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Ostdeutschland
Wenn der Investor den Acker besitzt

Viel Fläche und große Betriebe: Das macht die Landwirtschaft in Ostdeutschland für branchenfremde Investoren interessant. Doch die Jagd nach hohem Profit geht oft auf Kosten der Dörfer. Mit der Energiewende ist die Konkurrenz noch schärfer geworden.

Mähdrescher und Transportfahrzeug auf einem Getreideacker
Ernte auf einem Getreidefeld bei Halberstadt in Sachsen-Anhalt (picture alliance / dpa / Matthias Bein)
In Ostdeutschland überwiegen die großen Agrargenossenschaften, die zum Teil mehrere tausend Hektar bewirtschaften. Das ist ein Erbe der DDR: Die früheren LPGs (Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften) sind heute Betriebe mit landwirtschaftlicher Fläche, in die man sich einkaufen kann. Immer mehr Investoren, die nichts mit Landwirtschaft zu tun haben, machen das: Versicherer, Möbelkonzerne, Immobilien-Unternehmen und auch der Lebensmittel-Discounter Aldi sind auf dem ostdeutschen Agrarmarkt vertreten. Laut einer Studie des Thünen-Instituts, der Bundesforschungseinrichtung für Ländliche Räume, besaßen überregional aktive Investoren zwischen 2007 und 2017 die Mehrheit des Kapitals in mehr als jedem dritten Agrarunternehmen.

Inhaltsverzeichnis

Warum ist der Kauf von Ackerland für Investoren so attraktiv?

Nach der Finanzkrise von 2008 suchten Investoren nach neuen Anlagemöglichkeiten und wurden fündig: mit dem Einkauf in ostdeutsche Agrarunternehmen. Diese Nachfrage hat den Markt stark verändert: Allein in den letzten zehn bis 15 Jahren verdreifachten sich die Bodenpreise zum Beispiel in Sachsen-Anhalt.
Durchschnittlich 280 Euro gibt es für deutsche Höfe pro Hektar und Jahr aus dem Topf der Brüsseler Agrarsubventionen, mit bisher eher laxen Umweltauflagen. Das macht bei 1.000 Hektar Land 280.000 Euro Grundertrag, den man von der EU bekommen kann.

Welche Gesetzeslücke nutzen die Investoren?

Eigentlich regelt das Grundstücksverkehrsgesetz Ackerlandverkäufe. Ein Verkauf wäre demnach genehmigungspflichtig. Doch dieses Gesetz kommt bei vielen Verkäufen nicht zur Anwendung. Denn wer nicht das Land selbst, sondern Anteile an einem Agrarbetrieb kauft, braucht keine Genehmigung. Gängige Praxis ist es, bei sogenannten „Share Deals“ nur knapp 95 Prozent der Betriebsanteile zu erwerben. Dann müssen die Käufer der Agrarbetriebe noch nicht einmal Grunderwerbssteuer zahlen.

Wer profitiert bei Verkäufen und wer geht leer aus?

Der Verkauf von Landwirtschaftsbetrieben an große Investorengesellschaften bedeutet für die Menschen in den Dörfern: Diejenigen, die ihre Betriebsanteile verkaufen, werden reich. Hingegen können (Bio-)Bauern mit kleineren Betrieben, die ihre Fläche vergrößern möchten, bei den von Investoren gezahlten Millionensummen nicht mithalten. Immer wieder gibt es zwar Agrargenossenschaften, in denen die alten Beteiligten ihren Betrieb verkaufen wollen. Aber dann stehen die Genossenschaftler vor der Frage, welcher Bauer vor Ort den Betrieb als Ganzes übernehmen könnte und damit das wirtschaftliche Risiko.

Welche neue Konkurrenz ist durch die Energiewende entstanden?

Die Situation verschärft hat der massive Ausbau der erneuerbaren Energien. Mit dem Boom der Freiflächen-Photovoltaikanlagen ist der Kauf von Ackerboden noch attraktiver geworden. Das Bundeswirtschafts- und Klimaministerium will mit einem Gesetzespaket den Ausbau der Solarenergie beschleunigen: vor allem auf Dächern, auf versiegelten Flächen, aber eben auch auf dem Acker. Langfristig könnte bis zu ein Prozent der landwirtschaftlichen Fläche für Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen freigegeben werden. Für Sachsen-Anhalt hieße das: Bis zu 10.000 Hektar Ackerland würden für Stromproduktion statt für Nahrungsmittelanbau genutzt werden.

Wie lässt sich verhindern, dass Investoren so viel Land aufkaufen?

Eine Reform des Bodenmarkts ist in Ostdeutschland schon seit Jahren ein Thema, vor allem in Sachsen-Anhalt. Aber auch Brandenburg, Thüringen und Sachsen wollen bald Gesetzesentwürfe in Sachen Agrarstruktur vorlegen. Der erste Politiker, der sich daran versucht hat, ist Hermann Onko Aeikens. Der CDU-Politiker war Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt und später Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium. Das Magdeburger Landwirtschaftsministerium konzipierte 2015 ein Agrarstrukturgesetz mit dem Ziel, den Einfluss branchenfremder Investoren in der Landwirtschaft zu begrenzen. Doch kurz vor den Landtagswahlen scheiterte das Gesetz auch am Widerstand des Bauernverbands, der einen zu großen Eingriff ins Eigentumsrecht kritisierte.

Landgrabbing

Fünf Jahre nach diesem ersten Regulierungsversuch gab es einen neuen Anlauf von CDU, SPD und Grünen. Das Konzept sah eine Genehmigungspflicht für Anteilskäufe bei Betrieben vor, die mehr als 250 Hektar Land im Eigenbesitz haben. In solchen Fällen können die Behörden aus zwei Gründen einschreiten: Entweder wenn Investoren für Betriebsanteile mehr als 20 Prozent über dem üblichen Marktwert bezahlen oder wenn sich durch den Kauf ein bestimmender Einfluss auf die Agrargenossenschaft ergibt. Aber auch dieses Gesetz scheiterte 2021 kurz vor der Landtagswahl. So bleibt der Agrarmarkt in Sachsen-Anhalt auf absehbare Zeit unreguliert und damit attraktiv für Investoren.

Niklas Ottersbach