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Abweichler in der Union
"Es wäre verwunderlich, wenn alle einer Meinung wären"

Der Bundestag wird wohl bald wieder über neue Hilfszahlungen an Griechenland entscheiden müssen. Ralph Brinkhaus, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion, will mögliche Abweichler mit einer "überzeugenden Vereinbarung" hinter sich bringen. Der von Fraktionschef Volker Kauder angekündigte Abzug kritischer Abgeordneter aus bestimmten Ausschüssen sei ihm "nicht bekannt".

Ralph Brinkhaus im Gespräch mit Doris Simon |
    Ralph Brinkhaus am Rednerpult des Bundestags.
    Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus. (dpa / Maurizio Gambarini)
    Die Aussagen Kauders hatten teils harsche Reaktionen in der Fraktion hervorgerufen. "Die Nerven liegen nicht blank", widersprach Brinkhaus zudem entsprechenden Medienberichten. "Wir diskutieren intensiv, es gibt unterschiedliche Meinungen. Wir sind eine Volkspartei, da wäre es verwunderlich, wenn alle einer Meinung wären." Wenn eine überzeugende Vereinbarung mit Griechenland gefunden würde, dann gebe es auch sehr viele Kollegen, die zustimmen würden, sagte er.
    Abgeordnete möglicherweise unter Zeitdruck
    Am 20. August muss Griechenland drei Milliarden Euro an Krediten an die Europäische Zentralbank zurückzahlen, bis dahin soll möglichst eine Vereinbarung stehen. Doch es ist ein kurzer Zeitraum, um sich bis dahin mit allen Folgen eines weiteren Hilfsprogramms auseinanderzusetzen; die Abgeordneten stünden unter Zeitdruck. "Es wäre gut, bis dahin eine gute, tragfähige, belastbare Lösung zu haben", sagte Brinkhaus. "Aber wenn Punkte offen sind, gibt es auch keine Vereinbarung." Für diesen Fall brachte Brinkhaus eine Brückenfinanzierung ins Spiel. "Das ist besser als eine schnelle Lösung übers Knie zu brechen."

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Doris Simon: Bereits morgen schon könnte der Entwurf einer Grundsatzvereinbarung über ein drittes Hilfspaket für Griechenland stehen. Das berichten Agenturen unter Berufung auf Teilnehmer an den Verhandlungen zwischen Athen und der Quadriga der europäischen Institutionen und des IWF. Es geht um 86 Milliarden Euro. Dienstag könnte dann die griechische Regierung dem Parlament, dem griechischen, weitere neue Reformmaßnahmen vorlegen. Und wenn dann das griechische Parlament zustimmt, dann könnten sich am Freitag die Euro-Finanzminister über die Grundsatzvereinbarung beugen und ihr Plazet geben. Und wenn das geschehen ist, dann müssen schließlich noch sieben nationale Parlamente zustimmen, darunter der Bundestag - eine ganze Menge Wenns.
    - Am Telefon ist jetzt Ralph Brinkhaus, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU im Bundestag. Guten Morgen. Herr Brinkhaus, glauben Sie daran, dass das alles so klappt?
    Ralph Brinkhaus: Guten Morgen! Ja, es geht in der Tat alles sehr, sehr schnell. Und wir sind da ein wenig skeptisch, weil für uns ist Gründlichkeit wichtiger als Schnelligkeit. Denn eins ist auch richtig: Diese Vereinbarung muss für drei Jahre halten und in dieser Vereinbarung muss auch alles sehr, sehr klar geregelt werden. Das sind die Fehler, die wir beim letzten Mal gemacht haben, dass Dinge nicht klar geregelt worden sind, es hinterher Unsicherheiten gab. Und das hat zu Missverständnissen und Irritationen geführt.
    Simon: Aber ich höre heraus, Sie sind grundsätzlich dafür?
