Sarah Zerback: Jetzt können wir mal ein bisschen in die Details gehen, und zwar sprechen wir über den wichtigeren der beiden Knackpunkte, über die in der Nacht beraten wurde: die Dieseleinigung. Und zwar mit Alexander Möller. Der ist jetzt am Telefon und ist Geschäftsführer des Automobilclubs ADAC. Guten Morgen, Herr Möller!
Alexander Möller: Guten Morgen, Frau Zerback. Vielen Dank für die Einladung.
Zerback: Vielen Dank, dass Sie mit uns sprechen, auch wenn noch nicht so furchtbar viel bekannt ist an diesem Morgen. Das kann man ja auch nicht immer so voraussehen, wenn man sich zu diesem Interview verabredet. Aber die Einigung, die soll jetzt stehen. Womit rechnen Sie denn? Mit einem Durchbruch, oder einem windelweichen Kompromiss?
Möller: Na ja. Zunächst einmal hat sich die Regierung offensichtlich auf weitere Maßnahmen geeinigt. Soviel wissen wir aus den Pressemeldungen, aus Ihren Berichten, aus den SMS der letzten drei, vier Stunden. Und es ist natürlich für die Verbraucher besser, dass es weitere Maßnahmen gibt. Das begrüßen wir auch. Jetzt wird man heute sich die Details angucken. Es geht offensichtlich ja um zwei Komplexe. Das eine ist neue Angebote, Kaufanreize, mögliche Prämien für Neuwagen oder vielleicht sogar Gebrauchtwagen. Das andere ist natürlich das seit Wochen und Monaten umstrittene Thema der Nachrüstung von auf der Straße befindlichen Dieselfahrzeugen.
"Die Verunsicherung bei den Verbrauchern war zu groß"
Zerback: Das sind die beiden wichtigen Punkte. – Ich bin jetzt gerade trotzdem hellhörig geworden, Herr Möller. Sie haben SMS bekommen. Wissen Sie vielleicht sogar schon mehr als wir hier in Köln?
Möller: Wir haben hauptsächlich deshalb SMS bekommen, wo drinsteht, wir wissen auch nicht mehr. Aber das, was Sie zusammenfassen, ist das, was wir auch hören. Offensichtlich soll es doch einen kleinen Anteil von Steuergeld geben bei der Nachrüstungsfinanzierung und einen großen Anteil der Autoindustrie. Wenn ich Frau Nahles bei Ihnen im O-Ton richtig verstanden habe, dann gibt es noch kein Okay der Autohersteller. Das ist auch verständlich, weil das offensichtlich sehr komplex ist. Wenn die Fraktionsvorsitzende der SPD sagt, das ist eine komplexe Lösung, dann klingt das ein bisschen wie eine Drohung. Aber offensichtlich gibt es eine Lösung und das finden wir gut, denn die Verunsicherung in den letzten Monaten und eigentlich Jahren bei den Verbrauchern war zu groß.
Zerback: Diese Information schreibt jetzt die Deutsche Presseagentur, dass doch ein kleiner Teil durch Steuergeld finanziert werden soll. Jetzt will ich einfach nur noch mal grundsätzlich fragen: Sind Sie denn als ADAC im Team Autofahrer oder im Team Autohersteller?
Möller: Wir sind immer im Team Autofahrer. Aber das ist, glaube ich, jetzt gar nicht die Frage, sondern der ADAC hat dieses Jahr, beginnend letztes Jahr nachgewiesen, dass diese Nachrüstung technologisch möglich ist, nachdem die Hersteller uns zwei Jahre gesagt haben, es ist nicht technologisch möglich. Jetzt haben wir darum gerungen, diese Finanzierung hinzubekommen, weil der ADAC, weil wir immer gesagt haben, es darf keine zusätzliche Belastung der Autofahrer geben, denn die Autofahrer sind nicht diejenigen, die Fahrzeuge auf die Straße gebracht haben, die den Ansprüchen nicht genügen. Offensichtlich hat die Regierung, haben die sie tragenden Fraktionen das auch so gesehen, und das ist ein großer Fortschritt nach vorne. Deshalb werden wir alle gespannt gucken, was heute Mittag rauskommt.
Zerback: Vor allen Dingen, von wieviel Steuergeld wir dann reden.
Möller: Genau!
"Eine Nachrüstung ist technologisch möglich"
Zerback: Das wird ja auch noch mal einen großen Unterschied machen. – Sie sagen jetzt als ADAC, auch Nachrüstungen sind technisch möglich und erfolgreich. Aber daran gibt es ja durchaus Zweifel. Können Sie denn jetzt tatsächlich garantieren, dass durch die Nachrüstungen Fahrverbote in Zukunft vermieden werden?
