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Absturz der Bayer-Aktie
"Kauf von Monsanto war nicht unbedingt die beste Idee"

Der Einbruch der Bayer-Aktie um etwa 40 Prozent sei "nichts Marginales mehr", sondern gehe an die Substanz des Bayer-Konzerns, sagte Finanzwissenschaftler Aloys Prinz im Dlf. Nach Einschätzungen des Marktes könne Bayer es aber mit schweren Verlusten überleben.

Aloys Prinz im Gespräch mit Dirk Müller |
Bayer Logo, Feature, allgemein, Randmotiv, Bilanzpressekonferenz der Bayer AG in Leverkusen am 28.02.2018.
"Die Hauptversammlung von Bayer steht relativ kurz bevor, und da darf man gespannt sein, was dort passiert", sagt Finanzwissenschaftler Aloys Prinz im Dlf (imago stock&people / Sven Simon)
Dirk Müller: Ist das eine richtige Existenzkrise eines großen, eines namhaften globalen Unternehmens, weil das oberste Management viel zu viel wollte, das Falsche wollte, trotz aller Warnungen? Wir reden über Bayer, über den Bayer-Konzern, nach dem so umstrittenen Kauf des amerikanischen Agrarriesen Monsanto und dessen Glyphosat-Erbe. In einem Glyphosat-Musterprozess ist Bayer in San Francisco in dieser Woche zu 80 Millionen Dollar Schadenersatz an einen Krebskranken verurteilt worden. Bereits im vergangenen Sommer musste Bayer-Monsanto 78 Millionen Dollar an einen Krebspatienten zahlen.
Das sind zwei Fälle, insgesamt stehen in den USA 11.200 Klagen an wegen Glyphosat. Was wird da auf Bayer zukommen? Nichts Gutes, warnen viele Beobachter, denn seit der Übernahme von Monsanto im vergangenen Jahr – die hat 63 Milliarden Dollar gekostet –, ist der Aktienkurs von Bayer in den Keller gegangen. Der Kurswert ist um mehr als 40 Prozent abgerutscht. Unser Thema mit dem Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler Professor Aloys Prinz von der Universität in Münster, guten Morgen!
Aloys Prinz: Guten Morgen!
Müller: Der Leverkusener Konzern, Herr Prinz, ist ein Schnäppchen geworden, kaufen Sie jetzt Bayer-Aktien?
Prinz: Nein.
Müller: Ist zu gefährlich, ne?
Prinz: Ich bin mir momentan nicht sicher, was passieren wird, aber der große Kurseinbruch zeigt ja, dass die Marktteilnehmer, also die Leute, die tatsächlich Geld im Spiel haben, es so einschätzen, dass noch einiges auf Bayer zukommt. Und ähnlich wie mit anderen Skandalen auch, wenn man nur an den Dieselskandal denkt in den USA, weiß man, dass amerikanische Gerichte nicht zögern, sehr hohe Schadensersatzforderungen eben auszusprechen, die ja anders als in Deutschland zwei Komponenten enthalten: Das eine ist Schadensersatz, das andere ist eine Strafe. So etwas gibt es in Deutschland gar nicht, also die Verurteilung erfolgt sozusagen zu einer Kombination von Strafe und Schadensersatz in den USA.
"Das größte Problem dürfte momentan die Unsicherheit sein"
Müller: Wenn Sie da auf VW ja auch verweisen, 20 Milliarden Dollar so ungefähr, plus minus, musste der Volkswagen-Konzern in den USA in der Gesamtsumme, bislang jedenfalls, da auch bezahlen. Viele Analysten sagen, das könnte auch auf Bayer zukommen. Ist das existenzgefährdend für den Konzern?