    Brinkhaus: Es geht jetzt darum, dass wir für Griechenland eine Lösung für die nächsten drei Jahre finden. Wenn die Konditionen passen, dann sollte es ein weiteres Paket geben. Aber das ist natürlich auch kein Automatismus. Eine Verhandlung birgt immer die Option, dass sie auch scheitern kann. Und insofern bleibt alles noch weiterhin offen, bis die Papiere auf dem Tisch liegen. Und noch mal: Für uns ist Gründlichkeit wichtiger als Schnelligkeit.
    Simon: Das Datum, das alle Akteure im Auge haben, das ist der 20. August. Da muss Griechenland Kredite von mehr als drei Milliarden an die Europäische Zentralbank zurückzahlen. Für Sie ist diese Koppelung an das Datum, die damit verbundene Eile nicht sinnvoll, höre ich da heraus?
    Brinkhaus: Es wäre gut, wenn man bis zum 20. August eine gute, tragfähige, belastbare Lösung hätte. Aber das ist natürlich kein Muss. Wenn wichtige Punkte offenbleiben, können wir keine Vereinbarung abschließen. Und insofern bleibt es dabei: Wir müssen eine tragfähige Lösung finden, die muss gründlich erarbeitet sein, da müssen viele Punkte geregelt sein.
    Simon: Sie sagen, es wäre gut, wenn man eine tragfähige Lösung hätte bis zum 20. August. Und wenn nicht?
    Brinkhaus: Wenn es bis zum 20. August keine tragfähige Lösung gibt, aber man trotzdem auf einem guten Weg ist bei Verhandlungen, dann gibt es immer noch die Möglichkeit einer weiteren Brückenfinanzierung. Das ist allemal besser, als wenn wir eine schlechte Vereinbarung schnell übers Knie brechen.
    Simon: Es kommt ja nicht wirklich viel heraus aus den Verhandlungen, aber anscheinend sieht die Bundesregierung ja noch Klärungsbedarf zum Beispiel bei Etatvorgaben, bei der Korrektur der Wirtschaftsentwicklung, beim Privatisierungsfonds. Sind das aus Ihrer Sicht Punkte, die eine Einigung verhindern könnten?
    Brinkhaus: Das sind ganz, ganz wichtige Punkte. Darüber hinaus ist für uns als Parlament natürlich auch sehr wichtig, wie sieht die Rolle des Internationalen Währungsfonds in diesem neuen Paket aus. Für uns ist auch noch eine Sache ganz, ganz wichtig: Es soll Geld gegeben werden, damit die Banken in Griechenland stabilisiert werden. Und da ist es natürlich so: Da ist die Frage, wie wird das organisiert, wird das aus Brüssel organisiert, aus Frankfurt organisiert, wird das aus Athen organisiert. Das heißt, es gibt da noch viele Fragen, die offen sind.
    Simon: Was wäre denn Ihre Präferenz bei der Bankenfinanzierung?
    Brinkhaus: Bei der Bankenfinanzierung wäre unsere Präferenz natürlich, dass das nicht in den Händen der griechischen Regierung stattfindet, sondern dass es über die EZB beziehungsweise über die Quadriga organisiert wird.
    Simon: Aber auch da ist ja Eile geboten, denn die griechischen Banken leiden unter extremem Kapitalabfluss. Die Aktionäre fürchten, dass sie bei einem Schuldenschnitt Geld verlieren könnten. Zugleich ist Bankenhilfe total unpopulär bei allen Bürgern. Wie schwer tun Sie sich, das Ihren Wählern zu erklären?
    Brinkhaus: Na ja. Es ist so gewesen, dass immer gesagt worden ist, warum sind denn die Banken gerettet worden. In Griechenland haben wir in den letzten Wochen gesehen, warum Banken gerettet worden sind, weil wenn die Menschen kein Geld mehr aus den Geldautomaten bekommen, wenn die Unternehmen nicht mehr in der Lage sind, Überweisungen durchzuführen, dann bricht natürlich die Wirtschaft zusammen. Und deswegen ist es wichtig, dass das griechische Bankensystem stabilisiert wird. Aber wir wollen natürlich genau wissen, wie das passieren soll. Und wir haben auch nur begrenzt Vertrauen darin, dass das von einer griechischen Regierung, von einem griechischen Bankenrettungsfonds gut organisiert wird.
