Acrylamid gilt unverändert als "wahrscheinlich krebserregend beim Menschen". In der EU existieren deshalb Richtwerte für den Höchstgehalt, etwa in Kartoffelchips. Er wurde kürzlich abgesenkt. Pro Kilogramm sollten die Knabberprodukte demnach nicht mehr als 750 Mikrogramm Acrylamid enthalten. Doch es gibt eine neue Produktgruppe auf dem Markt, die diesen Schwellenwert plötzlich wieder überschreitet, und das in vielen Fällen - Gemüsechips.
"Nicht die Kartoffel ist da das Ausgangsprodukt, sondern zum Beispiel Rote Bete, Pastinaken, Karotten. Und die werden eben frittiert oder gebacken wie Kartoffelchips auch. Schmecken auch lecker wie Kartoffelchips. Also da kann man gar nichts sagen."
Was Carmen Breitling-Utzmann aber bemängelt, sind die hohen Acrylamid-Gehalte der frittierten Gemüsescheiben. In diesem und im vergangenen Jahr untersuchte die Lebensmittelchemikerin insgesamt 200 Proben aus dem Handel. Das Sondermessprogramm lief am Chemischen Untersuchungsamt Stuttgart.
"Die Acrylamid-Gehalte waren im Vergleich zu handelsüblichen Kartoffelchips sehr hoch. Und zwar waren sogar die Durchschnittsgehalte in allen untersuchten Gemüsechips-Produkten über dem Richtwert von 750 Mikrogramm pro Kilogramm."
Besonders in Süßkartoffel und Karotte
Manche Gemüse-Sorten sind dabei offenbar stärker belastet als andere.
"In der Regel kriegen Sie ja gemischte Päckchen. Und wir haben die dann auseinander sortiert, die Gemüsesorten. Und haben eben festgestellt, dass Rote Bete und Pastinake noch relativ moderat über dem Richtwert liegen, aber gerade bei Süßkartoffel und bei Karotte Sie sehr hohe Acrylamid-Gehalte bekommen haben. Die Spitzenwerte? Ich glaube, bei der Karotte waren wir bei fast 4.000 Mikrogramm pro Kilogramm."
Woran kann das liegen? Acrylamid bildet sich immer dann, wenn in stärkereichen Lebensmitteln wie Kartoffeln zwei Inhaltsstoffe vorhanden sind: die Aminosäure Asparagin und sogenannte reduzierende Zucker. Das können zum Beispiel Glukose oder Fruktose sein. Wird dann bei über 150 oder 160 Grad Celsius gebacken oder frittiert, entsteht aus Asparagin und den Zuckern das mutmaßliche Krebsgift.
"Und zwar haben wir dazu auch noch mal selber Backversuche durchgeführt und auch die Ausgangsstoffe untersucht. Und haben festgestellt, dass gerade Süßkartoffel und Karotten wesentlich mehr von den sogenannten reduzierenden Zuckern enthält als eben zum Beispiel die Rote Bete."
Backanleitungen im Internet
Gemüsechips kann man sich auch selbst backen, im eigenen Ofen. Im Internet kursieren dazu haufenweise Anleitungen.
"Wenn Sie in Google einfach nur 'Gemüsechips-Rezepte' eingeben, kriegen Sie auf den Schlag hunderttausend Treffer."
Auch das hat die Arbeitsgruppe von Carmen Breitling-Utzmann untersucht: Wie viel Acrylamid nimmt man mit Gemüsechips auf, die man nach solchen Rezepten selbst herstellt?
"Wir haben das dann auch bei uns im Labor nachgestellt, mit einem ganz normalen Backofen. Und da waren wir sehr erstaunt. Es hat sich bestätigt, was wir in den Handelsprodukten gesehen haben: Gerade Karotte und Süßkartoffel waren sehr auffällig."
Ja, sogar noch viel auffälliger als die Gemüsechips aus dem Supermarkt. In den selbstgebackenen Ofen-Snacks lag die Spitzenkonzentration fast 20fach über dem Richtwert für Kartoffelchips.
Vergolden statt verkohlen
"Wobei: Die waren dann tatsächlich schon leicht verbrannt. Aber es waren durchaus Produkte dabei, die gut geschmeckt haben, aber schon vielleicht den fünffachen Gehalt des Richtwertes enthielten."
Den Gemüsechips-Herstellern seien die Messergebnisse bekannt. Sie müssten jetzt Maßnahmen ergreifen, um den Acrylamid-Gehalt ihrer Produkte abzusenken.
Wer knusprige Süßkartoffel- oder Karottenscheiben weiter selbst im Ofen backen möchte, für den hat die Lebensmittelchemikerin einen gutgemeinten Rat:
"Dass die Scheiben nicht zu dünn sind. Dann verbrennen sie viel schneller. Und dass ich auch mit der Temperatur nicht zu hoch gehe, also dass ich vielleicht so bei etwa 130, 140 Grad bleibe. Vergolden statt verkohlen."