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Abtreibungsrecht
Hoffnungsschimmer für Schwangere in El Salvador

In El Salvador werden Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Jede Totgeburt kann Verdacht erregen. Die regierende linke FMLN-Partei will das strikte Abtreibungsverbot nun zumindest in Ausnahmefällen etwas lockern, stößt aber auf Widerstand.

Von Martin Reischke |
    Zwei Frauen umarmen sich vor dem Justizzentrum Isidro Menendez in El Salvador, wo der Fall der nach einer Totgeburt zu langer Haftstrafe verurteilten Theodora de Carmen Vasquez neu verhandelt wurde. Das Gericht bestätigte die Strafe.
    Gerade erst wurde in El Salvador wieder die Strafe für eine Frau bestätigt, die für eine Totgeburt zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Amnesty International hatte den Fall öffentlich begleitet. (AFP/ Oscar Rivera)
    El Salvador ist eines der gefährlichsten Länder der Welt, doch das Leben des ungeborenen Kindes ist hier heilig. Artikel eins der Verfassung definiert als Beginn des menschlichen Lebens die Empfängnis, jede Abtreibung ist deshalb streng verboten. Der Abgeordnete Ricardo Velásquez Parker von der konservativen Oppositionspartei ARENA findet das richtig:
    "Wenn bei einer schwangeren Frau ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden soll, dann stellt sich mir folgende Frage: Woran ist diese Frau denn erkrankt? Etwa am Leben? Oder an der Schwangerschaft? Schwanger zu sein ist doch keine Krankheit!"
    Deshalb geht dem Abgeordneten die aktuelle Regelung auch noch längst nicht weit genug. Er hat einen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet, der Abtreibung strafrechtlich gleichstellen soll mit Mord in besonders schweren Fällen. Damit würde Frauen, die abtreiben, eine Gefängnisstrafe von 30 bis 50 Jahren drohen – heute sind es maximal acht Jahre.
    Kriminalisierung schwangerer Frauen
    Doch es gibt Widerstand gegen die Pläne. Das absolute Abtreibungsverbot verstärke nur die soziale Ungleichheit, da es vor allem arme Frauen seien, die unter der aktuellen Regelung litten, kritisiert Sara García vom "Bürgerbündnis für die Entkriminalisierung der Abtreibung in El Salvador":
    "Die Frauen hören ja nicht auf abzutreiben, nur weil es ein entsprechendes Gesetz gibt. Die Folge ist doch, dass die Frauen dann zu anderen Mitteln greifen, dass sie also unsichere und damit für sie gefährliche Abtreibungen vornehmen lassen, und das finden wir ungerecht."
    Laut García führt das absolute Abtreibungsverbot auch zu einer Kriminalisierung schwangerer Frauen – vor allem jener, die kaum Zugang zu medizinischer Versorgung haben und dann bei Komplikationen bei der Geburt sofort unter Verdacht geraten.
    "Weil es juristisch eben nicht genau geklärt ist, was eine Abtreibung ist und was nicht, bekommen diese Frauen nicht die Hilfe, die sie eigentlich bräuchten. Stattdessen denken die Ärzte und später die Staatsanwälte und Richter sofort, dass diese Frauen eine Straftat begangen haben."
    30 Jahre Gefängnis für eine Totgeburt
    Eine von ihnen ist María, die nicht möchte, dass ihr richtiger Name genannt wird. Als sie 20 Jahre alt war, hatte sie eine Frühgeburt auf dem Feld hinter ihrem Haus – für die Frau aus einfachen Verhältnissen war es unmöglich, rechtzeitig das weit entfernte Krankenhaus zu erreichen. Ihr Kind wurde tot geboren, María stand unter Schock. Als sie schließlich mit großem Blutverlust doch noch ins Krankenhaus eingeliefert wurde, beschuldigte man sie dort sofort, ihr Kind getötet zu haben.
    "In diesem Moment war schon die Staatsanwaltschaft da. Der Arzt hat mich gefragt, wo ich das Neugeborene gelassen habe, und ich habe es ihm gesagt. Also sind sie mit meiner Schwester zu der Stelle gegangen, und der Arzt hat mir noch gesagt: Wenn es tot ist, werden sie festgenommen, und so war es dann auch."
    Ohne ausreichende Beweise wurde María wegen schweren Mordes zu einer Gefängnisstrafe von 30 Jahren verurteilt. Sieben Jahre saß sie in Haft, bis ihr Anwalt beweisen konnte, dass ihr Kind schon tot zur Welt gekommen war. Sie wurde freigesprochen und fand eine Stelle beim "Bündnis für die Entkriminalisierung der Abtreibung in El Salvador".
    Regierungspartei will vier Ausnahmefälle zulassen
    Die Organisation unterstützt einen Gesetzesvorschlag von Abgeordneten der linken Regierungspartei FMLN, der die Abtreibung in vier Ausnahmefällen erlauben soll: Wenn das Leben der Mutter gefährdet oder der Fötus nicht überlebensfähig ist, bei Minderjährigen sowie im Fall von Vergewaltigung und Menschenhandel. Die katholische Kirche – eine wichtige Institution im Land – lehnt den Vorschlag ab, ebenso wie die konservative Oppositionspartei ARENA. Doch deren junger Abgeordneter Johnny Wright Sol sieht das differenzierter. Er unterstützt eine Abtreibung in besonderen Härtefällen:
    "Ein minderjähriges Mädchen, das vergewaltigt wurde, in einigen Fällen von seinem eigenen Vater oder einem anderen Familienangehörigen – welche Möglichkeiten hatte denn dieses Mädchen, sich gegen eine Schwangerschaft zu entscheiden? Und ich finde eine Person, die nicht die Möglichkeit hat, über ihr eigenes Leben zu entscheiden, ist eine Person, die ihrer Menschenwürde beraubt wird."
    Chile als Vorbild
    Derzeit werden die verschiedenen Gesetzesvorschläge von einer parlamentarischen Kommission geprüft. Dann müssen die Abgeordneten entscheiden, ob das Abtreibungsverbot in El Salvador in Zukunft gelockert oder weiter verschärft werden soll. Erst vor wenigen Monaten wurde im südamerikanischen Chile die Abtreibung in Ausnahmefällen erlaubt. Den Abgeordneten Johnny Wright Sol stimmt das zuversichtlich:
    "Chile ist ja auch eines der eher konservativen Länder in Lateinamerika, und ich finde, dass die chilenische Gesetzgebung eine sehr große Wirkung hat für die ganze Region, auch weil es immer weniger Staaten sind, die Abtreibung komplett verbieten."