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Abwertung des Yuan
"Aus Sicht Chinas ganz geschickt gemacht"

China habe mit seiner Währung nur das gemacht, was etwa der Internationale Währungsfonds gefordert habe, sagte der Ökonom Max Otte im Deutschlandfunk. Nämlich die Währung mehr dem Spiel der Marktkräfte zu überlassen - allerdings in einer Phase, die für den Westen nicht erfreulich sei. Der Gewinn in China werde für etliche deutsche Unternehmen einbrechen.

Max Otte im Gespräch mit Dirk Müller |
    Der Ökonom Max Otte
    Der Ökonom Max Otte (dpa / picture-alliance / Erwin Elsner)
    Dirk Müller: Die Börse ist in den Keller gegangen, die inländische Konjunktur ist schwach, die Banken haben hohe Schulden, Zehntausende Unternehmen haben hohe Schulden, die Immobilien stehen leer und die Industrie produziert viel zu viel. Wäre dies der Fall, sagen wir, in Liechtenstein oder in Luxemburg, dann wäre das vielleicht nicht ganz so schlimm. Doch wir reden hier von China, vom globalen Giganten China mit dem weltweit größten Wirtschaftspotenzial und vielleicht auch jetzt schon mit dem weltweit größten Einfluss auf die Ökonomie. Die chinesische Zentralbank hat in dieser Woche gleich mehrfach die Landeswährung Yuan oder auch den Renminbi, wie es genannt wird, abgewertet. Ein Alarmsignal für Asien, für Europa, für die Vereinigten Staaten. Abwerten der Währung, um die eigenen Produkte billiger zu machen, konkurrenzfähig zu machen. Die internationalen Börsen haben zum Teil schockiert reagiert, das Wort Angst ist häufiger gefallen in diesen Tagen auf dem Parkett. Auch wenn sich gegen Wochenende das wieder etwas beruhigt hat.
    Am Telefon ist nun der Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler Professor Max Otte, Autor des Buches "Der Crash kommt". Gemeint war damit die Finanzkrise, die 2007 in den USA ihren Ausgang genommen hat, Lehman Brothers und Co. Kommt jetzt der nächste Crash?
    Otte: Wir sind zumindest in einer globalen Phase, wo Geldvermögen verschoben wird, vernichtet wird. Hans-Werner Sinn, mein Kollege, nannte das mal einen gigantischen Vermögenspoker. Also, die Spannungen nehmen in der Weltwirtschaft zu und was jetzt in China passiert, ist ein Anzeichen dafür, dass zumindest wir in eine neue und nicht sehr angenehme Phase eingetreten sind.
    "Im Moment wird auf der ganzen Welt Vermögen verschoben"
    Müller: Das müssen Sie uns erklären, Herr Otte! Wie wird Vermögen vernichtet?
    Otte: Ja, das eine, in Europa ist es die Finanzrepression, also die niedrigen Zinsen, die dann zu einer faktischen schleichenden Enteignung der Mittelschicht führen. Es gibt viele andere Möglichkeiten, indem also Märkte reguliert und kontrolliert werden, indem zum Beispiel Japan jetzt seine Notenbanken beziehungsweise seine Pensionskassen zwingt, Aktien zu kaufen, was eigentlich auch vernünftig ist, denn Japan ist hoch verschuldet und wird irgendwann sich einem Währungsschnitt stellen müssen, in Griechenland, haben wir eben gehört, werden weitere 83 Milliarden reingepumpt. Und diese Semantik, dass dann kein Schuldenschnitt kommt, aber Schuldenerleichterung, das ist ja lächerlich, so verkauft man es dann eben den Wählerinnen und Wählern, man sagt dann nicht mehr Schuldenschnitt, man sagt Erleichterung und faktisch kommt dasselbe dabei heraus. Also, so wird im Moment auf der ganzen Welt Vermögen verschoben. Und was jetzt in China passiert, ist letztlich ein Beispiel dafür, was weltweit passiert auf verschiedene Formen.
