolitischen Thema. Heute beschließt der Justizausschuss des Senats seine Befragung mit der Anhörung von unabhängigen Zeugen. In einer Woche gibt er sein Votum ab, bevor am 26. Oktober der Senat entscheidet.