Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt stellt die Verurteilung der Gießener Ärztin Kristina Hänel in Frage. Ob sie freigesprochen wird, ist aber noch offen. Es war das Urteil gegen Hänel, das zur Debatte um § 219 a des Strafgesetzbuches geführt hatte und letztlich zu seiner Veränderung.
Der Paragraph, bekannt als Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch, stellte nicht nur Werbung, sondern auch die bloße Information unter Strafe, dass ein Arzt Abtreibungen vornimmt - wenn es dieser Arzt selbst war, der darüber informierte. Hänel hatte nicht nur diese bloße Tatsache auf ihrer Homepage im Internet stehen, sondern auch weiterführende Informationen. Im November 2017 verurteilte sie das Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe. Das Landgericht verwarf ihre Berufung im Oktober vergangenen Jahres.
Koalition suchte Kompromiss
Lange stritt die Koalition aus CDU/CSU und SPD in Berlin über eine Reform des Straftatbestandes. An sich hätte die SPD den Paragrafen gern gestrichen gesehen - so wie auch Grüne, Linke und schließlich auch die FDP. Stattdessen erließ der Bundestag Ende März dieses Jahres eine Änderung auf der Grundlage eines Kompromisses der SPD mit CDU und CSU. Demnach darf der Arzt oder die Ärztin auf die Tatsache hinweisen, dass er oder sie die Leistung anbietet. Für alles, was darüber hinaus wichtig ist, kann er oder sie nur auf Informationen hinweisen, die Beratungsstellen oder Ärztekammern anbieten - die müssen das auch tun.
Auf dieser Grundlage nun hatte das Oberlandesgericht Frankfurt als Revisionsinstanz zu entscheiden. Dabei gilt: Im Strafrecht wird immer das Recht angewendet, das für den Angeklagten am mildesten ist, und das ist nun – erstmals in diesem Verfahren – das neue Recht. Dabei ist es nicht Sache des Revisionsgerichts, Tatsachen festzustellen. Das hatten die Gießener Richter getan.
Ärztin verlangt Klarheit
Die Richter am Oberlandesgericht halten es nun für möglich, dass man in Gießen im Licht des neuen Paragraphen auch neue Tatsachen findet, die für die Entscheidung wichtig sind. Deshalb muss jetzt wieder das Landgericht Gießen entscheiden. Wie diese Entscheidung ausgeht, ist dabei offen.
Auf ihrer aktuellen Homepage weist Hänel nur darauf hin, dass sie Abbrüche vornimmt und bietet weitere Informationen per E-Mail an. Sie selbst geht aber offenbar davon aus, dass ihr früherer Internet-Auftritt auch nicht mit dem neuen Recht in Einklang steht. Sie wollte gegen den neuen Straftatbestand vor's Bundesverfassungsgericht ziehen. Auf Twitter berichtete sie nun von der Rückverweisung durch das Oberlandesgericht und fügte hinzu: Damit sei wieder klar geworden, dass bezüglich § 219 a keine Klarheit bestehe.
*In einer früheren Fassung wurde der Ärztin Kristina Hänel versehentlich eine falsche Fachrichtung zugewiesen. Diesen Fehler haben wir mittlerweile korrigiert.