Eine Woche nach der Messerattacke von Aschaffenburg hat die Union mit Stimmen der AfD einen Bundestagsbeschluss für einen härteren Kurs in der Migrationspolitik durchgesetzt - und für empörte Reaktionen gesorgt. Ein entsprechender Antrag der oppositionellen CDU/CSU-Fraktion fand eine Mehrheit. In dem Fünf-Punkte-Plan verlangen CDU und CSU unter anderem die umfassende Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen.
Die Vorlage, die unter anderem auch dauerhafte Grenzkontrollen und eine Inhaftnahme vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer verlangt, wurde in namentlicher Abstimmung von 348 Abgeordneten unterstützt: 187 Abgeordnete der Union, 75 AfD-Abgeordnete, 80 Angehörige der FDP-Fraktion sowie 6 Fraktionslose. 344 Abgeordnete waren dagegen: SPD, Grüne und Linke votierten geschlossen mit Nein, ebenso wie die Gruppe Die Linke. Das BSW enthielt sich.
AfD: Ende der "rot-grünen Dominanz"
Der AfD-Abgeordnete Baumann sprach vom "Ende der rot-grünen Dominanz" in Deutschland "für immer". Es beginne eine "neue Epoche", angeführt von der AfD. Unionskanzlerkandidat Merz könne folgen - wenn er noch die Kraft dazu habe.
SPD und Grüne warfen der Union vor, die politischen Mitte verlassen zu haben und machten CDU-Chef Merz persönlich dafür verantwortlich. Die Linken-Politikerin Reichinnek sagte, sie habe sich nie vorstellen können, dass eine christdemokratische Partei "diesen Dammbruch" vollziehe und mit Rechtsextremen paktiere. Die Union habe mit der FDP diese Mehrheit gezielt gesucht.
Merz weist Vorwürfe zurück
Unions-Kanzlerkandidat Merz wies dies zurück. Er suche "keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte unseres Parlaments". "Wenn es hier heute eine solche Mehrheit gegeben hat, dann bedaure ich das." Ein zweiter Antrag der Union mit Reformvorschlägen für eine restriktive Migrationspolitik und zusätzliche Befugnisse der Sicherheitsbehörden fand dagegen keine Mehrheit. Ebenfalls in namentlicher Abstimmung stimmten 509 Abgeordnete mit Nein, 190 mit Ja und 3 enthielten sich.
Scholz (SPD): Merz begehe "unverzeihlichen Fehler"
Bundeskanzler Scholz kritisierte zum Auftakt der Bundestagsdebatte über die Migrationspolitik die Anträge der Union. Mit den geforderten Zurückweisungen an den Landesgrenzen würde das größte Land der EU europäisches Recht brechen, sagte Scholz in seiner Regierungserklärung. Dies hätte eine fatale Signalwirkung an andere Staaten.
Scholz warf CDU-Chef Merz vor, die Unterstützung von Rechtsextremen in Kauf zu nehmen. Das sei ein unverzeihlicher Fehler. Der Kanzler warf Merz zudem Wortbruch in Bezug auf die generelle Ablehnung der Zusammenarbeit mit der AfD vor. Der Kanzler räumte Defizite bei der Anwendung bestehender Gesetze ein. Die Taten von Mannheim, Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg hätten verhindert werden können. Der SPD-Politiker betonte, das Recht auf Asyl sei ein fester Bestandteil der deutschen Rechts- und Werteordnung. Daran dürfe nicht gerüttelt werden.
Weidel (AfD) wirft Scholz und Merz Versagen in Migrationspolitik vor
Die AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Weidel warf der Bundesregierung und der oppositionellen Union schwere Fehler in der Migrationspolitik vor. Bundeskanzler Scholz (SPD) hinterlasse ein "auf die Spitze getriebenes Migrationschaos", sagte Weidel im Bundestag. "Dieser politisch gewollte Kontrollverlust kostet Menschenleben und hinterlässt verletzte, geschundene, traumatisierte Körper und Seelen", sagte Weidel mit Blick auf Straftaten von Migranten. Dem Unions-Kanzlerkandidaten attestierte Weidel, keinen wirklichen Politikwechsel zu wollen. Sie warf Merz vor, sich "bei den Grünen und der SPD anzubiedern und sich darauf festzulegen, mit diesen Parteien auch zu koalieren".
Habeck (Grüne) appelliert: nicht gemeinsam mit Rassisten abstimmen
Grünen-Kanzlerkandidat Habeck appellierte an Union und FDP, mit der AfD keine gemeinsame Sache zu machen. "Stimmen Sie nicht mit denen ab, in dieser entscheidenden Frage", sagte Habeck im Bundestag mit Blick auf die Unions-Anträge für eine Verschärfung der Asylpolitik. Das hieße, mit "Rassisten" gemeinsame Sache zu machen.
Lindner (FDP) unterstützt Forderungen nach einer strengeren Migrationspolitik
Dagegen unterstützte FDP-Chef Lindner Forderungen nach einer strengeren Migrationspolitik. Das Problem sei nicht, dass die AfD zustimme, sondern dass Grüne und SPD dies nicht täten, sagte er in der Bundestagsdebatte. Lindner, der von Bundeskanzler Scholz (SPD) als Finanzminister entlassen worden war, sagte, man werde keine Rücksicht mehr auf frühere Koalitionspartner nehmen.
CDU-Vize Prien verteidigte geplante Verschärfungen
Im Deutschlandfunk hatte CDU-Vize Prien erklärt, das Vorgehen der Union sei mit einem Risiko verbunden. Und auch für sie und viele Andere in der CDU und CSU seien die aktuellen Entscheidungen nicht einfach. Aber veränderte Verhältnisse brauchten auch neue Antworten. Die Gewalttat von Aschaffenburg sei eine Zäsur gewesen und viele Menschen hätten das Gefühl, dass der Staat nicht mehr für ihre Sicherheit garantieren könne. Prien bekräftigte im Deutschlandfunk, man wolle keine Zusammenarbeit mit der AfD, und die Anträge im Bundestag seien ein Angebot an SPD und Grüne.
Bundestag gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus
Zuvor hatte das Parlament der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Anlass war die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz vor 80 Jahren. Bundespräsident Steinmeier bezeichnete in einer Rede die Erinnerung an den Holocaust als Teil der deutschen Identität. Es dürfe kein Vergessen oder Verdrängen der Shoah geben, sagte Steinmeier. Das würde das Fundament der Demokratie erschüttern. Weiterführende Informationen
Diese Nachricht wurde am 29.01.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.