Möller: Zunächst einmal gab es ja gestern ein bisschen Aufregung um die Aussagen des Betriebsratsvorsitzenden von Porsche, der uns vom ADAC vorgeworfen hat, wir würden keine Garantie für die Hersteller abgeben. Ich will noch mal ganz klar sagen: Nachdem man jahrelang gesagt hat, die technologische Nachrüstung der Dieselfahrzeuge ist nicht möglich, haben wir nachgewiesen aufgrund unserer Tests mit am Markt befindlichen Herstellern, eine Nachrüstung ist technologisch möglich. Diese Zulieferer-Unternehmen haben uns auch zugesichert, dass sie für die gesetzliche Gewährleistung ihrer Produkte geradestehen, und nachdem die Automobilhersteller jetzt diese Lieferanten vollkommen haben auflaufen lassen, jetzt zu sagen, das geht alles garantiemäßig nicht, das ist falsch.
Der zweite Punkt ist, was Sie ansprechen, die Frage der Fahrverbote, verhindern durch Nachrüstung. Wenn wir in die Urteile, die es bisher gibt, gucken, dann ja, wird die Nachrüstung eine große Rolle spielen, um insbesondere in den Städten, um die es geht, Fahrverbote mit zu verhindern. Das ist kein Allheilmittel. Natürlich wäre es am besten, wenn morgen nur noch 6d-Temp-Fahrzeuge, die der neuesten Dieseltechnologie, der sauberen, der wirklich vom Hersteller sauberen Fahrzeuge auf dem Markt sind. Aber wer von uns kann sich heute und morgen so einen Neuwagen sofort leisten, und deshalb kommt es leider auf den Mix der Maßnahmen an. Aber das ist jetzt durch diese Nacht und hoffentlich heute Mittag dann auch klar, dass dieser Mix kommen wird, und das wird die anstehenden Gerichtsentscheidungen – und wir stehen ja vor weiteren Entscheidungen in den nächsten Wochen und Monaten – hoffentlich erleichtern, damit Millionen von Autofahrern nicht ausgeschlossen werden aus den Innenstädten.
Zerback: Das ist aber tatsächlich auch wirklich eine Frage nicht nur von Monaten und Jahren, weil das kann und wird auch – damit rechnen zumindest Experten – ewig lange dauern, bis diese Nachrüstungen dann tatsächlich kommen. Da wird von bis zu drei Jahren gesprochen. Was sollen denn ADAC-Mitglieder, Dieselfahrer in der Zwischenzeit tun?
Möller: Die Experten, die Sie zitieren, die haben uns vor einem Jahr gesagt, die Dieselnachrüstung funktioniert technisch nicht. Deshalb bin ich, obwohl ich nur Jurist bin, in der Bewertung dieser Aussagen immer sehr vorsichtig, ob das jetzt stimmt mit den drei Jahren. Wir brauchen zu dem Thema – und ich hoffe, dass das auch heute Gegenstand dessen ist, was die Fachminister veröffentlichen -, wir brauchen eine Nachrüstrichtlinie, einen gesetzlichen Rahmen, der diese Nachrüstung ermöglicht. Der Bund sollte diese jetzt verabschieden, sollte Zielwerte für Euro-fünf-Nachrüstungen setzen, sollte saubere Euro-fünf-Fahrzeuge identifizieren, die ohne Nachrüstung sauber sind. Die gibt es auch. Dann haben wir den Rechtsrahmen. Und wenn Hersteller, wenn Kraftfahrzeuggewerbe, wenn die Hersteller von Nachrüstungen sich dann zusammentun, dann sind wir relativ sicher, dass es keine drei Jahre dauert. Für die Gerichte, Frau Zerback, ist es wichtig, dass sie eine Perspektive sehen, wodurch es besser wird, und insofern ist, glaube ich, jetzt die Frage der Ewigkeit, auch wenn wir gläubig sind, nicht die, um die es geht.
"Sicherlich ist es auch hoch sinnvoll, dass es Kaufanreize gibt"
Zerback: Dann hoffen wir, dass es schneller geht. Wir werden es erleben. Ohne rechtsverbindliche Garantie zu sagen, geht auch nichts, habe ich rausgehört. Lassen Sie uns noch kurz über die Umtauschaktionen sprechen, auf die die Autoindustrie ja vor allem setzt und auch im Vorfeld der Bundesverkehrsminister, zu denen es jetzt auch ergänzend kommen soll, wie wir hören. Kann sich denn der Verbraucher da sicher sein, dass jetzt ein neuer Euro-sechs-Diesel sauber ist, auf der Straße dann so sauber wie im Prüflabor?
Möller: Die Diesel mit der neuen, von mir angesprochenen 6d-Temp-Technologie, da kann der Verbraucher sicher sein. Sicherlich ist es da auch hoch sinnvoll, dass es Kaufanreize gibt. Es war ja in den letzten Tagen die Rede von Prämien bis zu 10.000 Euro. Das wird es bei einem VW Golf, der Listenpreis ab 18.000 Euro kostet, nicht geben, diese 10.000, aber es wird einen Anteil geben. Aber auch das ist trotzdem viel Geld für die Verbraucher.
Zerback: Ein Konjunkturprogramm für die Autoindustrie.
Möller: Wogegen erst mal nichts zu sagen ist. Wenn es nicht steuerfinanziert ist, dann ist das sicherlich eine gute Sache.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.