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Acrylamid - keine Entwarnung aber weniger Gefahr

Im Frühjahr 2002 hatten schwedische Wissenschaftler Acrylamid in verschiedenen Lebensmitteln nachgewiesen. Es entsteht beim Verarbeiten - also beim Backen, Braten und Frittieren. Deswegen wurde der Stoff damals vor allem in Pommes Frites, Kartoffelchips und Brot gefunden. Jetzt hat das Bundesamt für Verbraucherschutz untersucht, was sich seit dem ersten Auftreten von Acrylamid geändert hat.

Von Susanne Kuhlmann |
    Die meisten Kartoffelchips enthalten heute nur noch halb so viel Acrylamid wie damals, als das Problem bekannt wurde. Der Marktführer Intersnack hat seitdem seinen Produktionsprozess verändert. Das fängt schon beim Auswählen der Kartoffelsorten an, sagt Dr. Rolf Nilges aus der Forschungsabteilung:

    "Bei der frischen Kartoffel setzen wir heute andere Kartoffelsorten ein als noch vor vier Jahren. Wenn wir allerdings sehen, dass wir noch weiter mit den Zuckergehalten nach unten wollen, setzt das eine gezielte Züchtung neuer Kartoffelsorten voraus, wobei Sie diese neue zugelassene Kartoffelsorte dann noch an die Anbaubedingungen auf den Standorten anpassen müssen. "

    Es kommt also darauf an, möglichst zuckerarme Sorten zu verarbeiten. Bis ganz neue Züchtungen zur Verfügung stehen, vergehen allerdings ungefähr zehn Jahre. Vorerst behilft man sich damit, Zucker und Aminosäure mit Wasser aus den Kartoffeln auszuwaschen.

    Frittiert wird dann mit Fett, das 20 bis 25 Grad weniger heiß ist als früher. Die Friteusen haben ein verändertes Programm für den Verlauf der Temperatur.

    "Dabei kommt es darauf an, am Ende des Frittiervorganges, wenn das Produkt schon relativ trocken ist, die niedrigen Temperaturen zu haben und so den Acrylamidgehalt zu senken. "

    Der Marktführer bei Kartoffelchips arbeitet nach dem so genannten Minimierungskonzept, entwickelt vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL. Das ist eine freiwillige Vereinbarung, der sich viele Hersteller von Kartoffelchips, Backwaren und Brot unterworfen haben. Erfolge zeigen sich nicht nur bei Kartoffelchips. Dr. Christian Grugel, Leiter des BVL:

    "Wenn Sie sich den Bereich der Kekse für Säuglinge und Kleinkinder anschauen, dann stellen Sie dort praktisch keine höheren Acrylamidkonzentrationen mehr fest, weil alle Hersteller größten Wert darauf legen, sehr, sehr sichere Lebensmittel anzubieten. Das zeigt eben auch, was technisch möglich ist. "

    Die Hersteller sollen alle Möglichkeiten nutzen, um den Acrylamidgehalt ihrer Produkte zu senken. Das steckt hinter dem Minimierungskonzept. Gemeint sind damit unter anderem auch Veränderungen beim Backen von Knäckebrot. Streut man zum Beispiel Krümel, die vom vorherigen Backvorgang übrig geblieben sind, auf den Teig, der als nächstes in den Ofen kommt, steigen die Acrylamidwerte. Die Krümel sind sehr trocken, und dann bildet sich mehr von der unerwünschten Substanz. Verzichtet man auf die Krümel, liegt der Acrylamidgehalt deutlich niedriger.

    Die Lebensmittelüberwacher der Bundesländer können relativ einfach kontrollieren, ob Hersteller sich nach dem Konzept richten. Sie messen einfach die Temperatur des Ofens oder des Frittierfetts. Es hat sich in den vergangenen Jahren also einiges verbessert. Wie gefährlich Acrylamid belastete Lebensmittel tatsächlich sind, ist aber immer noch nicht abschließend geklärt, sagt Christian Grugel.

    "Wissenschaftlich gesichert ist, dass Acrylamid im Tierversuch Krebs auslösen kann. Inwieweit diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, das ist noch offen, und insofern ist die wissenschaftliche Bewertung zu Acrylamid nicht völlig abgeschlossen. Unabhängig davon müssen wir vor dem Hintergrund eines vorsorgenden Verbraucherschutzes natürlich die Maßnahmen ergreifen, mit denen wir Acrylamid im Lebensmittel reduzieren können. "

    Wann es verbindliche Vereinbarungen für Hersteller geben wird, auch für solche, die im Ausland arbeiten und den deutschen Markt beliefern, ist noch völlig offen. Bis dahin bleibt den Verbrauchern nur Eigeninitiative. Auf Verpackungen findet man zwar keine Information über Acrylamid, wohl aber Adresse oder Telefonnummer des Herstellers - zum Nachfragen.

    Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Acrylamid in Lebensmitteln