Der koptische Papst Tawadros II. mischt sich wie sein katholisches Pendant in die Politik ein. Und spricht Klartext. Er sei froh, dass die Regierung des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi vor vier Jahren durch das Militär abgesetzt wurde, sagt er. Einen Dialog oder gar eine Zusammenarbeit mit der Muslimbruderschaft hält das koptische Oberhaupt derzeit nicht für möglich.
"Bitte denken Sie daran. An einem einzigen Tag wurden mehr als 100 Kirchen und kirchliche Institutionen in Ägypten zerstört. Wir haben in Ägypten den grausamen Terrorismus gegen alle Ägypter kennengelernt. Ein Jahr hat Ägypten diese Art von Regierung ausprobiert und das hat keinem in Ägypten gut gefallen."
Die Christen ruft er zur Ruhe auf
Mit der Absetzung Mursis gingen die Anschläge auf die Kopten allerdings weiter, im Dezember letzten Jahres sogar auf den Amtssitz des Papstes. Doch Tawadros II. rief die Christen zur Ruhe auf. Er gilt als Unterstützer des amtierenden Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Kritik am Staatsoberhaupt ist aus seinem Mund nicht zu hören. Denn auch Al-Sisi wirbt um die Kopten. Immerhin war er der erste ägyptische Präsident, der jemals einen Weihnachtsgottesdienst der Kopten besuchte. Andererseits betont Tawadros II. immer wieder, dass Religion und Staat getrennt sein müssen. Das zeige sich schon im Wahlverfahren für sein Amt. Im November 2012 zog ein kleiner christlicher Junge einen Zettel mit seinem Namen aus einem gläsernen Kelch.
Tawadros erzählt: "Das habe ich nie gehört, dass der ägyptische Staat da mitzureden hat. Die koptischen Gemeinden wählen. In die allerengste Wahl kommen drei Namen. Ein Kind von der Gemeinde wird gebeten per Los einen Namen zu ziehen. Das ist der künftige Papst der koptischen Kirche. Durch dieses System kann es keine Beeinflussung von außen geben. Vor der Wahl zum Amte des Patriarchen kannte mich keiner. Mein Dienst war in einer kleineren Stadt und nicht in der Metropole Kairo."
"Demokratie ist ein Lernprozess"
Tawadros II. wurde 1952 in der Nildelta-Stadt Al-Mansura geboren, studierte Pharmazie und leitete in Ägypten eine Medikamentenfabrik. Erst 1988, also mit 36 Jahren, wurde er Theologe und trat in ein Kloster ein. So, wie sein katholischer Amtsbruder in Rom als Nachfolger Petri gilt, beruft sich die koptische Kirche auf den Evangelisten Markus, den ersten Bischof von Alexandrien. Tawadros II. wird als der 118. Nachfolger des Heiligen Markus verehrt. Er glaubt nicht, dass die ägyptischen Präsidenten von heute nur Nachfolger der alten Pharaonen sind. Vielmehr hofft er auf eine demokratische Entwicklung in seinem Land.
"Die Demokratie ist ein Lernprozess. Es gibt dafür kein Rezept, sondern in jedem Land bilden sich andere Formen. In Ägypten kommt die Demokratie nicht von oben herab. Es ist von großer Wichtigkeit, die Länder im Mittelmeerraum zu unterstützen. Man muss Entwicklungshilfeprojekte ins Leben rufen, damit die Jugendlichen Beschäftigung und Ausbildung finden und nicht ihre Heimat verlassen. Es ist das beste Mittel gegen Terror und Flucht."
Botschafter für ganz Ägypten
Ganz klar fordert Tawadros II. auch den Schutz der christlichen Minderheit. Denn wenn diese verschwände, würde das radikalen Muslimen Tür und Tor öffnen.
"Wir sind dankbar, wenn die Stimme der Christen aus Nahost hier in Europa Gehör findet. Die christliche Religion ist im Osten entstanden und hier verwurzelt. Deshalb müssen wir alles tun, damit die Christenheit im Nahen Osten und im Mittelmeerraum intakt bleibt. Denn die Ausrottung würde eine Bedrohung des Weltfriedens bedeuten."
Anfang März traf Bundeskanzlerin Angela Merkel in Kairo mit Tawadros II. zusammen. Auch jetzt bei seinem Besuch in Deutschland wirbt er nicht nur für die Christen seiner Heimat, sondern für ganz Ägypten.
"Wir schätzen die Deutschen sehr und ermutigen sie, unser Heimatland zu besuchen. Die Sicherheitslage ist weites gehend stabil. Selbstverständlich gab es Zwischenfälle. Aber bedenken Sie bitte, Ägypten hat beinahe 100 Millionen Einwohner. Es wird alles mögliche getan, dass sich die Touristen wohlfühlen, dass sie geschützt werden. Ich ermutige die Deutschen unser Land zu besuchen und strecke meine Hände aus und bitte um Kooperation. Und wir wären sehr glücklich, wenn deutsche Unternehmen in Ägypten investieren würden."
Da spricht der koptische Papst wie ein Botschafter seines ganzen Landes.