    Müller: Viele werden ja überrascht sein, wobei es in der Weltgeschichte, wenn ich das so groß formulieren darf, ja immer wieder der Fall war. Das heißt, wenn man zu teuer ist, kann man als Land, also als Nation hingehen, wenn man eben autonom ist, nicht im Euro steckt beispielsweise, dann kann man hingehen und sagen, ach, wir werten jetzt einfach mal unser Geld, unsere Währung auf oder auch ab, die Schweizer haben das ja auch in der jüngsten Vergangenheit schon in verschiedene Richtungen mal praktiziert. Jetzt China, dieser Gigant! Wie relevant ist das?
    Der Zeitpunkt ist vielleicht für den Westen nicht so erfreulich
    Otte: Na ja, am aggressivsten, am aktivsten spielt diese Karte die größte Wirtschaftsnation der Welt, die USA. Durch die Freigabe des Wechselkurses 1971 hat Nixon genau diese Karte gespielt, Amerika macht das rücksichtslos, ohne Berücksichtigung der Weltwirtschaft. Und jetzt hat China ja nicht die Währung in der Form abgewertet. China hat letztlich die Währung freigegeben, in einer Phase, in der das Land von gewissen Schwächeanfällen geschüttelt ist, wo auch Kapital abfließt. Und das hat zu einem Kursrückgang geführt. Der ist gar nicht so dramatisch, es sind ja wenige Prozess, wo es über einige Tage lief. China hat das gemacht, was der Internationale Währungsfonds eigentlich fordert, nämlich die Währung mehr dem Spiel der Marktkräfte zu überlassen. Allerdings in einer Phase, die man vielleicht im Westen nicht so gutheißt. Und das sind jetzt die Konsequenzen, dass die Währung abwertet, dass China noch wettbewerbsfähiger wird, dass wir etwas weniger wettbewerbsfähig werden und dass auch der Gewinn in China für etliche deutsche Unternehmen etwas einbricht. BMW macht ungefähr, soweit ich das berechnen kann, ein Drittel seines Gewinns in China. Und wenn das dann in Yuan läuft, dann ist es natürlich jetzt weniger wert für den deutschen Konzern.
    Müller: Herr Otte, um da jetzt noch einmal nachzuhaken, also um jetzt auch nicht semantisch zu werden, Sie haben das ja eben mit ins Spiel gebracht bei Schuldenerleichterung oder auch Schuldenschnitt: Viele von uns haben das jetzt so verstanden, auch in der Rezeption aus den Medien, aus den Tageszeitungen heraus, dass de facto abgewertet worden ist in China. Sie haben gesagt, nein, im Grunde ist nur freigegeben worden, das war sogar international vom Währungsfonds gefordert. Und, wenn ich Sie richtig verstanden habe, auch folgerichtig?
    Otte: Gewissermaßen. Man kann sich darüber streiten, ob feste Wechselkurse besser sind oder freie Wechselkurse, aber eigentlich fordern die USA, der Internationale Währungsfonds, alle fordern freie Wechselkurse. Innerhalb der Eurozone haben wir uns für eine Währung entschieden. Und nun macht China das. Zugegebenermaßen in einer Phase, die vielleicht für den Westen nicht so erfreulich ist oder nicht so glücklich. Und nun heißt es auf einmal, es kommt ein Währungskrieg, wird dann an die Wand gemalt, und eine aktive Abwertung. Das, noch mal, ist nicht passiert in China.
    "Es ist alles instabiler geworden"
    Müller: Also Währungskrieg? Kommt der, kommt der nicht? Davon kann keine Rede sein, sagen Sie?