    Simon: Herr Brinkhaus, es geht ja bei diesem dritten Hilfsprogramm um 86 Milliarden Euro. Die europäischen Institutionen und der IWF empfehlen, in der ersten Kreditrate jetzt 30 bis 35 Milliarden, wenn es einen Abschluss gibt, freizugeben. Sehen Sie nachvollziehbare Gründe, warum die Bundesregierung nur 20 Milliarden freigeben wollte?
    Brinkhaus: Es ist ja so. Je mehr Geld auf einen Schlag freigegeben wird, desto weniger Handhabe hat man, Zahlungen zu stoppen, wenn der Reformprozess in Griechenland nicht so abläuft, wie man sich das vorstellt und wie es versprochen worden ist. Und es wird immer wieder darüber geredet, dass wir im September in Griechenland Neuwahlen haben könnten. Und da stellt sich natürlich dann auch die Frage, wie eine neue griechische Regierung, vielleicht die gleiche griechische Regierung mit anderen Mehrheiten dann handelt. Das heißt, in den letzten Monaten ist ganz, ganz viel Vertrauen verloren gegangen. Und dementsprechend ist für uns ganz wichtig, dass das Prinzip eingehalten wird, Leistung nur gegen Gegenleistung. Und bei einer hohen Anfangszahlung ist das Prinzip Leistung gegen Gegenleistung nur begrenzt umsetzbar.
    Simon: Am Freitag hat es ja in diesem Zusammenhang eine Vorberatung der europäischen Finanzstaatssekretäre gegeben. Da soll der deutsche Finanzstaatssekretär Steffen einen Abschluss der Verhandlungen in Verbindung gebracht haben mit Griechenlands Umgang mit Flüchtlingen. Diesen Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" hat das Bundesfinanzministerium zwar dementiert. Aber mal ganz unabhängig davon: Fänden Sie es richtig, von Athen zu verlangen, dass es Geld nur geben kann, wenn man sich an die Regeln in Sachen Flüchtlingsaufnahme hält?
    Brinkhaus: Ich finde es richtig, dass man Geld nur geben kann, wenn die griechische Regierung sich an alle Regeln hält. Das heißt, es geht ja nicht um Flüchtlinge, es geht nicht um Agrarsubventionen oder andere Geschichten, sondern es geht darum, dass man in Athen einen verlässlichen Partner hat, der alle Regelungen einhält, die man gemeinsam vereinbart hat.
    Simon: Kommen wir noch mal zurück zu den Wenns. Wenn am Freitag die Euro-Finanzminister tatsächlich der Grundsatzvereinbarung für ein drittes Hilfspaket für Athen zustimmen, Herr Brinkhaus, dann bleiben den Abgeordneten im Bundestag und den anderen Parlamenten in der EU, die mitentscheiden müssen, höchstens fünf Tage, das Wochenende mitgerechnet, um sich eine Meinung zu bilden. Reicht Ihnen das?
    Brinkhaus: Abgeordnete arbeiten natürlich auch am Wochenende. Aber Scherz bei Seite: Es ist natürlich eine sehr, sehr kurze Frist für eine sehr umfangreiche Vereinbarung, wenn sie denn gut gemacht worden ist. Denn wir wollen uns für die nächsten drei Jahre festlegen und es geht um keine kleinen Summen. Deswegen werden wir uns das sehr genau durchlesen müssen. Wir werden uns sehr genau durchlesen müssen, ob das, was im Juli versprochen worden ist, auch in diesen Vereinbarungen umgesetzt worden ist. Und insofern liegt sehr, sehr viel Arbeit vor uns.
    Simon: Aber Sie haben ja der Aufnahme zugestimmt. Sie sagen, Sie werden das jetzt ordentlich prüfen. Aber fühlen Sie sich wirklich frei, dann im Zweifel auch zu sagen, nein? Die Nerven liegen ja recht blank in der CDU. Das hat man ja auch an den Äußerungen von Volker Kauder gemerkt, der damit gedroht hatte, dass Abgeordnete, die mit Nein gestimmt hatten bei der Zustimmung zur Aufnahme von Verhandlungen, dass die demnächst nicht mehr in den entsprechenden Finanz- und Europaausschüssen sitzen können.
