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Aby-Warburg-Sammlung
Rettung einer Bibliothek

Eine europäische Hochschul-Kooperation will der Büchersammlung des deutschen Kunsthistorikers Aby Warburg in London das Überleben sichern. Mit Erfolg, wie es scheint.

Von Werner Bloch | 18.12.2013
    Das Gröbste scheint erst mal überstanden. Das Warburg Institut in London wird nicht aufgelöst, wie zeitweise befürchtet worden war, sagt Peter Mack, der Direktor des Instituts.
    "Die Gefahr, dass die Bibliothek zerschlagen wird, ist abgewendet. Die Universität London hat aber die Miete für das Gebäude in den letzten fünf Jahren stark erhöht, auf mehrere hunderttausend Pfund – Geld, das wir unmöglich erwirtschaften können. Es gibt da noch ein paar offene Finanzierungsfragen. Wir versuchen, das zu lösen – notfalls vor Gericht. Die Probleme sind noch nicht vorbei."
    Peter Mack, ein hünenhafter Mann mit brustlangem Bart und mit ebenso hünenhaftem Lachen, hat das Warburg Institut in London vor vier Jahren übernommen. Er bemüht sich seitdem um mehr Publikum und eine Erweiterung des Forschungsbetriebs. Und jetzt – kommt Hilfe aus Deutschland.
    "Niemand hat mich mehr unterstützt als deutsche Kunsthistoriker und Intellektuelle. Das Warburg Institut basiert auf dem Zusammenspiel von deutschem Gedankengut und britischer Skepsis und Empirie. Das ist erfrischend, so entsteht etwas Neues."
    Wir versuchen gerade, eine interdisziplinäre Gruppe zusammenzustellen, die mit Aby Warburgs großer Idee des Bildtransfers zu tun hat, der Migration von Bildern von einer Kultur in die andere. Ein Projekt über den Austausch von Kulturen in der mediterranen Welt.
    Dieses Projekt mit dem Arbeitstitel "Bilderfahrzeuge" ist der Coup, die zweite gute Nachricht aus dem Warburg Institut: ein Forschungsverbund, der fünf kunstgeschichtliche Institutionen vereint - das Warburg-Haus in Hamburg, das mit der Universität Hamburg verknüpft ist, die Humboldt-Universität zu Berlin, die deutschen kunstgeschichtlichen Institute in Florenz und Paris. Die Federführung übernimmt das Warburg Institut in London.
    Hamburgs Wissenschaftssenatorin und Zweite Bürgereisterin Dorothee Stapelfeldt zeigt sich geradezu begeistert:
    "Aby Warburg ist einer, der immer schon europäisch gedacht hat und Kunst und Kulturgeschichte auch als europäische verstanden hat. Und seine Idee von den Bilderfahrzeugen und von diesem Forschungsverbund ist eigentlich eine europäische Idee schon damals gewesen. Es gibt eine Förderung des BMBF für den Forschungsverbund Bilderfahrzeuge, über fünf Millionen Euro, und ich glaube, dass das eine ganz tolle Chance ist für die Kunstgeschichte, europaweit sich zu etablieren."
    Stapelfeldt ist vom Fach; sie ist promovierte Kunsthistorikerin.
    Konkret geht es um die für Warburg so zentrale Idee der Bildwanderung. Was geschieht, wenn Bilder von einer Kultur in die andere gelangen und dort neue Bedeutungen annehmen? Wenn zum Beispiel Münzen aus der Spätantike nach Indien gelangen und christliche Motive auf diesen Münzen nicht mehr als religiös angesehen werden, sondern als Ausdruck menschlichen Leidens allgemein?
    Gerade in der heutigen bildzentrierten Zeit der neuen Medien sind solche Forschungen im Sinne Warburgs angesagt. Im Internet wandern Bilder ja geradezu ständig von einem Kontext in den anderen. Horst Bredekamp, Professor in Berlin und Autor zahlreicher Bücher über Bildakte:
    "Das ist etwas ganz Neues, ein Konzept, das wir uns ausgedacht hatten, und das durch Zufall oder Fügung mit Überlegungen des Ministeriums zusammenfiel. Es schien uns, als hätten wir uns etwas ausgedacht, was absolut passte."
    Warburg ist wahrscheinlich die Person in der Geistesgeschichte, die sich am tiefsten mit Bildern auseinandergesetzt hat, bis zum Wahn geradezu, also Bildwissenschaft im umfassenden Sinne. Und wenn man die heutige Zeit verstehen will, dann muss man verstehen, wie Bilder funktionieren, sonst kann man nicht wirklich etwas über die Zeit sagen. Vom Krieg bis zur Naturwissenschaft. Und da ist Warburg die Ikone, das Beispiel.