    Otte: Ja, Krieg weiß ich nicht, aber was wir natürlich bekommen, ist ein multipolares Währungssystem, also Dollar, Euro, Yen, die dann frei gegeneinander schwanken. Und je nachdem, wie gut eine Region gerade dasteht, fließt Kapital hin, die Währung schießt noch weiter nach oben, oder wie jetzt, wenn Schwächeanfälle sind, fließt Kapital weg, die Währung schwankt vielleicht noch stärker nach unten. Also, wir haben dann genau das, was wir an den Aktienbörsen bemerken, Blasen. Also Überschießen der Kurse nach oben und nach unten. Ob das gut ist für die Weltwährung oder ob letztlich das, was wir im Bretton-Woods-System von 1944 bis 1971 hatten, nämlich feste, aber anpassungsfähige Wechselkurse, also auch das, was wir im europäischen Währungssystem hatten vor dem Euro, ob das nicht besser wäre für die Weltwirtschaft.
    Müller: Wir denken ja immer, Herr Otte, wir lernen dazu, auch im globalen Kontext, im internationalen Kontext, wo doch alles so schön zusammenwächst! Ist also de facto alles instabiler geworden?
    Otte: Es ist alles instabiler geworden, es wächst auch seit etlichen Jahren nicht mehr zusammen. Und da sind alle Akteure dran beteiligt. Also, wir haben eine neue Mauer in Europa geschaffen, einen Riss, der durch Europa geht, wir sind mit der Stabilisierung der Weltwirtschaft nicht wirklich vorangekommen. Das sind auch Phasen, die es in der Vergangenheit schon öfter in der Weltwirtschaft gegeben hat, und zwar genau dann, wenn eine neue Wirtschaftsnation sich an die Spitze vorarbeitet und die Incumbents, wie man im Englischen sagt, also die Inhaber der Spitzenpositionen das misstrauisch und neidisch beobachten und vielleicht auch sich dagegen wehren mit fairen und unfairen Mitteln. Dann kann es zu großen Spannungen in der Weltwirtschaft kommen und im Ernstfall dann auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen.
    Im Moment haben alle strukturelle Probleme
    Müller: Und die Chinesen haben aber - frage ich sie jetzt - tatsächlich ernsthafte strukturelle Probleme? Weil, sonst hätten sie das jetzt in der Form ja nicht, oder zu diesem Zeitpunkt machen müssen?
    Otte: Das ist richtig. Ich finde, dass sie es aus Sicht Chinas ganz geschickt gemacht haben. Sie stützen gleichzeitig den Aktienmarkt, das wird ihnen auch vorgeworfen, aber auf der anderen Seite: Würde der ins Bodenlose fallen, dann hälfe es auch niemandem. Also, die Probleme sind da, aber auch das muss man bitte schön in Relation sehen: Die USA haben größere strukturelle Probleme, die sind fünffach so hoch verschuldet, sie haben zehn Prozent echte Arbeitslosenquote, reden immer nur von fünf Prozent, Europa hat strukturelle Probleme. Im Moment haben alle strukturelle Probleme und das muss man bitte auch mal etwas gleichgewichtet sehen.
    Müller: Jetzt kommt die Neuauflage Ihres Buches?
    Otte: Nein. Ich bin damals auch viel schon über Neuauflagen und neue Themen wie zum Beispiel … "Der Aufschwung kommt", wurde mir scherzhaft vorgetragen … Ich habe mich bewusst entschieden, ein solches Buch nicht mehr zu schreiben, und dann kamen tatsächlich von anderen Autoren, wurde dieses Muster, "Der Aufschwung kommt", "Die Inflation kommt", "Der Staatsbankrott kommt", man kann es gar nicht mehr zählen, was alles mit dieser Titelserie kam. Aber ich habe mich dagegen entschieden. Aber ich denke darüber nach, ein ernsthaftes Buch über die wirklich großen Gefahren nicht nur in der Weltwirtschaft, sondern auch für die Weltpolitik zu schreiben.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler Professor Max Otte. Danke für das Gespräch, Ihnen noch ein schönes Wochenende!
    Otte: Ihnen auch, guten Morgen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.