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Abwasserkrieg in Brandenburg

Als in Ostdeutschland noch von blühenden Landschaften geredet wurde, flossen die Fördermittel reichlich - unter anderem in neue Kläranlagen. Doch die Folgekosten sind höher als erwartet. Dafür müssen jetzt die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Abwassergebühren und -beiträgen teuer bezahlen. Viele weigern sich.

Von Claudia van Laak |
    "Abwasserfreies Grundstück" steht auf einem Schild, "Zutritt verboten, gefährliche Hunde" auf einem anderen. Das Grundstück ist durch einen mannshohen Zaun gesichert, direkt hinter dem Gartentor versperrt ein großer Berg Glasflaschen den Zutritt. Hier in Briesensee, 70 Kilometer südöstlich von Berlin, lebt die selbst ernannte Abwasserrebellin Doris Groger. Sie hat auf ihrem Grundstück eine Pflanzenkläranlage errichtet und verweigerte bislang einen Anschluss an die zentrale Kanalisation. Vergeblich. Vor einigen Tagen eskalierte der Streit. Unter Polizeischutz schloss der örtliche Zweckverband das Grundstück von Doris Groger an die Abwasserleitung an. Es kam zu Handgreiflichkeiten.

    "Sie haben kein Recht, das Grundgesetz zu brechen. Lassen Sie mich los. Sie brechen das Grundgesetz, Sie dürfen das Grundgesetz nicht brechen."

    Von Abwasserkrieg sprechen die regionalen Medien - gibt es in Brandenburg doch mehrere Fälle dieser Art, bei denen die Zweckverbände einen Anschluss an die zentrale Kläranlage gegen den Willen der Grundstückseigentümer durchsetzen. Der gesetzlich verankerte Anschluss- und Benutzungszwang gibt ihnen das Recht dazu. Burkhard Voss, Landesvorsitzender des BUND:

    "Wir verstehen die Situation, die zu dieser Rebellion geführt hat, weil es nämlich anachronistisch ist, wie man heutzutage dort noch einen Anschlusszwang für zentrale Kläranlagen durchsetzen lässt, der nachweislich auch wissenschaftlich heute nicht mehr begründet ist, weil dezentrale Lösungen für das Land viel besser wären."

    Die Hartnäckigkeit, mit der die Zweckverbände den Anschluss an die zentralen Kläranlagen durchsetzen, hat einen Grund. Sie sind auf jeden Liter Schmutzwasser angewiesen, um die oft überdimensionierten Klärwerke auszulasten. Sven Petke, innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion.

    "Hintergrund für die Auseinandersetzung ist die verfehlte Wasser- und Abwasserpolitik der 90er Jahre in Brandenburg. Damals hat der Umweltminister Platzeck und sein Staatssekretär Speer nicht dafür gesorgt, dass wir in Brandenburg eine angemessene Trink- und Abwasserinfrastruktur bekommen."

    Zunächst flossen Fördermittel in zu große Kläranlagen - jetzt fließen Fördermittel, um die kommunalen Wasser- und Abwasserzweckverbände vor drohenden Pleiten zu schützen.

    "Wir werden, und das ist Fakt, noch über Jahrzehnte mit Steuergeldern finanzierte Hilfestellung geben müssen, um die Abwasserzweckverbände in einigen Teilen des Landes am Leben zu erhalten."

    Nirgendwo sonst in Deutschland sind die Gebühren und Beiträge für Abwasser zu hoch wie in Brandenburg. Und nirgendwo sonst wird der Anschluss- und Benutzungszwang so rigoros durchgesetzt. Der BUND fordert:

    "Man müsste dort einfach für die ländlichen Räume dies aufheben und für die anderen Räume, die etwas dichter besiedelten Räume, dort die gesetzlichen Regelungen derart verändern, dass die Zweckverbände so gezwungen sind, zu sinnvollen Größenordnungen überzugehen."

    Die CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag sieht dies ähnlich, die SPD jedoch will den Anschlusszwang nicht lockern. Er müsse bestehen bleiben, um die Wirtschaftlichkeit der Zweckverbände zu sichern, so das Argument. Außerdem sei der Anschlusszwang ökologisch sinnvoll - Fäkalien würden zentral entsorgt. Der BUND dagegen hält dezentrale Kleinkläranlagen für geboten. Burkhardt Voss:

    "Das sind Lösungen, die eben für unsere Zukunft wichtig sind. Denn so wie die jetzigen Klimastudien für Brandenburg sind, werden wir eine Reduzierung der Grundwasserneubildung erreichen, weil ja weniger Regen bei uns einfließt. Deshalb sollten wir alles dafür tun, um das Wasser in der Region zu halten und nicht aus der Region abführen."

    Der BUND plädiert dafür, nicht ausgelastete Kläranlagen zurückzubauen oder ganz abzuschalten. Doch dies ist momentan nicht möglich - die Fördermittel müssten dann zurückgezahlt werden.