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Addis Abeba
Freitags in der Jazzamba Lounge

Im ältesten Hotel der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, dem Taitu, ist ein bemerkenswerter Jazzklub untergebracht: die Jazzamba Lounge. Tägliche gibt es Konzerte, doch Höhepunkt ist eindeutig der Freitag, wenn das Addis Acoustic Project aufspielt.

Von Oliver Ramme |
    Ein Kontrabass liegt auf Pflastersteinen und wartet auf seinen Einsatz.
    Die Musiker des Addis Acoustic Projects orientieren sich am äthiopischen Jazz der 50er (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    Ein voll besetzter Saal, hohe Decken. Soviel ist zu erkennen. Die Jazzamba Lounge ist dunkel. Fast. Nur ein paar Kerzen auf den Tischen und stark gedimmte Kronleuchter an der Decke lassen das Innenleben erahnen. Draußen vor den Türen, da tobt die Hektik der Millionenmetropole Addis Abeba. Hier drinnen herrscht eine ganz andere Atmosphäre.
    Ein-, vielleicht zweihundert Gäste sitzen eng beisammen an den mit Kerzenlicht beschienenen Tischen. Sie reden, lachen, trinken. Die Stimmung ist ausgelassen, locker. Und wer gerade keiner Unterhaltung nachgeht, der schaut vorne auf die Bühne. Auf einem kniehohen Podest werken, fast in sich gekehrt, sechs Musiker an ihren Instrumenten. Alle sind mittleren Alters. Nur einer nicht. Ein in die Jahre gekommener, grauhaariger Mann mit Mandoline sitzt in der Mitte, umkreist von den anderen Musikern. Ayele Mamo ist der älteste und berühmteste Mandolinenspieler des Landes.
    Das Sextett nennt sich Addis Acoustic Project. Bandleader ist Girum Mezmur, 39 Jahre. Seit vier Jahren spielt das Addis Acoustic Project zusammen.
    "Wir orientieren uns an dem Jazz der 1950er-Jahre in Äthiopien. Damals hatten wir eine Verschmelzung klassischer Instrumenten wie Mandoline, Akkordeon und Kontrabass. Es gibt zu dieser Musik gerade hier bei den Radiostationen noch gute Aufnahmen. In den 1960er und 1970ern wurde der äthiopische Jazz dann beeinflusst besonders von den amerikanischen Big Bands und ihren starken Bläsereinsätzen. Daraus wurde dann die sogenannte Goldene Zeit des äthiopischen Jazz."
    Vor den goldenen Jahren
    Duke Ellington spielt in dieser Zeit in Addis Abeba. Der berühmteste äthiopische Vertreter dieser goldenen Epoche ist der Perkussionist Mulatu Astatke, der unter anderem die Filmmusik zu dem Jarmusch-Film "Broken Flowers" beitrug. Girmur Mezmur und seine Kollegen wollen nun gezielt an die Zeit vor der goldenen Ära erinnern, diese droht seiner Ansicht nach in Vergessenheit zu geraten.
    Die sechs Musiker haben unterdessen Verstärkung bekommen. Auf der Bühne steht jetzt ein Sänger. Ein weiterer alter Mann, Ende 70. Der graue Anzug passt nicht richtig. Das Jackett ist zu weit, die Hose steht unten auf. Girma Negash ist mit dem Taxi gekommen, mit seinem eigenen, so wie jeden Freitagabend. Das Ensemble auf der Bühne erinnert nun ein wenig an den Buena Vista Social Club. In den 1950er-Jahren stand der heutige Taxifahrer Negash vor einer steilen Karriere als Sänger in Äthiopien. Sie endete jäh, erinnert er sich:
    "Ich habe damals einen Preis bekommen bei einem Vorsingen. 300 Birr, ein Wahnsinnsgeld damals! Danach musste ich aber die Musik aufgeben wegen meiner Familie. Die wollten nicht, dass ich singe, sie hat es verboten. Danach bin ich zu Coca-Cola und wurde dort Verkäufer. Dann riefen vor zwei Jahren diese Musiker an und fragten ob ich wieder singen wollte und jetzt bin ich wieder hier!"
    Wiederbelebung nach zwei Jahrzehnten Diktatur
    Girma Negash musste seine Gesangskarriere wegen seiner Eltern an den Nagel hängen. In den 1970er-Jahren war dann eh Schluss mit jeglicher Freiheit in Äthiopien. Zwei Jahrzehnte lang zwang das sozialistische Mengistu-Regime nicht nur die freidenkende Kunst in die Knie.
    Die Kultur, und nicht nur diese, brauchte lange um sich von der Diktatur zu erholen. So wundert es nicht, dass die Jazzamba Lounge erst vier Jahre alt ist. Obwohl sie in einem alten Gemäuer liegt. Dem ältesten Hotel der Stadt, dem heruntergekommenen Taitu Hotel. Girum Mezmur mochte von Anfang an den Charme dieses Saales und ist einer der drei Besitzer der Lounge:
    "Wenn sie Vollzeitmusiker sind und ein bestimmtes Einkommen einfahren, ermöglicht einem das natürlich bestimmte Freiheiten in der Kunst. Es ist natürlich auch eine Menge Verantwortung und Arbeit. Es ist eben kein Witz einen Club zu besitzen, man muss immer hinterher sein, besonders wenn wir sieben Tage die Woche Liveauftritte hier haben. Eine echte Herausforderung."
    Die Jazzamba Lounge ist die einzige Einrichtung in Addis Abeba, in der man regelmäßig hochklassige Musik hören kann. Zu wenig, denn in dem Land schlummern alte wie neue Talente. Immerhin ist für die jungen eine Musikschule angeschlossen. Und, die Lounge ist nicht nur Anlaufstelle für äthiopischen Jazz. Auch andere Genres werden hier bespielt, bis hin zum Ethnopop. Aber der Freitag ist etwas besonderes, nicht nur weil da hervorragende Jazzmusiker aufeinandertreffen, sondern weil die alten Musiker und Sänger tatsächlich die goldenen Zeiten des äthiopischen Jazz aufleben lassen.