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Tag des Wolfes
Abschuss oder mehr Schutz für bedrohte Herden: Was ist der beste Umgang mit Wölfen?

Der Umgang mit Wölfen in Deutschland sorgt seit Jahren für kontroverse Debatten. Die bayerische Landesregierung will den Abschuss erleichtern. Das stößt auf Lob beim Bauernverband und Kritik bei Naturschützern. Am Sonntag ist der Tag des Wolfes. Ein Überblick.

    Ein Wolf blickt aus seinem Gehege im Wildpark Eekholt, Schleswig-Holstein, den Fotografen an.
    Was ist der richtige Umgang mit Wolfspopulationen? (dpa / picture alliance / Carsten Rehder)
    Der Bauernverband fordert eine deutliche Reduzierung der Wolfspopulation in Deutschland. Das geht aus der Pressemitteilung für einen sogenannten "Wolfsgipfel" hervor, den der Verband organisiert und der heute in Berlin stattfindet - mit Landwirten, Experten und Politikern.
    Der Verband klagt, der Wolfsbestand wachse derzeit "ungebremst" und habe "ein Mehrfaches des günstigen Erhaltungszustandes erreicht". Gleichzeitig würden die Weidetierhalter in der Fläche das Handtuch werfen, weil deren Probleme nicht ernst genommen würden. 2021 seien 3374 Weidetiere von Wölfen gerissen oder verletzt worden oder seien verloren gegangen.
    Der Bauernverband fordert die Bundesregierung auf, diese solle Entnahmequoten festlegen. "Entnahme" kann Fangen von Tieren bedeuten, aber auch das Töten. Auch sollten "wolfsfreie Gebiete" ausgewiesen werden.

    "Nicht jede Rissmeldung kann auf den Wolf zurückgeführt werden"

    Patrick Irmer vom sächsischen Umweltamt wies hingegen darauf hin, dass nicht jede Rissmeldung auf den Wolf zurückgeführt werden könne. In Sachsen habe es im vergangenen Jahr 250 Rissmeldungen gegeben, in 180 Fällen sei der Wolf eindeutig identifiziert worden, in 70 Fällen gebe es aber andere Ursachen, sagte Irmer im Deutschlandfunk. So sei Geflügel etwa durch Füchse gerissen worden, oder es habe eine natürliche Todesursache vorgelegen.

    NABU fordert mehr Sachlichkeit in der Debatte

    Der Naturschutzbund NABU rief zu mehr Sachlichkeit in der Debatte um den Umgang mit Wölfen auf. Rufe nach Regulierung des Wolfsbestandes würden seit Jahren immer wieder diskutiert und suggerierten, eine Bejagung des geschützten Wildtieres bedeute mehr Sicherheit für Weidetiere. "Das ist aber sachlich völlig falsch", betont NABU-Präsident Krüger. "Fakt ist, dass die Anzahl an Wölfen nicht zwangsläufig mit der Anzahl an Rissen wächst: 2021 sind die Risse in Deutschland trotz Wachstum des Wolfsbestandes um 15 Prozent zurück gegangen. Der einzig wirksame Weg, um Weidetiere vor Wolfsrissen zu schützen, sind wirksame Herdenschutzmaßnahmen."

    Ultimative Herdenschutzlösung ist nicht immer umsetzbar

    Diesen Ansatz sieht Heiner Schumann vom Institut für Waldökosysteme mit einer gewissen Skepsis: "Es gibt keine ultimative Herdenschutzlösung, die für alle Regionen eine Lösung bringt. Im Flachland ist es im Grunde oftmals umsetzbar, aber bei weitem nicht immer. Aber jeder Betrieb ist ein Einzelfall und selten vergleichbar. Mit gut gewarteten Elektrozäunen und (wo möglich) im Zusammenspiel mit gut ausgebildeten Herdenschutzhunden kann es funktionieren. Ein Restrisiko wird es allerdings immer geben."

    Rückkehr der Wölfe: wichtig für die Ökysysteme?

    Ilse Storch, die an der Universität Freiburg, eine Professur für Wildtierökologie innehat, betont: "Die Rückkehr des Wolfes ist ein wichtiger Schritt zum Erreichen natürlicher, voll funktionsfähiger Ökosysteme mit einem vollständigen Arteninventar, ihren vielfältigen Wechselwirkungen und natürlichen Prozessen."
    Diesen Ansatz teilt Klaus Hackländer vom Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung nicht. Er weist auf Unterschiede der Lebensräume in Deutschland und etwa in den Karpaten hin: "In Ländern, in denen Wolf und Bär nie ausgestorben waren, funktioniert die Koexistenz aus zwei Gründen sehr gut. Einerseits werden die Großraubtiere bejagt und halten sich vom Menschen fern. Andererseits gibt es auch genügend Lebensraum, in den sie sich zurückziehen können und in denen wenig Konflikte herrschen."

    Bei Begegnung mit Wolf: Laut werden und sich groß machen

    Zur Koexistenz von Wolf und Mensch sagte Irmer, dass er die Befürchtungen der Bevölkerung verstehen können. Aber in Europa und insbesondere in Deutschland habe es noch keinen dokumentierten Übergriff von Wölfen auf Menschen gegeben. Wenn man einem Wolf begegne, sollte man sich ähnlich wie bei einem großen fremden Hund verhalten: Der Mensch soll laut werden und sich groß machen, empfiehlt der Experte.
    Diese Nachricht wurde am 28.04.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.