Arndt Reuning: Herr Professor Frei, warum haben Sie sich gerade den Reis als Studienobjekt ausgesucht?
Michael Frei: Ja, wir befassen uns mit Reis, weil Reis insbesondere in Asien natürlich das wichtigste Grundnahrungsmittel darstellt. Und eben gerade in Asien beobachten wir zurzeit steigen Ozonkonzentrationen.
Reuning: Woher kommen denn diese hohen Ozonwerte in Asien?
Frei: Na, das liegt natürlich daran, dass erstens weite Teile von Asien extrem dicht bevölkert sind, China, Indien. Und dass eben diese Regionen auch sehr stark ökonomisch wachsen, was natürlich einhergeht mit erhöhter Luftverschmutzung. Ozon wird nicht direkt ausgestoßen von Autos oder von Fabriken, sondern es werden Stickoxide oder Kohlenmonoxid emittiert und daraus entsteht unter Sonneneinstrahlung bei hohen Temperaturen Ozon.
Ertragseinbußen bis zu 40 Prozent
Reuning: Sie haben sich nun im Treibhaus, unter kontrollierten Bedingungen, angeschaut, welchen Schaden Ozon bei Reis anrichten kann. Sie haben über 300 Sorten der Pflanze dem Gas ausgesetzt und dann verglichen mit Pflanzen, die nicht unter dem Ozon Einfluss standen. Was haben Sie da beobachtet?
Frei: Also, wir beobachten einmal die Bildung von Blattsymptomen. Es bilden sich auf den Blättern braune Punkte sozusagen, das sind Symptome von oxidativem Stress. Und dann beobachten wir geringere Biomasse und letztlich auch niedrigere Kornerträge. Wir haben also beobachtet, dass bei manchen Sorten bis zu 30 oder 40 Prozent weniger Reisertrag anfällt als unter Kontrollbedingungen. Im Durchschnitt haben wir 20 Prozent weniger Reisertrag gemessen, bei einer Ozonkonzentration wie sie durchaus in Asien heutzutage schon vorkommt.
Reuning: Aber sehe ich das richtig: Unterschiedlichen Reissorten reagieren auch auf unterschiedliche Weise auf Ozon?
Frei: Richtig. Also manche Sorten zeigen einen sehr starken Ertragsverlust. Andere überhaupt nicht. Manche haben sogar mehr Ertrag geliefert in der Ozonbehandlung als unter Kontrollbedingungen.
Reuning: Könnte man jetzt also diejenigen Sorten heraussuchen, die offenbar eine hohe Toleranz gegenüber Ozon besitzen und nur noch diese anbauen?
Ozontolerante Sorten als Überbrückungsmaßnahme
Frei: Ja, das könnte man natürlich machen, aber häufig handelt es sich dabei eben um alte Landsorten, beispielsweise, die zwar tolerant sind gegenüber Ozon, aber sonst auch viele Merkmale aufweisen, wie man in modernen Sorgen nicht haben möchte. Beispielsweise, dass sie extrem viel Stroh produzieren und wenig Korn, oder dass sie extrem hoch wachsen und deswegen anfällig sind für Umknicken, oder dass sie das Korn leicht verlieren, so dass also bei der Ernte Verluste auftreten. Diese Eigenschaften wollen wir natürlich nicht, sondern wir wollen nur diejenigen Gene isolieren, aus solchen Sorten, die Ozontoleranz bewirken.
Reuning: Das heißt, man könnte, wenn man die Gene kennt, gezielt auf solche Erbanlagen hinzüchten?
Frei: Richtig, man könnte also jetzt beispielsweise so eine Landsorte kreuzen mit einer modernen Sorte und dann über viele Rückkreuzungsschritte sozusagen alle diejenigen Teile des Genoms heraus züchten, die man nicht möchte, und nur gezielt diejenigen Segmente einzüchten, die eben nur zur Toleranz bewirken.
Reuning: Aber wäre es nicht sinnvoller gegen die Quelle des Ozons vorzugehen, also die Luftverschmutzung in diesen Ländern wie etwa Indien und China zu bekämpfen?
Frei: Das ist absolut richtig und das wird bestimmt irgendwann auch passieren, allerdings wird es mit Sicherheit nicht vor Mitte des 21. Jahrhunderts passieren. Das sagen also alle Vorhersagemodelle, dass aufgrund des Bevölkerungswachstums, aufgrund des wirtschaftlichen Wachstums in Asien mit Sicherheit bis Mitte des 21. Jahrhunderts noch mit steigenden Ozonkonzentration zu rechnen ist. Und diese Zeit, während der ja auch die Bevölkerung sehr stark wächst, glauben wir, kann gut überbrückt werden, indem wir tolerantere Reissorten anbauen.