Prinz: Na ja, wie man im Aktienkurs sieht, ein Einbruch um etwa 40 Prozent zeigt schon, dass es an die Substanz geht, das ist ja nichts Marginales mehr. Nur halt eben die Einschätzungen des Marktes scheinen so zu sein, dass Bayer es überleben kann, wenn auch mit schweren Verlusten. Wenn man mal davon ausgeht, dass eben die Vorwegnahme der entsprechenden Resultate aus den Gerichten in den USA sich im Kurs widerspiegelt, könnte Bayer das durchaus überleben, obwohl die Unsicherheit natürlich recht groß ist. Auch die Volatilität wird wahrscheinlich steigen, mit jedem Prozess wird es eine Änderung ergeben. Und wie das letzten Endes ausgeht, steht momentan noch nicht fest.
Müller: Jetzt schauen wir auf den Aktienkurs, das tun ja viele in diesen Tagen, aber die Substanz des Unternehmens, die Produktivität, die Angebotspalette, die ist ja nach wie vor geblieben und ist ja für viele auch nach wie vor sehr attraktiv. Spielt das keine Rolle?
Prinz: Nun, es spielt schon eine Rolle, man sieht es ja, der Aktienkurs ist ja nicht auf null gerutscht, sondern er hat halt eben gezeigt, was sozusagen erwartet wird, was auf Bayer zukommt. Und wenn man das mal umrechnet, dann sieht man ja schon, dass das weit in den Milliardenbereich hineingeht, und man muss dann eben abwarten. Wenn es günstiger läuft als erwartet, wird der Kurs wieder ansteigen, wird es noch ungünstiger als erwartet, wird er weiter sinken. Ich glaube, das größte Problem dürfte momentan wieder die Unsicherheit sein. Außerdem steht ja die Hauptversammlung von Bayer relativ kurz bevor, und da darf man gespannt sein, was dort passiert.
"Der Wert des Unternehmens hat sich fast halbiert"
Müller: Ich möchte noch mal eine Zahl herausgreifen, die ich schon erwähnt hatte in der Anmoderation. Monsanto im vergangenen Jahr gekauft von Bayer, hat 63 Milliarden Dollar gekostet, und der Kapitalwert, der Aktienwert des Unternehmens eben im Moment ist inzwischen geringer als dieser Monsanto-Kaufpreis. Ist das dann noch eine reale Anzeige über den tatsächlichen Wert eines Betriebs?
Prinz: Nein, sehen Sie, der tatsächliche Wert von Bayer ist momentan nicht bekannt. Der Aktienkurs, wenn Sie das dann umrechnen auf die Marktkapitalisierung, dann zeigt das, dass eben der Wert des Unternehmens erheblich gelitten hat, sich fast halbiert hat sozusagen über die Zeit, und dass offensichtlich der Kauf von Monsanto nicht unbedingt die beste Idee war. Wenn man sich die Umsätze anschaut, die aus Monsanto gemacht wurden, oder besser gesagt in dem Bereich, in dem Monsanto angesiedelt ist im Bayer-Konzern, zeigt sich schon, dass man dort auch ordentliche Umsätze macht. Die anderen Bereiche liefen noch nicht mal so gut, wenn man sich das anschaut, insofern wird Bayer sagen, dass das Ganze vorübergehend ist und dass man damit rechnet, dass man günstig aus der Sache hervorkommt. Aber was sollen die auch anderes sagen? Aber letzten Endes muss man sagen, dass es zumindest bisher, wie es aussieht, keine besonders gute Idee war, Monsanto zu kaufen.
Müller: Und einige reden sogar davon, dass Bayer jetzt aufgrund dieses ja rapide fallenden Wertes auf dem Kapitalmarkt ein Übernahmekandidat ist. Ist das ein bisschen Fantasie, ist das Wortklauberei oder hat das Substanz?
