Ihre Schlafsäcke haben sie dabei, so unken einige Vertreter der Umweltverbände am Morgen – seit acht Uhr rauchen den Mitgliedern der so genannten Kohlekommission die Köpfe im Bundeswirtschaftsministerium. Wir sind jetzt in der entscheidenden Phase, mahnt der Hausherr, Christdemokrat Peter Altmaier:
"Die Kohlekommission hat intensiv gearbeitet. Es geht darum, drei wichtige Ziele unter einen Hut zu bringen. Zum einen, die Erreichung unserer Klimaschutzziele. Zweitens: Die Erhaltung und Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. Und drittens: Wir wollen, dass Energiepreise auch in Zukunft bezahlbar bleiben."
Es geht um zweistellige Milliardenbeträge
Alle drei Lager – Industrie und Kraftwerksbetreiber, die Ministerpräsidenten der Kohleländer, und drittens die Umweltverbände – pokern bis zuletzt, geht es doch beim Kohleausstieg um Deutschlands rechtliche Verpflichtungen beim Klimaschutz und um mindestens zweistellige Milliardenbeträge, um den Kohleausstieg zu finanzieren und Versorgungssicherheit und stabile Energiepreise zu sichern. Sachsen-Anhalts Umweltministerin Claudia Dalbert von den Grünen warnt jedoch am Morgen in der ARD davor, immer nur vermeintliche Gegensätze zu betonen:
"Die Bundesrepublik Deutschland wird die Klimaziele 2020 nicht erreichen. Deswegen gibt es die Kohlekommission, um sicherzustellen, dass wir wenigstens die Klimaziele 2030 erreichen werden. Deswegen brauchen wir den Kohleausstieg, er wird begleitet werden von Strukturmaßnahmen. Insofern möchte ich hier keinen Gegensatz aufbauen."
Für Brandenburgs Ministerpräsidenten Dietmar Woidke geht es im Interview mit dem Deutschlandfunk hingegen um alles oder nichts. Dem Sozialdemokrat stehen im Herbst Landtagswahlen ins Haus, was seiner Wortwahl durchaus anzuhören ist:
"Wenn der Kohleausstieg dazu führt, dass ganze Regionen wirtschaftlich in den Abgrund gestürzt werden, dann wird es auch so sein, dann wird es auch so sein, dass auch dieses Beispiel kaum Nachfolger finden wird."
Klima wird sich bitter rächen
Weltweit könnte Deutschland zum Vorbild werden, wenn der Kohleausstieg Schritt für Schritt in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gelingt, zusätzlich zum Atomausstieg im Jahre 2022. Als Enddatum nennen einige Kommissionsmitglieder einen Zeitpunkt etwa um das Jahr 2035. Klappt das, brauchen die Braunkohle-Reviere Hilfe vom Bund, mahnt Dietmar Woidke:
"Gerade wir Ostdeutschen haben erlebt, wie schwierig es ist, in Strukturbrüchen beziehungsweise zusammengebrochenen Wirtschaftsstrukturen dann wieder was Neues aufzubauen. Es geht nicht innerhalb von fünf oder sechs Jahren."
Hubert Weiger, Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz und ebenfalls Mitglied der Kohlekommission, mahnt hingegen zur Eile:
"Wir haben wertvolle Jahre versäumt durch Nichtstun, und das Klima rächt sich bitter in den nächsten Jahrzehnten. Das heißt, es ist ein Wettlauf mit der Zeit."
Geld lieber in den Strukturwandel investieren
Die ersten Braunkohle-Meiler würden dem Vernehmen nach im Rheinischen Revier abgeschaltet werden, denn dort stehen die ältesten und damit umweltschädlichsten Kraftwerke. Grünen-Politikerin Dalbert weist außerdem darauf hin, dass ein Schleifen oder Verzögern der deutschen Klimaschutz-Ziele ebenfalls teuer werden könnte:
"Wenn wir die Klimaziele 2030 als Bundesrepublik Deutschland nicht erreichen werden, sagen uns Gutachter, dass wir ja dann auch Zertifikate kaufen müssen für den CO2-Ausstoß, den wir dann produzieren. Da kommen dann Kosten auf uns zu zwischen 30 und 60 Milliarden Euro. Das Geld möchte ich lieber in den Strukturwandel, in die Regionen investieren, als dafür zusätzliche Zertifikate zu kaufen."
Ob die Kohlekommission heute fertig wird und ihren Abschlussbericht mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit verabschieden kann, steht bislang in den Sternen. Aus Sicht der in der Kommission vertretenen Umweltverbände wäre ein Ergebnis noch heute allerdings wünschenswert, auch um die "Glaubwürdigkeits-Lücke" der Politik zu schließen, meint Hubert Weiger. Einfach wird es aber nicht: "Wir bleiben bis zum Schluss sitzen heute"- sagt der BUND-Chef.