Abwasseranalysen erzählen viel über unsere Lebensgewohnheiten. Sie können unter anderem darüber aufklären, woran eine Gesellschaft leidet und wie stark. In Abwässern finden sich Infektionserreger, Medikamentenrückstände, Drogen und viele Schadstoffe. Die Auswertungen der Analysen zeigen regionale Häufungen, auch Prognosen, etwa zum Infektionsgeschehen, sind möglich. Im besten Fall dient Abwassermonitoring als Frühwarnsystem, um überfüllte Krankenhäuser vermeiden zu können.
Untersuchungen des geklärten Abwassers dienen wiederum dazu, sicherzustellen, dass keine gesundheits- oder umweltgefährdenden Stoffe in den Wasserkreislauf gelangen. Am 10. April hat das EU-Parlament beschlossen, dass Abwässer noch besser von Mikroschadstoffen aus Medikamenten und Kosmetika gereinigt werden sollen. An den Kosten sollen sich Pharmakonzerne und Kosmetikhersteller beteiligen.
Überblick
- Was findet sich alles in unserem Abwasser?
- Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Klärung von Abwasser?
- Welche Drogenrückstände sind im Abwasser feststellbar?
- Welche Drogen werden in welchen Regionen konsumiert?
- Wie läuft eine Abwasseruntersuchung auf Drogenrückstände ab?
- Wer bezahlt das Monitoring?
Was findet sich alles in unserem Abwasser?
Spätestens während der Coronapandemie entwickelte sich die Spurensuche im Abwasser zu einem geläufigen Verfahren. Während das Infektionsgeschehen anfangs noch mit der sogenannten „7-Tage-Inzidenz“ beschrieben wurde, kam nach und nach die Messung der Viruslast im Abwasser hinzu.
In Deutschland gibt es diese Art der Überwachung, auch Abwassersurveillance genannt, seit 2022. Anders als die Inzidenz liefert sie keine absoluten Zahlen, sondern zeigt, wie sich die Viruslast entwickelt – also etwa, ob sie steigt und wie stark. Außerdem lassen sich über Abwasseruntersuchungen die zirkulierenden Varianten identifizieren.
Wer mit dem Coronavirus infiziert ist, scheidet kleinste Virenteilchen über den Stuhl aus. Dieser landet mit anderem Schmutzwasser, das Haushalte und Betriebe in die öffentliche Kanalisation abführen und das sich bei Regen mit Niederschlagswasser vermischt, in den örtlichen Kläranlagen. Wie sich zeigte, waren die dortigen Messungen den offiziellen Corona-Testergebnissen schnell um mehrere Tage voraus.
Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Klärung von Abwasser?
In unserem Abwasser schwimmen heute im Vergleich zu früher neben Viren und Fäkalien auch viele neue Bestandteile. Rund 10.000 Kläranlagen kämpfen in Deutschland gegen Spurenstoffe. Das sind Rückstände, die sich nur sehr schwer mit mehrere Reinigungsstufen entfernen lassen. Sie stammen aus Körperpflegeprodukten wie Shampoos und Duschgels, aber auch aus Unkrautvernichtungsmitteln oder Medikamenten.
Auch moderne Alltagshelfer wie Feuchttücher und andere aus Mikrofasern bestehende Reinigungstextilien machen den Klärbetrieben zu schaffen: Sie verweben sich zu teilweise meterlangen dicken Zöpfen, die auch große Pumpen in Klärwerken verstopfen können.
Welche Drogenrückstände sind im Abwasser feststellbar?
Im Abwasser lassen sich aber noch ganz andere Stoffe finden, darunter antibiotikaresistente Erreger, Mikroplastik und Rückstände von Drogen. So hatte die bayerische CSU angesichts der Legalisierung von Cannabis die Idee, mit diesem Verfahren nach entsprechenden Rückständen suchen zu lassen.
Die Hamburger Regierungsfraktionen SPD und Grüne wollen das Abwasser der Hansestadt regelmäßig auf Drogenrückstände untersuchen lassen, wie sie in einem gemeinsamen Bürgerschaftsantrag argumentieren. Das Abwasser soll dementsprechend auf vergleichsweise häufig konsumierte Drogen untersucht werden, darunter Kokain und Heroin, Ecstasy und Cannabis. Die Ergebnisse sollen helfen, bestehende Präventions-Angebote zu verbessern, wie die beiden regierenden Parteien in dem Antrag schreiben.
Das Abwasser soll auf vergleichsweise häufig konsumierte Drogen untersucht werden, darunter Kokain und Heroin, Ecstasy und Cannabis. Die Ergebnisse sollen helfen, bestehende Präventions-Angebote zu verbessern, so SPD und Grüne.
Welche Drogen werden in welchen Regionen konsumiert?
Auf die Frage, wo welche Drogen am stärksten verbreitet sind, gibt das European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA) mit Sitz in Lissabon Antworten. Die Daten aus dem Abwasser zeigen, das von allen deutschen Städten in Berlin am häufigsten in der Nacht von Samstag auf Sonntag Kokain, MDMA oder Speed konsumiert wird. Dann folgen die Städte Dortmund und München. Über die Tests in den Kläranlagen lässt sich auch ablesen, das eine Welle von neuen synthetischen Drogen über Europa schwappt.
Abwasseranalysen auf Drogenrückstände gibt es nicht erst seit der Coronapandemie. Schon 2019 zeigte eine ebenfalls auf Abwasseruntersuchungen basierende Studie des Netzwerks SCORE, dass in Städten wie Dresden, Chemnitz und Erfurt besonders viel Metamphetamin konsumiert wurde und in Berlin der Konsum von Kokain stieg.
Wie läuft eine Abwasseruntersuchung auf Drogenrückstände ab?
In Hamburg soll das Abwasser voraussichtlich vier bis acht Mal im Jahr analysiert werden. Das soll ausreichen, langfristige Trends beim Drogenkonsum zu beobachten. Die Wasserproben werden vom städtischen Klärwerk bereitgestellt und am Institut für Hygiene und Umwelt untersucht. Die Probe wird dabei binnen 24 Stunden gewonnen und eingefroren.
200 Milliliter sind ausreichend für die Testung. Am interessantesten für die Analyse sind die sogenannten Metaboliten im Wasser. Das sind Stoffwechselprodukte, die beim Drogenkonsum im menschlichen Körper entstehen. Diese müssen zunächst extrahiert werden. Im Anschluss kann die Konzentration mittels der Kombination zweier analytischer Verfahren – der Flüssigchromatographie mit der Massenspektrometrie – gemessen werden.
Wer bezahlt die neuen Systeme?
Künftig sollen Reinigungsverfahren noch besser werden, um aus dem Abwasser vor allem Mikro-Schadstoffen aus Medikamenten und Kosmetika zu eliminieren. Am 10. April hat das EU-Parlament beschlossen, dass die Pharmakonzerne und Kosmetikherstelleran den Kosten beteiligt werden sollen. Kommunen sollen verpflichtet werden, ihren Klärschlamm regelmäßig auf Mikroplastik und besonders langlebige "ewige Chemikalien" zu überprüfen. Außerdem soll das Abwasser auf Viren wie den Corona-Erreger getestet werden.
Die Hersteller sollen mindestens 80 Prozent der Kosten für die neuen Systeme übernehmen. Der Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sprach deshalb von einem "Meilenstein". Das Gesetz schaffe "Anreize, Schadstoffe an der Quelle zu vermindern und umweltschonende Grundstoffe und Produkte zu entwickeln", erklärte BDEW-Geschäftsführer Martin Weyland.