Eine kleine Wohnung in Salam City, einem Armenviertel im Osten Kairos. Ein karger Raum, ein Mikrofon, ein Computer. Mehr brauchen Fifty und Sadat nicht, um ihre Songs zu schreiben.
Musik, die verbindet
Fifty und Sadat gehören zu den größten Stars der Mahraganat-Szene Ägyptens. Mahraganat heißt übersetzt "Festivals" und steht heute für einen Musikstil, der aus den Taxis, den Clubs und von den Hochzeiten des Landes nicht mehr wegzudenken ist - und alle sozialen Schichten verbindet.
Fifty ist in Salam City aufgewachsen. Ein Slum am Kairoer Stadtrand, 500.000 Einwohner, viele von ihnen arbeitslos. Für Fifty ist klar: Das hier ist die Geburtsstätte von Mahraganat, wie er zur Begrüßung sagt:
Fifty heißt eigentlich Alaa. Seinen Künstlernamen hat er von seinem großen Vorbild Fifty Cent kopiert. So wie sein Outfit. Bomberjacken, schwere Ketten. Dazu übergroße Basecaps. Die eng geschnittene Hose allerdings unterscheidet ihn von seinem amerikanischen Idol - das ist Fiftys ägyptische Note.
Soundtrack der Revolution
Mahraganat wird gerne als Soundtrack der Revolution bezeichnet. Viele der Künstler haben 2011 auf dem Tahrir-Platz die Demonstranten unterstützt. Heute halten sie sich lieber fern von Politik. Auch Fifty.
"Ich mag Politik nicht. Weil: Politik bringt Opfer - viel zu viele. Und diese Opfer sind meistens unschuldig. Das Militär kämpft gegen die Moslembrüder, die Überbleibsel von Mubarak gegen wen auch immer. Ich habe sowieso mit all diesen Parteien nichts am Hut. Wenn Du mich fragst, was bin ich, dann antworte ich: Ich bin Ägypter."
Und so singen er und sein Kollege Sadat heute lieber über Frauen, darüber, dass die Kinder in ihrem Viertel nicht zur Schule gehen oder über die Perspektivlosigkeit, wenn man in einem Slum aufwächst.
Sie führen damit die Tradition des Shaabi fort, einer Art ägyptischer Volksmusik der 80er Jahre. Wie auch Shaabi wurde Mahraganat anfangs von der Elite des Landes verachtet. Die Rhythmen zu schnell, die Texte zu vulgär. Von der Musikergewerkschaft ist Mahraganat bis heute nicht als Kunst anerkannt. Nach Auffassung der Gewerkschaft sind Fifty und Sadat keine Berufsmusiker, haben damit keinen Anspruch auf staatliche Aufträge oder Rentenzahlungen. Es ist deutlich, was Gewerkschaftsvertreter Ahmad Ramadan von der Musik hält:
"Verletze meine Ohren nicht! Wir sind eine orientalische Gesellschaft. Diese Gesellschaft hat Traditionen und Werte. Es geht nicht, dass wir die ignorieren. Es gibt Texte, die bei Euch im Westen akzeptiert werden, bei uns sind sie schwierig. Ich muss als orientalische Gesellschaft meine Identität wahren."
Idole einer ganzen Generation
Mit dieser Meinung dürfte Ramadan allerdings relativ alleine dastehen. Die Ägypter sind Mahraganat verfallen. Mittlerweile bucht sogar die Kairoer High-Society Fifty und Sadat regelmäßig für ihre Luxushochzeiten. Für die Jungs aus Salam-City trotzdem noch eine fremde Welt, wie Sadat meint:
"Wenn Du mich hier siehst, dann läuft die meiste Zeit Play-back. Das Lied läuft und ich tue so, als ob ich singen würde. Auf der Straße in Salam-City hingegen lasse ich das Mikrofon liegen, wenn das Lied läuft. Dort singe ich live. Ich bin hier eben weniger glücklich als auf der Straße. Aber das ist ja nur ein Job."
Und dieser Job bringt Fifty und Sadat am Abend rund 500 Euro ein - mehr als ein Durchschnittsägypter im ganzen Monat verdient. Deswegen können sie es sich auch leisten, auf den weniger glamourösen Hochzeiten in ihrem Viertel kostenlos zu spielen. Hunderte Menschen tanzen auf der Straße. Männer üben die sich im Breakdance, etwas abseits stehen Frauen in prächtigen Gewändern mit verzierten Kopftüchern. Und am Bühnenrand ein paar Jugendliche, die aufschauen zu ihren Idolen, zu Fifty und Sadat.