Der Schulungsort des sogenannten Facebook-Local-Accelerator-Programms für die ca. 60 Teilnehmenden aus 14 Verlagen ist legendär. Die Berliner Kalkscheune. Hier startete einst die Digitalkonferenz re:publica. Ein cooler Platz im doppelten Wortsinn. Zum einen lockere Atmosphäre wie in einem Landschulheim. Und dann heruntergekühlt.
Im überhitzten Berlin lassen sich die Lokalzeitungsmacherinnen und -macher bei Ventilatoren und Klimageräten einigermaßen erträglich das Einmaleins des digitalen Verkaufens durch professionelle Trainerinnen und Trainer erklären.
Klaus Gorny, Kommunikationschef von Facebook für die deutschsprachigen Länder, wacht darüber, dass diese Atmosphäre nicht durch Beobachter gestört wird. Es gelten diskrete, sogenannte Chatham-House-Regeln: Kaum etwas darf nach draußen dringen ohne das Einverständnis des Schulungsteams. Hilfsbereit übersetzt der Facebook-Kommunikator die Szenerie.
"Hier wird gerade erklärt: Wie ist das Thema Conversions. Also sprich: Wie kaufen Menschen online? Abos zum Beispiel, oder kaufen sie sich einen einzelnen Artikel? Und hier wird gerade verglichen: Wie läuft das im Bereich eCommerce, also sprich im Online-Handel, verglichen mit journalistischen Produkten? Und da gibt es Unterschiede, die hier gerade erläutert werden."
Coaching kostet Facebook zwei Millionen Dollar
Der Ausgangspunkt für dieses Training ist die Erkenntnis bei Facebook, dass es lokalem Journalismus schwer falle, auf das Internet umzusteigen. So zumindest erklärte es Facebook-Chef Mark Zuckerberg Ende März in einem Videogespräch mit Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner am Rande Berlins: "Ich hoffe, dass wir den Lokaljournalismus dabei unterstützen können, den Vertrieb und die Modernisierung nachhaltiger zu gestalten."
Facebook ist das Coaching der deutschsprachigen Lokalpresse zwei Millionen Dollar wert.
Guido Bülow, verantwortlich bei Facebook für strategische Zusammenarbeit mit Verlagen: "Darüber hinaus gibt es dann nach den zwölf Wochen Fördermittel in Höhe von 50.000 Euro, die dann über das International Center for Journalists an die jeweiligen Verlage ausgeschüttet werden, nachdem sie mit ihren Coaches Konzepte abgestimmt haben, die Lösungen hervorbringen."
Herausforderung Zahlungsbereitschaft
Dieses Investment durch Facebook ist natürlich nicht selbstlos. Allerdings so, Guido Bülow, sei das Engagement für die Lokalpresse nicht nur einer Imagepflege geschuldet. Dahinter stecke die Erkenntnis, dass klassische Medien und Online-Plattformen, die mit Informationen Geld verdienen, in einem Boot sitzen.
Facebook-Stratege Guido Bülow: "Lokalmedien sind uns aus dem Grunde wichtig, weil Lokalmedien extrem zum Zusammenhalt von Menschen beitragen. Die berichten von vor Ort von dem, was in meiner Umgebung passiert, und das bringt Menschen zusammen. Das ist auch eine unserer Zielsetzungen."
Win-Win. Das bestätigten alle zufällig angesprochenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Auch Catharina Männel von den "Ruhrnachrichten", die sich besonders dafür interessiert, wie man als Lokalblatt online Geld verdienen kann.
"Die Leute sind nicht bereit, Geld für Inhalte in die Hand zu nehmen und das ist eigentlich die größte Herausforderung, die wir haben. Deswegen war das einfach für mich total spannend nochmal zu sehen, welche Möglichkeiten gibt es überhaupt, beispielsweise indem man den Kunden im Monat 'Free-Artikel' zur Verfügung stellt, eine gewisse Anzahl an, keine Ahnung, fünf Artikeln und der sechste Artikel, der mit dem Plus gekennzeichnet ist, da muss man Geld für bezahlen."
"Erst machen, dann um Vergebung bitten"
Kai Gohlke, stellvertretender Chefredakteur von den "Oberpfalz Medien" in Weiden: "Unsere wichtigste Erkenntnis war, dass E-Mail-Marketing, E-Mail-Newsletter das wichtigste Werkzeug sind, um Bezahlmodelle im Internet aufzubauen, zu promoten."
André Kittelberger, "Stuttgarter Zeitung": "Da gab es dieses Sprichwort, dass es einfacher ist, einfach etwas zu tun und damit anzufangen und danach um Vergebung zu bitten, anstatt vorher zu fragen: 'Darf ich das überhaupt?' Also einfach ins Tun zu kommen, Dinge zu tun und nicht vorher lange zu diskutieren: 'Geht das? Können wir das?' Und dann einfach mit dem Ergebnis auch schon eine Bewertung zu haben."
Seminarziel erfüllt. Denn das war in der Tat die Aufgabe des Tages: die Workshop-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer zu animieren, bei sich zu Hause einen kulturellen Wandel anzustoßen. Ob die Facebook-Maxime "Erst machen, dann um Vergebung bitten" in Europa immer so funktioniert, wird man garantiert bei Mark Zuckerberg weiter beobachten können.