An Selbstbewusstsein mangelt es Jan Möllendorf nicht. Der 51-Jährige aus Erlangen führt eine mittelständischen Firmengruppe mit 300 Beschäftigten. Doch wenn er Post aus den USA von der Steuerbehörde IRS bekommt, wird er unruhig und kann seinen Ärger nur mühsam zügeln.
"Wir haben nie Thanksgiving gefeiert. Wir haben keinen Zugang zur amerikanischen Kultur. Und auf einmal hält jemand die Hand auf und will vom mir Geld haben, obwohl ich mit denen in überhaupt keiner Beziehung war."
Eine lustige Party-Anekdote - bis jetzt
Möllendorf wurde 1968 in Seattle geboren, weil sein Vater seinerzeit als deutscher Ingenieur bei Boeing arbeitete. Nach ein paar Jahren kehrte die Familie zurück nach Deutschland. Möllendorf ging hier zur Schule, leistete seinen Wehrdienst, studierte und zahlte immer seine Steuern - in Deutschland.
"Ich war, übrigens, auch immer nur als Tourist in den USA. Ich habe nicht ein einziges Mal in irgendeiner Form irgendeinen Nutzen von der Staatsbürgerschaft gehabt - außer, dass ich auf Partys eine lustige Geschichte zu erzählen hatte."
Ungewollter Nebeneffekt einer Reichenbesteuerung
Fünf Buchstaben bringen ihn auf die Palme: FATCA. Das steht für: Foreign Account Tax Compliance Act, also in etwa: Gesetz zur Steuererklärung ausländischer Konten. Damit wollte die Obama-Administration 2010 reichen Amerikanern auf die Spur kommen, die ihr Vermögen im Ausland - vorzugsweise in Steueroasen - vor dem US-Fiskus zu verstecken versuchten.
Doch jetzt stellt sich heraus: FATCA hat einen ungewollten Beifang. Auch unbescholtene Deutsche mit US-Zweitpass geraten ins Netz der Steuerverwaltung; denn 2013 beschloss der Bundestag, den USA quasi "Amtshilfe" zu leisten, sagt der Bochumer Steuer-Professor Roman Seer.
"Aufgrund dieses FATCA-Abkommens muss die Bundesrepublik Deutschland die in Deutschland ansässigen Banken verpflichten, nach amerikanischen Staatsbürgern ihre Konten zu sichten und diese dem Bundeszentralamt für Steuern in Bonn zu melden, damit die dann diesen Datensatz einmal im Jahr den Amerikanern zur Verfügung stellen."
Banken kündigen Kunden, um Aufwand gering zu halten
Doch das ist aufwendig, die Künden müssen kontaktiert werden. Und: Den Banken sitzt die Zeit im Nacken. Spätestens bis zum 31. Dezember dieses Jahres müssen sie den US-Behörden die Kundendaten "geliefert" haben. Um den Aufwand möglichst gering zu halten, kündigen einige Geldhäuser nun einfach selbst langjährigen Kunden die Konten. So heißt es in einem Schreiben der Commerzbank:
"Die Commerzbank hat sich entschieden, das Wertpapiergeschäft mit Personen, die einen Bezug zu den USA besitzen, weitgehend einzustellen. Hintergrund sind umfangreiche rechtliche Vorschriften in den USA. Die Commerzbank ist als internationale Geschäftsbank dazu verpflichtet, diese geltenden Regelungen zu beachten."
"Die meisten Leute sind komplett im Stress"
Davon betroffen sind sogar die existentiell wichtigen Girokonten. Daan Durlacher, ein Niederländer mit US-Zweitpass, kennt zahlreiche Fälle.
"Wir bekommen täglich zehn und mehr Meldungen von Betroffenen, wo eine deutsche Bank das Bankkonto schließt. Die US-Steuerpflicht zu erfüllen, ist sehr kompliziert. Dazu braucht man unbedingt professionelle Hilfe. Und das kostet Geld. Die meisten Leute, mit denen wir sprechen, sind komplett im Stress, schlafen schlecht und sind sehr verunsichert."
Durlacher leitet eine Selbsthilfegruppe von "Zufalls-Amerikanern" und organisiert den Widerstand. Dort suchte auch Catherina Stauch aus Düsseldorf Hilfe - geboren vor 62 Jahren "zufällig" in Knoxville, Tennessee.
"Manchmal ergreift mich die Panik, weil ich denke, ich schaffe das alles nicht. Ich muss das mit der amerikanischen Steuerkanzlei regeln; ich muss das mit den Konten regeln, die ich offenzulegen habe; es kostet viel Geld. Ich weiß nicht, was auf mich zukommt. Es ist einfach nur Panik und Beeinträchtigung des Alltags."
Betroffene fordern Hilfe von der Politik
Anders als in Holland und Frankreich seien die "Zufalls-Amerikaner" in Deutschland überhaupt kein Thema, wundert sich Daan Durlacher. Er fordert von der Politik, dass sie ihren Bürgern jetzt hilft.
"Zuerst müssen die deutschen Politiker sich bewusst sein, dass eine große Anzahl deutscher Staatsbürger und Steuerzahler hier durch einen Fehler Opfer sind und Geisel sind für ein Gesetz, das nicht gemacht wurde für diese Zielgruppe. Also, neue Verhandlungen mit den USA müssen da anfangen. Der Effekt von FATCA für diese Gruppe war nicht geplant und soll also repariert werden."
Auch die Staatsbürgerschaft aufzugeben ist kostspielig
Unternehmer Jan Möllendorf aus Erlangen wird jetzt rückwirkend seine Steuern in den USA erklären. Anschließend gibt er vielleicht seine Staatsbürgerschaft ab. Was ebenfalls Zeit und Geld kostet. Möllendorf fühlt sich manchmal, als hätte er eine seltene Krankheit.
"Die Menschen mit seltenen Krankheiten haben ja das Problem: Alle sagen: 'Oh, du Armer!' Aber keiner kümmert sich drum, weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt in dem Fall."
Catherina Stauch will weiterkämpfen, vor allem gegen die Praxis der Banken. Denn ein Girokonto zu besitzen, sagt sie, sei schließlich ein Grundrecht für jedermann.