Prinz: Na ja, momentan glaube ich nicht, dass Bayer direkt übernommen wird, weil eben Monsanto existiert. Man kann ja nicht Bayer übernehmen ohne Monsanto, und das Risiko Monsanto dürfte sehr groß sein. Wenn es noch einige Gerichtsentscheidungen geben sollte, die noch wesentlich ungünstiger für Bayer ausfallen, dann ist das durchaus möglich. Also in dem Moment, wo der Marktwert unter den Wert der Aktiva sozusagen, was man so direkt verwerten kann von Bayer auf der Aktivseite der Bilanz, fallen sollte, dann haben wir es mit einem Übernahmekandidaten zu tun. Aber momentan würde ich sagen, ist das Risiko einfach ein bisschen zu hoch.
Müller: Also Monsanto schützt auf der anderen Seite Bayer auch inzwischen.
Prinz: Ja, das würde ich fast so sagen.
"Es ist nicht nur eine Person dafür verantwortlich"
Müller: Schauen wir noch mal darauf, Herr Prinz, Sie haben ja gesagt, es war nicht die beste Idee, das war unter anderem ja die Idee des Konzernchefs, von Werner Baumann, der fest davon überzeugt war, dass das mittel-, langfristig eine vernünftige, gute Perspektive ist, was sich dort entwickelt, eben nach dem Kauf von Monsanto. Ihn werden viele beraten haben, diesen Konzernchef, der Aufsichtsrat, alle, die mitentscheiden, haben ja auch grünes Licht gegeben. Wie kann ein Management eine solche Fehlentscheidung treffen?
Prinz: Das ist eine gute Frage, zumal ja schon vorher bekannt war, dass es Diskussionen über Glyphosat schon lange gibt. Außerdem ist ja Monsanto auch bekannt für Saatgut und gentechnisch verändertes Saatgut, und das ist ja übrigens auch der größte Teil des Umsatzes von Monsanto, der kommt ja gar nicht allein von Glyphosat. Das sind alles Problembereiche sozusagen, wo Bayer offensichtlich davon ausgegangen ist, dass das weltweit kein Problem ist, auch wenn es in Deutschland und in Europa diskutiert wird. Dabei hat man offensichtlich nicht gedacht, dass Glyphosat eine solche Wirkung entfalten würde. Ob man das vorab sehen konnte, ist ganz schwer zu sagen.
Müller: Aber die Warnungen hat es ja gegeben.
Prinz: … ich hab keine internen Informationen sozusagen, ich weiß es nicht.
Müller: Also die Warnungen hat es ja gegeben, es war ja auch nun in den Medien täglich mehrfach zu lesen.
Prinz: Ja, das stimmt.
Müller: Meine Frage noch: Wenn Manager, die einen solchen prominenten Konzern führen wie Bayer, der ja Tradition hat, der auch durch viele Krisen gegangen ist, und Manager, die Millionen verdienen, müssen nicht per se gut sein?
Prinz: Nein, auf keinen Fall. Es kann sogar sein, dass Manager an dem leiden, was man Overconfidence nennt, das heißt, dass sie sich selbst für zu gut einschätzen, und das ist eigentlich die Basis, auf der solche Fehler passieren. Dass das Management risikofreudig ist, kann man ihm nicht unbedingt vorwerfen, aber wenn es übers Ziel hinausschießt beziehungsweise wenn Warnungen eben schon existieren – natürlich ist ja nicht nur eine Person dafür verantwortlich, sondern es ist in der Regel dann eine ganze Gruppe von Personen. Außerdem musste ja auch die Hauptversammlung letzten Endes da zustimmen, oder das schaut man sich natürlich auch an, aber trotzdem, ich glaube, in diesem Fall neigen hoch bezahlte Manager dazu, sich zu viel zuzutrauen und zu viel zuzumuten und auch zu denken, dass sie keine Fehler machen. Und das ist dann oft für den Konzern sehr schädlich.
Müller: Bei uns heute Morgen, an diesem Samstagmorgen, der Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler Professor Aloys Prinz von der Universität in Münster. Danke, dass Sie für uns Zeit gefunden haben, Ihnen noch einen schönen Tag, ein schönes Wochenende!
Prinz: Keine Ursache, ebenfalls.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.