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Oligarchen und Medien in der Ukraine
Achmetow gibt Mediengeschäft auf

Der einst reichste Mann der Ukraine, Rinat Achmetow, gibt seine Medien-Lizenzen ab und rüttelt damit die ukrainische Medienlandschaft auf. Grund dafür ist nicht allein das Anti-Oligarchie-Gesetz, sondern auch die Art, wie Oligarchen Medien für ihre Zwecke nutzen.

Text: Pia Behme | Denis Trubetskoy im Gespräch mit Bettina Schmieding |
Der ukrainische Unternehmer und Oligarch Rinat Leonidowytsch Achmetow steigt in ein Auto. Er verlässt nach einem Gespräch mit dem damaligen Bundesaußenminister Steinmeier (SPD) am 13.05.2014  die Residenz des deutschen Botschafters in Kiew.
Wie groß Achmetows Vermögen derzeit ist, ist schwer einzuschätzen. (picture alliance / dpa | Bernd von Jutrczenka)
"Ein Erdbeben in der ukrainischen Medienwelt", schreibt der freie Journalist Denis Trubetskoy auf Twitter, nachdem Rinat Achmetow, einst der reichste Mensch der Ukraine, ankündigte, die Lizenzen seiner Mediengruppe Media Group Ukraine an den Staat zu übertragen.

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Wer sind Rinat Achmetow und die Media Group Ukraine?

Das Vermögen von Rinat Achmetow wurde auf mehr als vier Milliarden Euro geschätzt. Ob er noch immer der reichste Ukrainer ist, ist derzeit schwer zu sagen. Zu seiner Beteiligungsgesellschaft System Capital Management (SCM) gehören über 100 Unternehmen aus der Stahl- und Kohleindustrie. Darunter auch das Asow-Stahlwerk, das derzeit unter russischer Kontrolle ist. "Achmetow hat durch diesen Krieg viel verloren, deswegen können wir nicht einschätzen, wie viel Vermögen er noch hat”, so Trubetskoy, der aus der Ukraine berichtet.
Die Holding SCM besitzt auch die Media Group Ukraine (MGU). Zu der Mediengruppe gehören elf Fernsehsender, die Nachrichtenseite "Segodnya.ua" und der Online-TV-Service "OLL.TV". "Es gibt viele verschiedene Medien in der Ukraine, aber der Fernsehsender Ukraina und der Nachrichtensender Ukraine 24 - beide von Achmetow - waren schon Marktführer", so die Einschätzung von Trubetskoy. Die Beziehung zwischen dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj und Rinat Achmetow war zuletzt konfliktbehaftet - auch wegen des Anti-Oligarchie-Gesetzes.

Warum gibt Achmetow die Lizenzen ab?

Rinat Achmetow schreibt in einem öffentlichen Statement von einer "unfreiwilligen Entscheidung", seine Investmentgesellschaft SCM aus dem Mediengeschäft aussteigen zu lassen. Er verweist auf das neue ukrainische Anti-Oligarchie-Gesetz, das reiche Unternehmer in ein Oligarchen-Register aufnehmen und ihren politischen Einfluss beschränken soll.

Der ukrainische Präsident hat das Anti-Oligarchie-Gesetz im November 2021 unterschrieben. Demnach gelten Personen, auf die mindestens drei der folgenden Kriterien zutreffen, als Oligarchen:
  1. Teilnahme am politischen Leben
  2. Einfluss auf Medien
  3. Monopolisten in einer Wirtschaftsbranche
  4. Gesamtvermögen von umgerechnet 70 Millionen Euro oder mehr

Wer als Oligarch oder Oligarchin eingestuft wird, darf politische Parteien nicht unterstützen, nicht an Privatisierungen teilnehmen und muss die eigenen Vermögenswerte offenlegen.

Die Kriterien des Anti-Oligarchie-Gesetzes treffen auf Achmetow zu. Seine Entscheidung, die Lizenzen abzugeben, hängt allerdings an komplexeren Strukturen als dem Gesetz allein und hat damit zu tun, wie Oligarchen in der Ukraine Medienunternehmen für sich nutzen.

Berichterstattung zu eigenen Gunsten

"Der Grundgedanke, warum Oligarchen Fernsehsender haben, ist natürlich, um die politische Meinung innerhalb des Landes zu beeinflussen", so Denis Trubetskoy. Das passiert laut Taras Fedirko, politischer Anthropologe an der Universität St. Andrews, auf zwei Arten: Zum einen durch lobende oder kritische Berichterstattung und durch die Verbreitung bestimmter politischer Wünsche. 
"Als es zum Beispiel für Achmetow vorteilhaft war, neue Gesetze zu erlassen, die den Export von Schrott aus der Ukraine regeln würden - weil seine Stahlunternehmen Schrott verwenden, wollten sie ihn billiger bekommen - hat sein Fernsehsender Ukraina eine Reihe von ausführlichen Nachrichtenberichten über die Vorteile einer Regelung des Schrottexports gesendet."

Teures Mediengeschäft

Die Medienunternehmen sind allerdings kostspielig und werden aus anderen Unternehmen finanziert. "Wie andere Firmen von Personen, die als Oligarchen bezeichnet werden können, macht auch die Media Group Ukraine Verluste", so Taras Fedirko. "Der CEO von SCM schätzte das Volumen des Fernsehwerbemarktes im Jahr 2021 auf etwa 200 bis 250 Millionen Dollar pro Jahr."
"Im Jahr 2020 erhielt der Medienkonzern von Achmetow Quersubventionen von anderen seiner Unternehmen in Höhe von 290 Millionen Dollar. Die Gesamtsubventionen für die Media Group Ukraine sind also größer als der gesamte ukrainische Werbemarkt, der sich auf 30 bis 35 Fernsehsender verteilt, die auf dem Markt konkurrieren."

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Da wegen des russischen Angriffskrieges die ukrainische Innenpolitik nur eingeschränkt aktiv ist, mache es jetzt wenig Sinn, viel Geld für deren Beeinflussung auszugeben, so Denis Trubetskoy. Insbesondere, da Achmetows Umsätze seit dem 24. Februar deutlich zurückgegangen sein dürften: Das Asow-Stahlwerk ist zerstört. Weitere Produktionen sind stark eingeschränkt.

Was passiert mit den Sendern?

Es werden nicht die kompletten Medienhäuser mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den ukrainischen Staat übergeben, sondern nur die TV- und Print-Linzenzen. Laut Fedirko kann der Staat diese entweder an andere Medien geben oder nichts damit tun. Die Nachrichtenseiten des Konzerns haben ihren Betrieb Dienstag eingestellt.
Mehr als 4000 Menschen arbeiten für die Gruppe. Was mit ihnen passieren wird, ist derzeit noch unklar. "Es ist zu befürchten, dass das alles komplett verloren geht und die Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren", so Denis Trubetskoy.