Das Haus von Immobilienbesitzer Thilo Peter in Berlin Neukölln ist leicht zu finden: Es ist das Heruntergekommenste in der Nogatstraße. Von der Fassade blättert der Putz, die Haustür fehlt, im Hof stapelte sich zeitweise Sperrmüll. Vor dem Haus sitzt eine rumänische Familie auf Plastikstühlen, der Vater raucht, der Sohn tippt auf seinem Handy rum.
"In der Wohnung reparieren wir alles. Im Bad, in der Küche. Wir haben Laminat verlegt, tapeziert. Dass er hier draußen nichts renoviert, interessiert mich nicht. Wir renovieren unsere Wohnung – draußen ist seine Aufgabe", so der Vater.
Sonst sei der Vermieter ganz in Ordnung, sagt die etwa 60-jährige Mutter: "Wir haben hier keine Probleme, wir wohnen seit zehn Jahren hier. Der Chef ist gut zu uns – es ist alles ok." Mehr wollen sie jetzt aber auch nicht sagen. Andere Bewohner des Hauses reden gar nicht erst mit mir.
Sonst sei der Vermieter ganz in Ordnung, sagt die etwa 60-jährige Mutter: "Wir haben hier keine Probleme, wir wohnen seit zehn Jahren hier. Der Chef ist gut zu uns – es ist alles ok." Mehr wollen sie jetzt aber auch nicht sagen. Andere Bewohner des Hauses reden gar nicht erst mit mir.
Kakerlaken, kaputte Wände, Dreck
"Die Bewohner selbst wollen sich überhaupt nicht dazu äußern, wenn die Presse fragt, weil sie totale Angst haben. Ihre Kinder werden manchmal von diesem Hausmeister bedroht, sie haben Angst rausgeschmissen zu werden", sagt Agnes Simon. Sie arbeitet als Sozialarbeiterin im Nachbarschaftsheim, ein paar Häuser weiter. Simon ist selbst Rumänin und unterstützt ihre Landesleute aus diesem und anderen Berliner Mietshäusern schon seit Jahren.
Erst vor ein paar Wochen haben ihr die Bewohner per WhatsApp geschrieben, wie es in dem Haus von Innen aussieht und wie unwohl sie sich dort fühlen:
"Wir sind eine Familie von elf Personen und wohnen in einer Zweiraumwohnung voller Kakerlaken, Mäuse, in einem dreckigen Wohnhaus. Die Wohnung hat kaputte Wände, manches stürzt ein, der Hof ist voller Müll und kaputte Türen. Manchmal haben wir warmes Wasser, manchmal nicht."
Horrorhaus mit oft hohen Mieten
"Oder jemand anderes schreibt: ‚Die veralteten Sicherungskästen in der Wohnung schlagen Funken, es gibt Mäuselöcher. Damit das Ungeziefer nicht von Wohnung zu Wohnung geht, hat man Kistendeckel vor offene Lüftungsschächte genagelt, das nützt nicht'", so Simon.
Andere berichten ihr von defekten Heizungen, kaputten Fenstern, Schimmel . Ein Horrorhaus, in dem die osteuropäischen Bewohner auch noch hohe Mieten zahlen. Agnes Simon kennt sogar solche Fälle: "Fast 700 Euro für ein Zimmer ohne warmes Wasser".
Hauseigentümer in Berliner CDU aktiv
Der Mann, der sich auf Kosten der Bewohner bereichert, ist in Berlin kein Unbekannter: Thilo Peter, von Beruf Steuerberater und Mitglied der Berliner CDU. Seit Jahren Vorstand im Ortsverband Charlottenburg Nord.
Er besitzt noch ein weiteres Mietshaus in Neukölln. Es sei ähnlich heruntergekommen, auch hier leben Rumänen und Bulgaren, die auf dem überhitzten Berliner Wohnungsmarkt sonst keine Unterkunft finden, erzählt, Susanna Kahlefeld. Sie kämpft als Abgeordnete der Grünen seit Langem gegen diese Art von Vermietung.
Grünen-Abgeordnete: "Das ist alles illegal"
"Es steckt das Geschäftsmodell dahinter, Häuser, die eigentlich nicht vermietbar sind, an Menschen zu vermieten, die sich nicht wehren können, die dann die Miete bar bezahlen und die man einfach aus den Häusern rausschmeißen kann. Es ist eine Gelddruckmaschine", sagt Kahlefeld.
