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Abstandsregelungen für Windkraftanlagen
Verhandlung über DIN-Normen

Zahlreiche Sachverständige, Mediziner und rund 800 Bürgerinitiativen in Deutschland sind sich einig, dass Windräder die Gesundheit von Menschen in der unmittelbaren Umgebung negativ beeinflussen. Beim Deutschen Institut für Normung überprüft deshalb ein Arbeitskreis aktuell die Messnormen für tieffrequenten Schall.

Von Dieter Nürnberger |
    Felder mit zahlreichen Windkraftanlagen bei Husum in Schleswig-Holstein
    In Deutschland stehen derzeit rund 27.200 Windenergieanlagen an Land und deren Erzeugung macht heute fast die Hälfte des erneuerbaren Stroms hierzulande aus (dpa picture-alliance/ Daniel Reinhardt)
    Die Frage, ob der Infraschall von Windanlagen krank machen kann, ist vor allem ein Streit der Gutachter. Es gibt ganz konkrete Klagen vor Ort, wo Menschen, die mehr oder weniger direkt an Windkraftanlagen wohnen und leben, über Beeinträchtigungen berichten. Unterstützt werden sie dabei von einigen Umweltmedizinern, die darauf verweisen, dass diese niederfrequenten Schwingungen durchaus zu Schlafstörungen, Übelkeit oder auch Herzrhythmusproblemen führen können. Und es gibt auf der anderen Seite jene Fachleute, die sagen, dass die bisher festgelegten Abstandsregeln ausreichend und somit keine Beeinträchtigungen für die Gesundheit der Anwohner zu erwarten seien.
    Beim Deutschen Institut für Normung in Berlin tagt heute ein Arbeitskreis, der sich mit der Überprüfung der entsprechenden Messnorm für tieffrequenten Schall beschäftigt. Und teilnehmen wird auch Sven Johannsen, ein Gutachter für Umweltmessungen. Er möchte, dass das Messverfahren in diesem Bereich erweitert wird:
    "In erster Linie ist es der Infraschall, der luftgetragen ist. Aber ein Hauptproblem ist auch: Dieser tritt auch relativ oft mit Körperschallvibrationen auf. Bisher war es leider so, dass man sich bisher immer nur die eine oder andere Seite anschaut - den luftgetragenen Schall oder die Vibrationen. Beides zusammen in Kombinationswirkung wird bisher noch nicht betrachtet. Das ist mein Anliegen, dass man das künftig macht."
    Abstandsregelungen durch Immissionsschutzgesetz festgelegt
    Zwar werden in der Norm keine Abstandsregelungen zu Windkrafträdern festgelegt, aber eine veränderte und konkretere Messung und Bewertung dieses Infraschalls könnte natürlich künftig Auswirkungen auf solche Entscheidungen haben.
    Peter Ahmels leitet den Bereich Erneuerbare Energien bei der Deutschen Umwelthilfe, er war früher Präsident des Bundesverbandes Windenergie. Ahmels ist oft vor Ort, wenn es um Streitigkeiten geht. Er sagt, dass die bisherigen Abstandsregelungen von 400 bis 600 Metern zu Wohngebäuden, die die meisten Bundesländer aufgrund des Immissionsschutzgesetzes festlegen, ausreichend seien. Der Schall von Windrädern nehme mit der Entfernung ab:
    "Im Grunde ist er für jeden hörbar, wobei allerdings die jeweiligen Empfindlichkeiten unterschiedlich sind. Zur Wahrnehmung braucht es aber recht hohe Schalldrücke, also ein sehr lautes Geräusch. Wenn man sich das vorstellen möchte: Bei einem Sturm beispielsweise hören Sie ja auch den Wind sehr laut. Und das sind die Lautstärken, die auch die Hörschwelle erreichen, da wird Infraschall hörbar. Bei Windkraftanlagen gibt es dieses Phänomen auch. Aber es ist deutlich geringer und wird auch nach rund zehn und mehr Metern von einer Windkraftanlage wieder abgebaut."
    27.200 Windenergieanlagen an Land
    Ähnlich äußert sich auch das Umweltbundesamt. Tenor: Zwar sollten die Auswirkungen des Schalls weiter erforscht werden, doch seien höhere Sicherheitsabstände nach derzeitigem Wissensstand nicht notwendig.
    In Deutschland stehen derzeit rund 27.200 Windenergieanlagen an Land und deren Erzeugung macht heute fast die Hälfte des erneuerbaren Stroms hierzulande aus. Milliarden wurden investiert und sollen noch investiert werden. Es geht um ein Gelingen der Energiewende, sagt auch Peter Ahmels von der Deutschen Umwelthilfe:
    "Wir sagen, dass das, was technisch messbar und auch wirklich gesundheitsgefährdend ist, auf jeden Fall vermieden werden muss. Keine Frage! Auf der anderen Seite sehen wir aber auch, dass endlose Abstände der Energiewende nicht weiterhelfen. Weil der Raum, der für Windanlagen zur Verfügung steht, dezimiert würde. Es würde gar nichts mehr passieren."
    Nötiger Abstand von Region zu Region unterschiedlich
    Und genau diese Ansicht wird von Sven Johannsen kritisiert. Industrie und Politik würden bei diesem Thema abwiegeln. Der Gutachter für Umweltmessungen favorisiert deshalb die Abstandsregeln des Bundeslandes Bayern, wonach der Abstand zu Wohnungen zehnmal so weit sein muss wie die Anlage hoch ist. Zum Beispiel: Bei einem 200 Meter hohen Windrad sind dies 2.000 Meter:
    "Man kann es nicht pauschal festmachen - an der Küste ist es anders als in einer Mittelgebirgsregion. Man kann es aber einigermaßen berechnen: 2.000 bis 4.000 Meter halten wir für relevant. Damit könne man die meisten Immissionen negieren."
    Das Deutsche Institut für Normung wird heute wohl keine endgültige Entscheidung über eine Evaluierung der entsprechenden Norm fällen. Aber klar ist auch, die Diskussion wird weitergehen. Vor Ort, da wo die Windkraftanlagen entstehen, aber auch auf politischer Ebene.