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Action-Videospiel
"Mafia III" will Rassismus erfahrbar machen

Die Gamescom in Köln gilt als Leistungsschau der Industrie. Die großen Blockbusterspiele wurden auf der Computerspielmesse gefeiert und die funktionieren alle nach Schema-F. Der typische Computerspielheld ist nahe zu immer weiß. Doch nun traut sich ein Titel, von dieser Regel abzuweichen.

Von Christian Schiffer | 22.08.2016
    Besucher warten auf der Gamescom 2016 darauf, das Spiel "Mafia III" anspielen zu können. Der Hauptcharakter in Mafia III ist ein Afroamerikaner im New Orleans der 1960er-Jahre.
    Besucher warten auf der Gamescom 2016 darauf, das Spiel "Mafia III" anspielen zu können. Der Hauptcharakter in Mafia III ist ein Afroamerikaner im New Orleans der 1960er-Jahre. (imago / Rüdiger Wölk)
    Ganz zwölf Jahre ist es schon her, da erscheint Carl Johnson auf der Bildfläche, besser bekannt als CJ, und wird gleich mal verhaftet. CJ ist ein liebenswürdiger Gangster und die Hauptfigur im Computerspiel "GTA: San Andreas". CJ hat Ecken und Kanten - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Er wurde zusammengesetzt aus groben Polygonen, die Technik ist Anfang der Nullerjahre noch nicht so weit, ihn mit feingliedrigen Gesichtszügen auszustatten, aber auch so kann jeder sehen: CJ ist schwarz..
    Und so schreibt CJ Computerspielgeschichte: als allererster farbiger Hauptcharakter in einem Blockbusterspiel. CJ wird über die Jahre Kult, heute noch taucht er häufig auf Listen auf, die die beliebtesten Computerspielfiguren aufzählen. "GTA: San Andreas" bricht seinerzeit alle Verkaufsrekorde. Trotz allem bleibt CJ lange Zeit ein Unikum. Schwarze Menschen haben es seither nur selten zu tragenden Rollen in Computerspielen gebracht.
    Auswirkungen auf das Spielerlebnis
    Doch nun ist es wieder so weit: Das Actionspiel "Mafia III" lässt den Spieler wieder in die Rolle eines schwarzen Hauptcharakters schlüpfen. Zusätzlich interessant: Die Handlung versetzt den Spieler in die 60er-Jahre, in die Südstaaten. Das wiederum hat Auswirkungen auf das Spielerlebnis, sagt Matthias Worch. Er arbeitet seit Jahren als Gamedesigner in den USA und war an der Entwicklung von "Mafia III" beteiligt.
    "Als Schwarzer oder Halbschwarzer in New Orleans in den 60er-Jahren hat man eine ganz andere Erfahrung. Das schlägt sich ganz einfach darin nieder, dass Leute einem anders begegnen, das Leute auf der Straße ein bisschen mehr Abstand halten, dass Schimpfwörter fallen und solche Geschichten passieren. Man muss sicherstellen, dass der Zeitrahmen und die Umgebung entsprechend berücksichtigt wird."
    Zum Beispiel wird man beschimpft, wenn man als Afroamerikaner in einem Weißen-Viertel auftaucht. Das muss man zwangsläufig, denn Lincoln Clay - wie der Hauptcharakter in Mafia III heißt - muss der konkurrierenden italienischen Mafia immer wieder einen Besuch abstatten. Fußgänger wechseln dann die Straßenseite und man zieht die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich. Und das kann dramatische Folgen haben.
    Simulierter Rassismus
    Die Macher wollen in ihrem Spiel den Rassismus in den USA der 60er-Jahre quasi simulieren, ein mutiges Unterfangen, gerade jetzt, wo in den USA die Konflikte zwischen Schwarzen und der Polizei wieder eskalieren. Gut möglich, dass die Kernzielgruppe - die vor allem aus Weißen besteht - nicht mit so einer ernsten Thematik konfrontiert werden möchte, wenn das Spiel im Oktober erscheint. Gut möglich aber auch, dass sich "Mafia III" den Vorwurf einhandelt, Rassismus zu trivialisieren und daraus ein schnödes Gameplay-Element zu machen. Matthias Worch wiederum betont, dass das Spiel nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommen will. Stattdessen soll es subtil die Spieler für Rassismus sensibilisieren:
    "Der Grund, warum ich auch nach zwanzig Jahren immer noch Spiele mache und nicht andere Medien machen will, ist die Tatsache, dass man sich in Spielen wirklich in etwas hineinversetzen kann und da wirklich selbst Erfahrungswerte schöpft und das Ganze dann ein bisschen an, nah an nackter Haut also wirklich erfährt. Es bildet Perspektive. Und ich bin sehr froh, dass ich diese Perspektive gewinnen konnte, wenn man das dann das alles herausfindet und sich da so erschließen kann, ist schon Wahnsinn. Und ich behaupte mal, da wird sich niemand dran anstoßen."
    In der Indie-Szene wird schon lange das Potenzial von Computerspielen beschworen, mit ihrer Hilfe andere Lebenswelten nachfühlen zu können. Das, so heißt es, könne uns empathischer machen – und womöglich Rassismus und Diskriminierung entgegenwirken. In den vergangenen Jahren gab es Spiele, in denen man in die Rolle von Transsexuellen schlüpfen konnte oder in die von alleinerziehenden Müttern. Im Indie-Bereich hat sich über die Jahre eine starke Kultur von politischen Spielen herausgebildet. Mit "Mafia III" erreicht diese Kultur nun den Mainstream. Und vielleicht trägt das Spiel so dazu bei, dass CJ aus "GTA: San Andreas" irgendwann nur noch eine schwarze Hauptfigur von vielen in der Geschichte der Computerspiele ist.