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Abtreibungen in Polen
Ein Wettlauf gegen die Zeit

Die Initiative "Stopp Abtreibung" sammelt in Polen Unterschriften für ein Gesetz, das Abtreibung vollständig verbieten soll. Unterstützung erhält sie dabei von den Kirchen und der rechtskonservativen Regierungspartei PiS. In einigen Teilen des Landes haben die Abtreibungsgegner schon gewonnen: Ärzte weigern sich dort, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen.

Von Florian Kellermann |
    Vor dem Parlament in Warschau protestieren Frauen gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts.
    Vor dem Parlament in Warschau protestieren Frauen gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts. (picture alliance/dpa/EPA/TOMASZ GZELL )
    Im vergangenen Herbst stellte die "Stiftung pro - Recht auf Leben" in Rzeszow ein großes Plakat auf, direkt vor dem Gebäude einer Geburtenklinik. Darauf zwei Fotos: rechts die Klinik "Pro Familia", links ein blutverschmiertes, abgetriebenes Kind, nach 22 Schwangerschaftswochen.
    Nun haben die Abtreibungsgegner gewonnen. Alle Gynäkologen des Krankenhauses haben mit ihrer Unterschrift versichert, dass sie keine Schwangerschaftsabbrüche mehr vornehmen werden. Mariusz Dzierzawski, Gründer der "Stiftung pro", zeigte sich zufrieden:
    "Unser Ziel ist es, den Menschen ins Gewissen zu reden. Ich nehme an, dass die Demonstrationen vor dem Krankenhaus in Rzeszow, es waren mehrere Dutzend, genau das bewirkt haben. Sie haben bei den Ärzten das Gewissen geweckt."
    Ärzte unter Druck
    Ärzte können in Polen eine sogenannte Gewissenserklärung abgeben. Sie müssten keine Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, wenn das mit ihren Überzeugungen nicht vereinbar ist. Die Gynäkologen in Rzeszow erklärten polnischen Medien allerdings, dass sie einfach den gesellschaftlichen Druck nicht mehr ausgehalten hätten. Rzeszow im Südosten Polens und die ganze Region, das Karpatenvorland, gelten als konservativster Teil des Landes.
    Nun gibt es im Karpatenvorland gar kein Krankenhaus mehr, das Abtreibungen vornimmt. Ein rechtliches Problem, was die Abgeordnete Katarzyna Lubnauer von der liberalen Partei "Die Moderne" schon im Parlament zur Sprache brachte:
    "Wir würden gerne wissen, was der polnische Staat zu tun gedenkt. Er ist dafür verantwortlich, dass Frauen im Karpatenvorland ihr gesetzlich garantiertes Recht wahrnehmen können. Es kann nicht sein, dass es da in einem Bezirk eine Ausnahme gibt."
    Viele bürokratische Hürden
    Frauen können in Polen in drei Fällen die Schwangerschaft abbrechen: wenn ihre Gesundheit gefährdet ist, wenn sie vergewaltigt wurden oder wenn das Kind schwer behindert wird. Doch nicht nur im Karpatenvorland, auch in anderen Regionen können sie dieses Recht nicht so einfach verwirklichen. Das ergab eine Befragung der "Stiftung für Frauen und Familienplanung". Diese schrieb 200 Krankenhäuser an, nur 133 hätten geantwortet, sagt Karolina Wieckiewicz, Juristin der Stiftung:
    "Viele Krankenhäuser verlangen zusätzliche Dokumente, die im Gesetz gar nicht vorgesehen sind. Manche wollen eine zweite ärztliche Stellungnahme, einige sogar die Überprüfung durch ein drei- und fünfköpfiges Ärztekollegium. Es gibt Fälle, bei denen die Spitäler sogar die Zustimmung der Beratungsstelle in der Bezirksverwaltung verlangen."
    Die Abtreibung wird für die Frauen so zum Wettlauf mit der Zeit, gerade, wenn ihre Gesundheit in Gefahr ist. Aber auch nach einer Vergewaltigung, denn das Gesetz erlaubt den Abbruch in diesem Fall nur bis zur 12. Schwangerschaftswoche.
    Führende Politiker unterstützen vollständiges Abtreibungsverbot
    Das Gesundheitsministerium äußert sich kaum zu diesem Problem. Denn die rechtskonservative Regierungspartei PiS gibt sich mit der katholischen Kirche verbunden. Führende Politiker, so Ministerpräsidentin Beata Szydlo, unterstützen ein vollständiges Abtreibungsverbot, für das Aktivisten derzeit landesweit Unterschriften sammeln.
    Auch der Sprecher der staatlichen Krankenkasse im Karpatenvorland Marek Jakubowski hat keine Lösung:
    "Wenn eine Patientin zu uns kommt, die kein Krankenhaus findet, dann haben wir ein Problem. Wir können nur auf die Einrichtungen verweisen, die mit uns einen Vertrag über gynäkologische Eingriffe abgeschlossen haben. Wenn sich dort alle Ärzte auf ihr Gewissen berufen, dann müssen wir prüfen, ob es in einem anderen Bezirk klappen könnte mit dem Eingriff."
    Eventuell könnte das Gesundheitsministerium den Krankenhäusern, die keine Abtreibungen vornehmen, Vertragsstrafen fordern. Zu einem solchen Schritt dürfte sich die rechtskonservative Regierung aber kaum entscheiden.