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Abstimmung über Friedensvertrag in Kolumbien
Der Anfang eines neuen Weges

Die Kolumbianer stimmen heute darüber ab, ob der über 50 Jahre andauernde Krieg mit der FARC-Guerilla per Vertrag beendet werden kann. Umfragen deuten darauf hin, dass die Befürworter in der Mehrheit sind. Aber ein Ja wäre auch nur der Anfang eines langen Weges, den das Land bis zum Frieden noch zu gehen hat.

Von Anne Herrberg |
    Der frühere kolumbianische Präsidentschaftskandidat Antanas Mockus (Bildmitte) beendet seine Kampagne für ein "Ja" beim Referendum über den Friedensvertrag zwischen der Regierung und den FARC-Rebellen.
    Der frühere kolumbianische Präsidentschaftskandidat Antanas Mockus warb für ein JA beim Referendum. (picture alliance / dpa / EFE / Leonardo Munoz)
    "Mit Reue im Herzen und voller Demut möchte ich sie alle um Entschuldigung bitten, für all das Leid, dass wir während dieses Krieges verursacht haben."
    Auf Worte wie diese, des FARC-Kommandanten alias Iván Marquez, hat Luz Estela Flores 22 Jahre gewartet. Am Morgen des 23. Januar 1994 tauchten FARC-Guerilleros auf einer Tombola in ihrem Viertel auf – La Chinita, es gehört zur nordwestlich gelegenen Stadt Apartadó. Sie exekutierten 35 Personen, darunter Luz Estela Flores Mann. Vor ihren Augen und den Kindern.
    "Das war grauenvoll, etwas, das ich nie wieder erleben möchte und niemand anderen wünsche. Der Krieg, den wir hier in der Region Urabá erlebt haben, war brutal. Und deswegen hoffe ich, dass der Friedensvertrag angenommen wird. Denn Frieden bringt dem Land Ruhe."
    Die Angehörigen der Opfer von La Chinita wollen dem Friedensvertrag zustimmen, sie setzen auf Versöhnung – auf ein Ende der Gewalt. Es war die dritte öffentliche Entschuldigung der FARC in der Woche vor dem entscheidenden Referendum über den Friedensvertrag. Die Guerilla verpflichtet sich darin, die Waffen abzugeben, die Wahrheit über ihre Verbrechen zu erzählen. Sie wollen ihr Vermögen offenlegen und die Opfer entschädigen.
    Den Gegnern gehen die Zugeständnisse zu weit
    Nein! Ruft Dona Maria in Bogotá. Die 80-jährige glaubt den FARC kein Wort, nachdem sie 1993 ihren Sohn ermordet haben – danach flüchtete auch sie aus ihrer Heimatprovinz Cauca nach Bogota.
    "Ich bin Vertriebene und ich stimme mit Nein. Denn wie ich gehört habe, zahlen sie den Terroristen Geld und für ihre Verbrechen müssen sie nicht ins Gefängnis. Ich habe Angst, sie haben mir gesagt, dass, wenn ich mit Ja stimme, dass sie uns dann alle Rechte als Vertriebene nehmen."
    Gemeinsam mit 50 Mitstreitern macht Dona Maria Kampagne für ein No, ein Nein beim Volksentscheid – ihr gehen die Zugeständnisse an die Guerilla zu weit. Dass sie in die Politik gegen dürfen, dass die Strafen recht mild sind, wenn die Guerilleros gestehen. Organisiert hat das Nein-Event die Oppositionspartei Centro Democratico von Ex-Präsident Alvaro Uribe. Er hatte die Guerilla militärisch mit harter Hand bekämpft – und gilt als härtester Kritiker des Friedensvertrages. Mindestens 13 Prozent aller wahlberechtigte Kolumbianer, das sind etwa viereinhalb Millionen müssen im Verlauf des Sonntags am Volksentscheid teilnehmen, damit dieser Gültigkeit besitzt.
    Ein Ja würde Hoffnung geben
    Und bisher scheinen die Rufe nach einem Ja lauter, so die letzten Umfragen.
    "Ich werde für Ja stimmen, kein Zweifel. Dieser Krieg hat über acht Millionen zu Opfern gemacht. Das Abkommen ist unsere Chance, ein neues Kapitel zu beginnen, das auf Frieden nicht auf Krieg basiert. Und uns weiter zu entwickeln."
    Frieden allerdings, wird auch ein Ja zum Vertrag noch nicht bedeuten, das wissen auch die Bewohner von La Chinita, im Nordwesten Kolumbiens. Noch weitere Rebellengruppen sind aktiv dazu kriminelle Banden und die Drogenmafia. Trotzdem: Ein Ja zum Friedensvertrag wäre der Anfang eines neuen Weges, leicht wird er nicht, aber er gibt Hoffnung.