Archiv


Achterbahnfahrt am Nürburgring

Aus der großen Sause in der Eifel ist nichts geworden. Die rheinland-pfälzische Politik muss sich mit der "Altlast" des Freizeitzentrums am Nürburgring herumschlagen. Das Motto "Der neue Nürburgring – machen sie sich auf was gefasst" klingt längst wie eine Drohung.

Von Ludger Fittkau |
    "Der neue Ring. Machen sie sich auf was gefasst". Das hatte Walter Kafitz, der ehemalige Chef der landeseigenen Nürburgring GmbH, einst versprochen.

    Gemeint war damit der "Ring Racer" – so taufte man die angeblich schnellste Achterbahn der Welt, die am Nürburgring installiert wurde. Von ihr erhofften sich die Betreiber die große Sause, den ultimativen Kick auch neben der Rennbahn.

    Beim Formel-1-Rennen 2009 testete Michael Schumacher den Ringracer:

    "Ui,ui,ui – na beim Formel-1-Rennen war ich eigentlich immer relativ ruhig – hier, ich weiß ja, dass das relativ neu ist das Ganze, ich hoffe, dass das dann auch die Erwartungen erfüllt."

    Die Achterbahn erfüllte trotz Schumachers guter Worte die Erwartungen nicht – wenige Tage nach der Promiprobefahrt wurde das Fahrgeschäft aus technischen Gründen wieder stillgelegt. Bis heute.

    Die Achterbahn ist ein Symbol für das Scheitern des gesamten Freizeitparks. Ex-Ring-Chef Walter Kafitz steht vor dem jetzt beginnenden Prozess gegen ihn längst vor den Scherbenhaufen dessen, was er einmal als "eine Art Lebenswerk" bezeichnet hatte. Als "dritten großen Abschnitt in der Geschichte des Nürburgrings" nach der Gründung der Rennbahn und dem Bau der Grand-Prix-Strecke in den 1980er-Jahren. Kafitz wollte 500 Arbeitsplätze am Ring schaffen, heute sind es nicht einmal 200 – weitere Entlassungen sind angekündigt.

    Wegen seines Missmanagements verlor Walter Kafitz schon Ende 2009 seinen Job als "Chef am Ring". Regulär wäre sein Vertrag noch bis 2014 gelaufen. Walter Kafitz warf nach seiner fristlosen Kündigung seinem früheren Arbeitgeber, der landeseigenen Nürburgring GmbH vor, ihn zum Sündenbock für das Desaster an der Autorennbahn zu machen. Mit einer Klage wollte er eine Million Euro Entschädigung durchsetzen – vergeblich. Nun sitzt Kafitz selbst auf der Anklagebank. Die Nürburgring GmbH will von ihrem ehemaligen Spitzenmanager rund acht Millionen Euro Schadensersatz. Kafitz soll diese Gelder ohne Kenntnis des Aufsichtsrates an Tochterfirmen des Nürburgrings gezahlt und außerdem private Berater honoriert haben, obwohl diese die versprochenen Leistungen nicht erbrachten. Aufgrund dieser Vorwürfe bekam Kafitz die Kündigung.

    Doch trotz dieses Prozesses und anstehender weiterer Entlassungen am Nürburgring hofft der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck auch an der Jahreswende 2011/2012, dass das Freizeitzentrum am Nürburgring langfristig noch ein Erfolg wird:

    "Ich bin zuversichtlich, in fünf Jahren werden alle sagen, bei allem, was es da an Abstrichen gibt, es war gut, dass wir uns engagiert haben in dieser strukturschwachen Eifel und dafür zeichnen sich auch durchaus Wege ab."

    Julia Klöckner, CDU-Oppositionsführerin im rheinland-pfälzischen Landtag, kritisiert den Ministerpräsidenten für solche Äußerungen scharf:

    "Solange die Landesregierung nicht ganz klar sagt, was schiefgelaufen ist, dass sie auch dazu steht, kann man auch nicht neu beginnen. Das ist, als ob sie ein Haus irgendwo drüber bauen wollen, und wissen nicht, ob er unten porös ist oder ob er noch hält."

    Alexander Licht saß 2010 für die CDU-Opposition im Nürburgring-Untersuchungsausschuss des Landtages. Dass nun große Teile des "neuen Nürburgrings" leer stehen und weitere, rund hundert Beschäftigte entlassen werden sollen, sei vorauszusehen gewesen, so Licht.

    "Die sich immer kritisch mit dem Projekt auseinandergesetzt haben, nicht kritisch mit dem Ring, nicht kritisch mit der Rennstrecke, sondern mit dem, was man dort als Freizeitpark errichten wollte, ganzjährig errichten wollte: Da hat man immer gesagt, in der Eifel geht das nicht, dort gibt es Jahreszeiten, einfach naturbedingt, die einen Freizeitpark nicht lukrativ betreiben lassen. Das haben immer wieder die Leute vor Ort, diejenigen, die sich mit den Konzepten beschäftigt haben, behauptet und auch belegbar dargestellt. Man wollte dem nie Glauben schenken, und man hat immer die Augen zugemacht."

    Schon im Nürburgring-Untersuchungsausschuss 2010 sei deutlich geworden, wie stark die Landesregierung beim "neuen Nürburgring" betrügerischen Beratern und Hochstaplern auf den Leim gegangen sei, so die Opposition. All das sei noch nicht ausreichend aufgearbeitet worden. Daniel Köbler, der Landtagsfraktionschef der Grünen, die seit dem Frühjahr 2011 gemeinsam mit der SPD die Regierung bilden, sah den Nürburgring-Skandal noch im Wahlkampf vor genau einem Jahr ganz anders als Kurt Beck noch heute:

    "Sehen sie, beim Nürburgring hat sich die SPD-Landesregierung eindeutig verrannt. Man ist erst Betrügern aufgesessen und jetzt kommt man nur schwer wieder aus der Nummer raus."

    Die Landesregierung versucht jedoch, die jetzt anstehenden Entlassungen und auch eine drohende Insolvenz der heutigen privaten Betreiber am Ring herunterzuspielen.

    Man hofft, schon im nächsten Jahr wieder ein Formel-1-Rennen in die Eifel zu holen, um die Stimmung zu verbessern. Auch Daniel Köbler, Fraktionschef der Grünen im rheinland-pfälzischen Landtag will den Begriff "Massenentlassungen" nicht gelten lassen, von denen die Betreiber und auch die Gewerkschaft Ver.di im Hinblick auf den Arbeitsplatzabbau in der Eifel sprechen:

    "Die Arbeitsplätze am Nürburgring waren in der Höhe immer saisonabhängig. Das war schon immer so, deswegen sind die Zahlen, mit denen die Betreiber jetzt operieren, nichts anderes als eine politische Drohkulisse."

    Welche Managementfehler die nun anstehenden Prozesstermine mit Ex-Nürburgring-Chef Walter Kafitz und wohl bald auch Ex-Finanzminister Ingolf Deubel noch zutage fördern: Die rheinland-pfälzische Politik muss sich mit der "Altlast" des Freizeitzentrums am Ring herumschlagen.
    Aus der großen Sause, die in Eifel versprochen wurde, ist nichts geworden. Das Motto "Der neue Nürburgring – machen sie sich auf was gefasst" klingt heute wie eine Drohung.