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Abschuss im All

Im Rahmen seines ambitionierten Raumfahrtprogramms hat China bereits zweimal erfolgreich Taikonauten in die Umlaufbahn geschickt. Die neueste Machtdemonstration der Raketenbauer aus Fernost hat allerdings ein anderes Kaliber. Wie heute bekannt wurde, haben die Chinesen vor wenigen Tagen erfolgreich eine Anti-Satelliten-Waffe getestet. Ein Vorgang, der nun für diplomatische Verwicklungen sorgt.

    Zum Test hat China offenbar einen eigenen Satelliten abgeschossen: Feng Yun 1C, was übersetzt soviel heißt wie "Wind und Wolken", war ein ausgedienter Wettersatellit, der seit 1999 in einem polaren Orbit 850 Kilometer hoch um die Erde kreiste. Die Mission des Satelliten war offiziell schon länger zu Ende, er war sozusagen zum Abschuss freigegeben. Der Ablauf: Am vergangenen Donnerstag, den 11. Januar, startete vom Weltraumbahnhof Xichang im Südwesten Chinas eine Mittelstreckenrakete, nahm Kurs auf den Satelliten in der Umlaufbahn und pulverisierte ihn dann durch einen frontalen Zusammenprall.

    An die große Glocke gehängt hat China den Test freilich nicht. Erst jetzt gelangten Informationen an die Öffentlichkeit und wurden mittlerweile von US-Militärs und Geheimdiensten bestätigt. Die Radarstationen der US-Luftwaffe, die den erdnahen Orbit beobachten, haben das Verschwinden des chinesischen Satelliten registriert und an seiner Stelle eine Trümmerwolke detektiert.

    Völlig überrascht hat der Test Experten allerdings nicht. Bis Ende der 1980er Jahre haben USA und Russland ähnliche Tests gemacht, die technisch zwar nicht trivial, aber auch nicht außergewöhnlich kompliziert sind. Da die Flugbahn so eines Satelliten genau bekannt ist, lässt er sich deutlich leichter vom Himmel holen, als zum Beispiel eine anfliegende feindliche Rakete, bei der man im Ernstfall nur ein paar Minuten hätte, um die Bahnkoordinaten zu bestimmen.

    Auch dass China an solchen bodengestützten Anti-Satelliten-Raketen bastelt, war schon länger bekannt. In einem Bericht des US-Verteidigungsministeriums war bereits 2003 davon die Rede, dass China solche Systeme in zwei bis sechs Jahren einsatzbereit haben könnte.

    Trotzdem hagelt es jetzt internationale Proteste, unter anderem aus den USA, Kanada, Australien und Japan. China hat mit dem Test bewiesen, dass es technisch in der Lage ist, niedrig fliegende Satelliten abzuschießen, und damit offenbar eine neuralgische Stelle erwischt.

    Bei den diplomatischen Reaktionen spielt aber auch eine gewisse Portion Doppelzüngigkeit mit. In den USA arbeitet man beispielsweise längst an technisch wesentlich ausgefeilteren Methoden, um gegnerische Satelliten im Ernstfall gezielt lahm zu legen. Die Chinesen ihrerseits wiederum tüfteln offenbar auch fleißig an Mikrosatelliten, die unbemerkt im Windschatten anderer Satelliten kreisen und diese im Kriegsfall durch Störsignale oder sonst wie außer Gefecht setzen.

    Nach dem Weltraumvertrag von 1967 gilt die Erdumlaufbahn allerdings als waffenfreie Zone und darf nur für friedliche Zwecke genutzt werden. Ob dieser Vertrag das Papier wert ist, auf dem er geschrieben ist, bezweifeln Fachleute aber schon länger. In den USA zum Beispiel wird schon länger daran erwogen, einen Teil des geplanten umfassenden Schutzschildes gegen feindliche Raketenangriffe ins All zu verlegen. Solche groß angelegten Weltraum-Rüstungskonzepte scheiterten bislang an der Finanzierung. Der chinesische Weckruf könnte diese Bestrebungen aber wieder neu anfachen, auch wenn China offiziell verlauten ließ, man sei weiter nur an einer friedlichen Nutzung des Weltraums interessiert.

    [Quelle: Ralf Krauter]