Abdallah Shahiby ist ein stattlicher Mann im langen, weißen Gewand. Dass ihm die rechte Hand fehlt, merkt man erst, wenn er einem zur Begrüßung einen vernarbten Stumpf reicht.
"Das ist 2007 passiert. In der Wüste. Ich wollte Tee machen und dann hat es geknallt."
Shahibys Hand und sein rechtes Auge wurden von einer Landmine zerfetzt. Etwa 17 Millionen Landminen liegen noch immer in der Wüste im Nordwesten Ägyptens, zwischen dem Ort Al Alamein und der libyschen Grenze. Das entspricht einem Fünftel der vergessenen Sprengsätze weltweit. Sie stammen aus dem Zweiten Weltkrieg, als sich Deutschland, Italien und Großbritannien hier gegenüber standen. Ein Krieg, den Shahiby nur aus den Geschichtsbüchern kennt, der aber seit dem Unfall sein Leben bestimmt.
"Die Leute halten mich und die anderen Opfer für minderwertig, aber wir sind ganz normale Menschen. Wir haben die gleichen Rechte und Pflichten. Wenn dir eine Hand oder ein Fuß fehlt, heißt das ja nicht, dass du dein Gehirn verloren hast. Das Entscheidende ist der Wille, zu arbeiten."
Und den haben die meisten der über 700 Minenopfer. Shahiby und ein paar Mitstreiter haben deshalb einen Verein gegründet. Er vergibt Mikrokredite an betroffene Familien, finanziert werden die von den Vereinten Nationen. Das ist das Mindeste, was die Weltgemeinschaft tun kann, meint Shahiby.
"Natürlich kann ich heute niemanden zur Rechenschaft ziehen für etwas, das andere vor Jahrzehnten gemacht haben. Aber wir können fordern, dass die heute Verantwortlichen in diesen Staaten uns helfen."
Karia Al Nasr, ein kleines Dorf an der Grenze zu Libyen. So weit das Auge reicht, gibt es hier nur Wüste. Ab und an ein paar einfache Häuser mit kleinen Schafherden davor. Karima Zari wohnt hier mit ihrem Mann und den neun Kindern. Sie haben sich eine kleine Mauleselzucht aufgebaut, mit einem Mikrokredit. Die Zucht sichert der Familie einen Teil ihres Einkommens, erzählt Karima Zari.
"Der Unfall meines Mannes ist lange her. Aber davor hat er gut verdient. Jetzt hat er nur einen Hausmeisterjob. Mehr kann er nicht mehr arbeiten."
Karimas Mann Raguib Issa klopft mit der Faust auf seinen Fuß. Es klingt nach hohlem Plastik. Auch ihn hat es in der Wüste erwischt. Raguib Issa war mit seiner Herde unterwegs. An der Stelle, wo die Mine explodiert ist, gab es keinerlei Warnschilder, denn die Sprengsätze wandern mit der Zeit.
Deutschland hat seine finanzielle Unterstützung beendet
"Wenn du darüber nachdenkst, dann bist du schon sauer auf diese Länder. Das sind die Ersten, die die Verantwortung übernehmen müssten. Die sind daran schuld und die müssten das eigentlich auch räumen. Wer Mist gebaut hat, der muss es auch wieder gut machen."
Auch im Ministerium für internationale Zusammenarbeit in Kairo sieht man das so – nur drückt man es diplomatischer aus. Hier koordiniert Fathy El Shazly die Minenräumung auf ägyptischer Seite. Sie wird fast ausschließlich vom ägyptischen Militär geleistet. Länder wie Großbritannien oder Australien beteiligen sich finanziell. Deutschland hingegen hat seine Unterstützung Ende 2012 eingestellt – sehr zum Ärger von El Shazly:
"Ich bin enttäuscht von Deutschland. Es gab eigentlich eine Vereinbarung, dass die deutsche Regierung uns 500 000 Euro pro Jahr garantiert, bis alle Minen geräumt sind."
Aus dem Außenministerium heißt es dazu, man konzentriere sich bei der Förderung von Hilfsmaßnahmen auf die Länder, die dem Anti-Personen-Minen-Übereinkommen beigetreten seien. Das hat Ägypten bisher abgelehnt.
400 Soldaten durchkämmen den Nordwesten des Landes, doch die Arbeit geht langsam voran. Gerade einmal ein Zehntel der Fläche ist heute sauber. El Shazly ist wütend darüber, denn er weiß um das wirtschaftliche Potential der Wüste. Bei diesem Thema verfällt er sogar ins Englische, um sicherzugehen, dass seine Botschaft im Ausland verstanden wird.
"Diese Massen an Sprengsätzen versperren den Zugang zum Hinterland, das ist für seinen Reichtum an Rohstoffen inklusive Gas, Öl und anderen Mineralien bekannt. Außerdem gibt es dort fruchtbares Land, das kultiviert werden könnte."
US-amerikanische und ägyptische Experten schätzen, dass Ägypten über mehr als ein Prozent der weltweiten Erdgasvorkommen verfügt. Zudem könnte das Land genauso viel Öl wie das OPEC-Mitglied Angola fördern, ist El Shazly überzeugt. Beweise gibt es dafür noch nicht, denn Probebohrungen sind bis jetzt nicht möglich. Investoren trauen sich nun einmal nicht auf vermintes Gebiet.