Ob das legal sei? Kahelfelds Antwort: "Nein, natürlich nicht, das ist alles illegal. Es ist schon illegal, diese Wohnungen in diesem Zustand zu vermieten."
Thilo Peter, der Eigentümer, hält sich bei dem Ganzen im Hintergrund. Den Kontakt mit den Mietern überlasse er seinem Hausmeister. Der treibe auch die Mieten ein, berichtet Sozialarbeiterin Simon: "Viele fürchten ihn. Die Kommunikation mit ihm läuft mündlich, das heißt, wenn man ein Problem hat, sagt man es dem Hausmeister."
Eigentümer will sich nicht äußern
Simon will sogar von Schmiergeldzahlungen gehört haben. Peter äußert sich auf Anfrage des Deutschlandfunks nicht zu den Vorwürfen. Eine Mail mit zahlreichen Fragen lässt er unbeantwortet.
Dem Bezirksamt von Neukölln sind die Probleme in den Häusern seit Jahren bekannt. Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel hat sich vor einigen Wochen selbst einen Eindruck von den Verhältnissen verschafft. Als es in einem der Häuser einen Corona-Ausbruch gab, die Bewohner in Quarantäne mussten.
Hikel: "Wir können die Eigentümer bei offensichtlichen Mängeln immer wieder zu Nachbesserungen auffordern, wo die Eigentümer dem auch immer Stück für Stück nachgehen, aber unser Eindruck ist bei diesen Immobilien wird nur das augenscheinlich Notwendigste gemacht. Es wird nicht sehr hohen Wert auf Qualität gelegt, weshalb dann die gleichen Missstände immer wieder auftauchen."
Mindestens 70 Horrorhäuser in der Hauptstadt
Mindestens 70 solcher Horrorhäuser gibt es in Berlin – das Geschäftsmodell ist immer dasselbe. Nicht sanieren, und aus den Häusern und Bewohner raus pressen, was geht.
Um Eigentümern wie Peter beizukommen, hat das Berliner Abgeordnetenhaus in diesem Jahr eine Novelle des Wohnungsaufsichtsgesetzes verabschiedet. Künftig können sich Behörden leichter Zugang zu maroden Wohnungen beschaffen, Kosten, die den Behörden in den Häusern entstehen, können ins Grundbuch eingetragen werden. Zum Beispiel: Schädlingsbekämpfungen. Vier Mal musste allein in der Peter-Immobile der Kammerjäger Ratten und Mäuse bekämpfen.
Gesetz soll helfen
Hikel hofft, dass das Gesetz möglichst schnell umgesetzt wird: "Es wäre für die Menschen eine echte Verbesserung. Gerade in einem Brennpunkt wie Neukölln, wo die Menschen nicht unbedingt um ihre Rechte in der Intensität aufgeklärt sind wie in manch anderen Bezirken, wo man weiß, man kann sich ans Amt wenden, wenn irgendwie jemand den Eindruck hat, ein Vermieter kümmert sich nicht drum."
Die Probleme mit den Horrorhäusern sind seit Jahren bekannt - politische Konsequenzen musste der Vermieter und CDU-Lokalpolitiker Peter bisher aber nicht fürchten. Für den Sozialdemokraten Hikel ein Unding: "Ich finde, die Parteikollegen müssen sich damit auseinandersetzen, inwiefern die Moral von solchen Personen auch einem Kreisverband zuträglich ist. Dass man halt sagt, so ein ausbeuterisches Verhalten duldet man nicht in der Christlich Demokratischen Union, weil ich glaube, es hat mit christlicher Nächstenliebe nur bedingt was zu tun, wenn ich mir angucke, wie die Menschen vor Ort leben."
Der Kreisverband von Peters Charlottenburger CDU möchte von dessen Gebaren als Vermieter nichts gewusst haben, beteuert der Vorsitzende Klaus-Dieter Gröhler auf Anfrage des Deutschlandfunks. Er möchte Peter auffordern, seine Sicht der Dinge zu schildern. "Anschließend wird sich dann für den betroffenen Ortsverband Charlottenburg-Nord die Frage stellen, ob und wenn ja, welche Konsequenzen zu ziehen sind", schreibt Gröhler. Wenige Tage nach dieser Mail kündigt Thilo Peter an – von seinem Amt in der Charlottenburger CDU zurückzutreten. Zu seinem Verhalten als Vermieter äußert er dagegen kein Wort des Bedauerns.