Es war kurz nach 21 Uhr Londoner Zeit, da verkündete Graham Brady das Ergebnis. Er ist der Vorsitzende der sogenannten Hinterbänkler der konservativen Fraktion. Brady überlieferte zunächst eine für die Premierministerin erfreuliche Botschaft: Die Fraktion hat weiterhin Vertrauen in Premierministerin Theresa May.
Ihre Anhänger jubelten, aber nur für einen kurzen Moment. Bis nämlich Graham Brady Teil zwei seiner Botschaft verkündete: über ein Drittel der Fraktion, nämlich 117 Abgeordnete, stimmten gegen Theresa May. Verblüffung und Enttäuschung war da herauszuhören. Bis zu 100 Gegenstimmen hatten Beobachter erwartet, 117 gelten als zu viel, um ihre Autorität als gestärkt zu betrachten. Jacob Rees-Mogg, der Wortführer der Brexitiers, zeigte sich weit entfernt davon aufzugeben. Ganz im Gegenteil.
"Die Premierministerin muss zur Kenntnis nehmen, dass sie unter den verfassungsrechtlichen Normen sofort zur Queen gehen und zurücktreten muss."
May will ihre Mission fortsetzen
Theresa May trat am Abend noch vor ihren Amtssitz in der Downing Street in London. Sie räumte ein, dass ihr die Anzahl der Gegenstimmen zu denken gebe. May sprach aber auch davon, dass das Votum ihre Mission erneuere.
"Ich bin für das Ergebnis dankbar. Aber eine beträchtliche Anzahl von Kollegen hat gegen mich gestimmt. Ich höre darauf, was sie gesagt haben. Unsere Mission ist es, den Brexit umzusetzen, für den das Volk gestimmt hat, das Land wieder zusammenzuführen und eine Politik zu betreiben, die sich um alle kümmert."
Premierministerin May hatte unmittelbar vor der Abstimmung der Fraktion mitgeteilt, sie werde nicht bei der nächsten Unterhauswahl antreten. Sie ist für das Jahr 2022 vorgesehen. Das Angebot, vor 2022 zurückzutreten, sollte die Abgeordneten gnädig stimmen, was nur bedingt gelang.
Theresa Mays Blick richtet sich jetzt aber auf den EU-Gipfel in Brüssel heute und morgen. Sie will dort für Änderungen am Vertragswerk zwischen EU und Großbritannien werben. Kehrt sie mit leeren Händen zurück, droht das nächste Misstrauensvotum. Diesmal von der Opposition . Die Labour-Abgeordnete Rebecca Long-Bailey:
Krise in London noch nicht beendet
"Es fällt mir schwer zu erkennen, wie sie in Brüssel dramatische Veränderungen am Brexit-Vertrag erreichen will. Wir stimmen uns mit den anderen Parteien ab, um den bestmöglichen Zeitpunkt zu finden, um einen Misstrauensantrag gegen die Regierung zu stellen."
Trotz des Siegs in der Vertrauensabstimmung ist die Krise in London mitnichten beendet. Eines aber zeichnet sich ab: Die Abstimmung im Unterhaus über den EU-Vertrag wird erst im Januar stattfinden. Die Abgeordneten dürften wohl über Weihnachten und Neujahr erst einmal frei haben.