    Brinkhaus: Mir ist nicht bekannt, dass irgendein Abgeordneter aus irgendeinem Ausschuss abgezogen werden soll. Und insofern sollte man das nicht überbewerten. Die Nerven liegen auch nicht blank, sondern es ist so, dass wir sehr intensiv darüber diskutieren, was der richtige Weg ist. Und es ist natürlich so, dass es da unterschiedliche Meinungen auch in der Fraktion gibt. Wir sind eine Volkspartei und da wäre es verwunderlich, wenn alle einer Meinung wären. Wir haben bei der letzten Diskussion, als es um die Aufnahme der Verhandlungen zu den Hilfspaketen ging, schon eine sehr gute und konstruktive Diskussion auch bei uns in der Fraktion gehabt. Und so werden wir das auch fortsetzen.
    Simon: Aber es lässt ja aufmerken, wenn der Fraktionschef vorab, bevor das überhaupt so weit ist, sagt, Achtung, wenn jetzt wieder eine Abstimmung ansteht, passt auf, wie ihr abstimmt.
    Brinkhaus: Wie gesagt, seitens der Fraktion wurde gestern auch noch mal betont, dass es nicht so ist, dass irgendein Abgeordneter aus einem Ausschuss abgezogen werden soll. Insofern, denke ich mal, werden wir unseren Weg weitergehen. Wir werden hart in der Sache diskutieren. Wir haben auch unterschiedliche Meinungen, das hat sich auch im Abstimmungsverhalten gezeigt. Aber wie gesagt, das ist bei einer Volkspartei doch durchaus üblich.
    Simon: Herr Brinkhaus, gehen Sie davon aus, dass es diesmal mehr als 60 CDU-Abgeordnete sein werden, die gegen ein solches Hilfspaket stimmen, wenn es denn so weit kommt?
    Brinkhaus: Das ist eine gute Frage. Das hängt nämlich am Ende von der Qualität des Papiers ab, was uns vorgelegt wird. Wenn wir ein überzeugendes Papier, eine überzeugende Vereinbarung bekommen, die zeigt, dass wir für die nächsten drei Jahre eine tragfähige Lösung haben, dann, denke ich mal, dann gibt es sehr, sehr viele Kollegen, die dann auch zustimmen werden. Je schlechter die Qualität dieses Papieres ist, desto schwieriger wird es, meine Kolleginnen und Kollegen zu überzeugen. Das gilt aber im Übrigen auch für die anderen Parteien und nicht nur für die CDU/CSU.
    Simon: Wenn es so kommt und Abgeordnete nicht überzeugt werden können und zum Beispiel es im Deutschen Bundestag keine Mehrheit gibt, ist das für Sie vorstellbar?
    Brinkhaus: Das weiß ich nicht, ob es im Deutschen Bundestag keine Mehrheit gibt, weil ich davon überzeugt bin, dass das Verhandlungsteam des Bundesfinanzministeriums da hart und gut in der Sache verhandeln wird. Ich gehe jetzt erst mal davon aus, dass wir ein gutes Ergebnis bekommen werden. Aber wie gesagt: Der Drops ist da auch noch nicht gelutscht. Die Verhandlungen sind noch nicht zu Ende geführt und es muss sich jeder in Brüssel darüber klar sein und auch in Athen, dass es nicht nur so ist, dass man dort auf dem Brüsseler und Athener Parkett eine Zustimmung haben muss, sondern dass der Deutsche Bundestag auch mitstimmt. Der Deutsche Bundestag ist kritisch eingestellt gegenüber der Athener Regierung, weil sehr viel Vertrauen verspielt worden ist. Und deswegen brauchen wir eine tragfähige und gute Vereinbarung.
    Simon: Ralph Brinkhaus, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU im Bundestag. Herr Brinkhaus, vielen Dank!
    Brinkhaus: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.