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Abstandsmesser fürs Auto
Miniatur-Lichtradar aus München

Entfernungsmessung per Lichtradar gilt als entscheidend für autonomes Fahren. Bislang ist sie nicht am Auto einsetzbar - zu groß, zu anfällig. Ein deutsches Start-up will das ändern.

Von Bernd Schlupeck |
Punktwolkenbild einer Straße mit Auto
Bild eines Lidar-Scans: Rote Punkte sind nah am Scanner, blaue und grüne weiter entfernt (Blickfeld)
Es war im Jahr 2016, da stellte sich Florian Petit bei einem USA-Besuch die Frage: Wie kann es sein, dass sich die Rechnerleistung jedes Jahr verdoppelt, aber so etwas Wichtiges wie Lidar-Systeme immer noch fast einen halben Meter groß sind? Bis heute fahren autonome Autos deshalb mit einer Riesenbeule vollgestopft mit anfälliger Mechanik auf dem Dach herum, um via Laserlicht ihre Umgebung zu erfassen.
Um das zu ändern, gründete der Robotiker 2017 in München das Start-up Blickfeld, mit dem Ziel: Das muss kleiner, günstiger und robuster gehen. Gut zwei Jahre später nimmt Florian Petit in seinem Büro einen faustgroßen schwarzen Plastikkasten vom Tisch.
"Ich mach den mal auf. Da sieht man, dass im Prinzip drei wesentliche Teile drin sind: Als Erstes habe ich hier oben das Laserdetektormodul. Das ist dafür zuständig, einen kurzen Laserimpuls rauszuschießen. Der wird hier über die zwei Spiegel gelenkt – die sind für die Strahlablenkung verantwortlich. Das passiert von 200.000 bis zu einer Million Mal pro Sekunde. Und jeder einzelne kommt wieder zurück über den gleichen Pfad und tritt in das Detektormodul ein, das die Reflektion erfasst."
Mikroelektrik statt Mechanik
Der Clou an dem System namens Cube: Es kommt ohne bewegliche Komponenten aus, die anfällig für Verschleiß sind. Bisherige Laser-Abstandsmesser nutzen in der Regel motorgetriebene rotierende Spiegel, um die Lichtpulse schnell in alle Raumrichtungen auszusenden. Die Münchner setzen stattdessen auf ein mikro-elektrisches mechanisches Bauteil, einen sogenannten MEMS-Spiegel, der durch elektrostatische Felder hin- und hergeschaltet werden kann.
"Es handelt sich hierbei um zwei MEMS-Spiegel, einer ist für die horizontale Ablenkung und einer für die vertikale Ablenkung zuständig. Die Größe ist ungefähr daumennagelgroß, also ein bisschen größer als ein Quadratzentimeter. Die Besonderheit, die wir hier gebaut haben, ist ein besonders großer MEMS-Spiegel. Weil ähnlich wie eine Katze, die, wenn es dunkel ist, die Augen öffnet, muss der Lidar möglichst viel Licht einfangen. Denn umso mehr Licht er einfängt, umso weiter kann er sehen."
Ähnliche Systeme kennt man etwa von Scanner-Kassen im Supermarkt. Anders als diese kann der Cube durch seinen Spiegel aber viel mehr von seiner Umgebung erfassen, und das auch deutlich genauer. Das System nimmt Objekte in einem Winkel von 120 Grad horizontal und 40 Grad vertikal wahr. Und es ist so präzise, dass 17 Zentimeter große Objekte auch in 100 Metern Entfernung zuverlässig aufgelöst werden, so Florian Petit.
Der Lidar in Aktion
Zur Demonstration geht er aus dem Konferenzraum in Richtung Empfangsbereich. Dort schaltet er einen Flachbildschirm ein, an den das Laserradar angeschlossen ist. Auf dem Monitor erscheint das Ergebnis der aktuellen Lidarmessung: Der Raum wird als 3D-Bild aus bunten Punktreihen dargestellt, Personen und Gegenstände als Punktestapel.
"Man kodiert im Lidar die unterschiedlichen Abstände typischerweise mit Farben. Rot bedeutet, dass wir relativ nah am Lidar stehen. Und, wenn es weiter nach hinten geht, geht es eben in die Gelb-, Grün- und Blautöne. Die Wand hier hinten ist jetzt dunkelgrün ins Blau übergehend. Das bedeutet, dass sie weiter weg ist. So ein Lidarbild ist auch aufgebaut, dass man horizontal verlaufende Scanlinien hat. Das heißt, wenn ein Objekt ein bisschen aus dem Boden herausragt, wie hier dieser Schemel, dann kann man den eben sehr gut in der Höhe erkennen."
Vorstellung auf Branchenmessen läuft
Neben der großen Genauigkeit und der geringen Größe – das System kann einfach im Rückspiegel oder Scheinwerfer versteckt werden – zählen die Münchner die mögliche Serienfertigung zu den Vorteilen des MEMS-Lidars. Denn die Spiegel sind nichts anderes als Stücke von Silizium-Wafern, können also günstig und mit bekannter Technik hergestellt werden. Kürzlich haben sie auf der 'Consumer Electronics Show' in Las Vegas den Cube vorgestellt. Das Interesse aus der Automobilindustrie ist groß.
"Aber wir könnten damit auch Fahrzeuge zählen, indem wir ihn in die Infrastruktur einbauen. Oder wir könnten ihn in Straßenlaternen einbauen, um Parkplätze zu erkennen. Oder Robotik ist so ein ganz großes Thema. Da ist es natürlich offensichtlich, dass der Roboter sehen muss, wo er hinfährt, seien es Roboterarme oder seien es in der Logistik diese Fahrzeuge, die in Lagerhallen automatisch rumfahren.