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Adolph Menzel
Der einsame Beobachter

Vor 200 Jahren wurde der deutsche Zeichner und Maler Adolph Menzel in Breslau geboren. Menzel gilt als Pionier des Realismus in Deutschland und setzte als Grafiker und Illustrator neue Maßstäbe.

Von Rainer Berthold Schossig |
    Friedrich der Große als Flötenspieler, dargestellt auf dem Gemälde "Das Flötenkonzert von Sanssousi" von Adolph Menzel.
    Friedrich der Große als Flötenspieler, dargestellt auf dem Gemälde "Das Flötenkonzert von Sanssousi" von Adolph Menzel. (picture alliance / dpa / ADN)
    Adolph Menzel war ein unscheinbarer Eigenbrötler. Dass er zu einem der bedeutendsten Zeichner und Maler seiner Epoche werden würde, war ihm nicht in die Wiege gelegt. Der Berliner Menzel-Spezialist Werner Busch:
    "Leicht hat er‘s nicht gehabt. Er ist kleinwüchsig, er war krank, hat epileptische Anfälle in seiner Jugend gehabt, und er war kaum 1,50 groß. Er ist ein Einzelgänger, verschlossen, grimmig. Als Außenseiter hat er sich viele Freiheiten genommen, er hat sich an keine Regeln gehalten. Er hat später bei Hof so etwas wie eine Hofnarrenrolle gehabt. Und er hat, wo er ging und stand, gezeichnet."
    Am 8. Dezember 1815 wurde Adolph Menzel in Breslau geboren. Der Vater war "Schul-Instituts-Direktor" und gründete 1818 eine lithografische Anstalt. Früh erhielt Adolph Zeichenunterricht und arbeitete in der väterlichen Druckwerkstatt. 1830 zog die Familie nach Berlin. Menzel übte sich in Porträts, Karikaturen und Genrebildchen. Nach dem Tod des Vaters führte der 16-Jährige die Werkstatt weiter. So wurde der Junge zum monomanischen Zeichner. Er habe - so hieß es - tausend Augen gehabt und sein Mantel ein Dutzend Taschen für gespitzte Stifte und Skizzenbücher.
    Geschichte Preußens wird Menzel zur Mammut-Aufgabe
    "Im Grunde genommen ist er ein Grafiker, und die Malerei hat er sich spät selbst beigebracht. Die ersten Anfänge sind mühsam, versucht große Historie zu machen, das geht ziemlich schief. Und dann plötzlich in den 40er Jahren fängt er an, Ölskizzen zu malen, kleine Bilder aus seinem unmittelbaren Umfeld, und die sind plötzlich perfekt. Diese Ölskizzen sind die Vorbereitung für sein eigentliches Lebensziel, Ölbilder zu malen zur Geschichte Friedrichs des Großen."
    Das umfangreiche Illustrationswerk zur Geschichte Preußens, insbesondere zu den Anekdoten aus den Feldzügen des Alten Fritz wird Menzel zur Mammut-Aufgabe. Er studiert historische Quellen, stöbert in Archiven, durchforstet die Waffenkammer der Hohenzollern. Doch seine Preußenbegeisterung bleibt zeitlebens ambivalent. Der Münchener Kunsthistoriker Hubertus Kohle:
    "Der Maler liefert eine Apotheose des preußischen Herrschers der Aufklärungszeit und setzt sie gegen die eigenen Zeitverhältnisse, in erster Linie den schwachen Monarchen Friedrich Wilhelm IV., der nur mit Schwierigkeiten aus der 1848er Revolution herausgekommen war und das Land danach in eine Richtung treiben ließ, die den preußischen Liberalen wenig behagte. Menzel setzt dem Versager der Gegenwart den Heroen der Vergangenheit entgegen."
    Er wird nahezu zum Schwärmer für die demokratischen Ideale der Bürgerlichen Revolution. Freilich bleibt sein berühmtes Gemälde "Aufbahrung der Märzgefallenen" unvollendet.
    Der Künstler scheut das Rampenlicht
    "Menzel ist für einen Moment begeistert von dem, was passiert, er geht durch die Stadt, zeichnet die Barrikaden, er zählt die Einschusslöcher, die es gegeben hat. Und für eine Zeit lang hält er das für eine gerechte Sache, dann schlägt das um. Man muss sagen, Menzel hat eine eher bürgerlich-liberale Position."
    Längst wird der Autodidakt Menzel öffentlich wahrgenommen, doch der Künstler scheut das Rampenlicht. Nahezu impressionistisch intim schildert er bürgerliches wie höfisches Leben.
    Menzels "Flötenkonzert Friedrichs des Großen" versinkt in flirrendem Kerzenlicht. Im Schein der gläsernen Lüster von Sanssouci flötet der Monarch wie verzaubert zwischen Musikern, Politikern und glitzernden Prinzessinnen. Menzels höfische Bilder spiegeln die Bälle und Empfänge gern aus der Vogelperspektive. 1872 beauftragt ihn der Bankier und Stahlbaron Adolf von Liebermann, seine Eisenhütte zu malen. Ob Menzel mit seinem riesigen Gemälde "Das Eisenwalzwerk" zum Protokollanten der Arbeiterklasse wird, darüber lag man jahrelang in Streit:
    "Menzel muss mitbekommen haben, dass es Arbeiterproteste dort gegeben hat. Nichtsdestotrotz – er hat nüchtern aufgenommen, was er gesehen hat. Letztlich bleibt seine Position neutral."
    Menzel, der einsame Beobachter, sucht zeitlebens zeichnend und malend nach der Wahrheit - stolz, dass er sich dabei niemandem verpflichtet fühlen muss und verbittert zugleich:
    "Wie ich mich grundsätzlich nie um etwas beworben, so bin ich auch nie irgend womit - weder vom Staate noch von Privatseiten - unterstützt worden."
    Hoch geehrt starb Adolph Menzel 1905 im Alter von 89 Jahren in Berlin. Sogar der Kaiser folgte seinem Sarg.