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Ägypten hat Iranern "Mut gegeben"

Teheran hat Angst davor, dass sich die sporadischen Demonstrationen im Iran zu einem Massenprotest entwickeln, sagt der Journalist Farhad Payar. Umgekehrt hätten die Geschehnisse in Ägypten den iranischen Regimegegnern gezeigt, dass ein Umsturz möglich sei.

Farhad Payar im Gespräch mit Christian Bremkamp | 15.02.2011
    Christian Bremkamp: Erst Tunesien, dann Ägypten. Die Proteste gegen verhasste Regierungen in der arabischen Welt gehen weiter. Aus dem Inselstaat Bahrain werden heute Zusammenstöße gemeldet, die sich während eines Trauerzuges ereignet haben sollen. Die Rede ist von einem Toten. Der Iran wurde gerade angesprochen; auch dort haben es die Menschen gewagt, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren. Zehntausende sollen es gewesen sein, die gestern zu einer Solidaritätskundgebung für die Protestbewegung in Ägypten in der Hauptstadt Teheran zusammenkamen. Es war die erste größere Protestaktion der Opposition seit mehr als einem Jahr und auch in Teheran kam es zu Gewalt. In Berlin bin ich jetzt mit dem iranischen Journalisten Farhad Payar verbunden. Guten Tag, Herr Payar.

    Farhad Payar: Guten Tag!

    Bremkamp: Herr Payar, Sie verfolgen die Ereignisse im Iran, sprechen mit Freunden, lesen, was sich im Internet tut. Was wissen Sie über die gestrigen Ereignisse?

    Payar: Also dass ein Toter und drei Schwerverletzte, die durch Schüsse verletzt wurden, da hinterblieben sind, das ist klar. Das habe ich auch heute Morgen durch ein Telefongespräch erfahren, dass es gestern und letzte Nacht mindestens einen Toten gegeben hat. Die ganze Nacht haben in Teheran und in einigen großen Städten die Menschen durch Allahu-Akbar-Rufe – das sind ja die Protestrufe gegen die Regierung – sozusagen ihre Präsenz gezeigt und gezeigt, auch wenn sie von der Straße gejagt werden und nach Hause geschickt werden, dass die Proteste nicht damit jetzt aus der Welt geschaffen sind. Es ist schwierig, Telefonkontakte zu Iran zu haben. Auch das Internet ist fast lahmgelegt in Iran und die Leute haben überhaupt Schwierigkeiten, miteinander innerhalb des Landes Kontakt aufzunehmen. 2009 nach den Präsidentschaftswahlen war es ja üblich, dass die Menschen sich verständigt haben durch Handys, durch Twitter und Facebook, wo man am nächsten Tag oder in der nächsten Stunde demonstriert. Das war alles von vornherein fast lahmgelegt worden vonseiten der Regierung und das war sehr schwierig.

    Bremkamp: Nun lassen sich die beiden Länder Ägypten und Iran schwerlich miteinander vergleichen. Dennoch die Frage: Sind zumindest die Motive der Demonstranten ähnliche?

    Payar: Die Motive sind sehr ähnlich, denn in den letzten 30 Jahren hat die islamische Republik auch versucht, jede kritische Stimme zu beseitigen. Das war ähnlich auch in Ägypten. Nur im Iran haben wir eine Bewegung, die ja aus der Regierung selbst kommt, sozusagen die Anführer dieser Bewegung aus der Regierung selbst kommen, die sogenannten Reformer, und da muss man ein bisschen distanziert die Sache mit Iran und Ägypten betrachten, weil im Iran hat die Regierung immer noch, auch wenn es fünf Prozent sind, Anhänger, die gewaltbereit sind und die wirklich, wie sie auch gestern gezeigt haben, alles tun werden, um jede kritische Stimme im Keim zu ersticken. Das klappt natürlich nicht, aber sie versuchen es immer wieder.

    Bremkamp: Inwieweit haben die Ereignisse in Ägypten die Lage im Iran beeinflusst, vielleicht sogar verändert?

    Payar: Also die Beobachter, viele politische Beobachter meinen, Ägypten wurde von der Bewegung im Iran, die Ägypter wurden dadurch ermuntert, und dann haben sie gezeigt, dass man eigentlich auch Erfolg haben kann, anders als im Iran 2009 und 2010. Und da ist es natürlich nicht auszuschließen – Tunesien, das war sehr schnell, dass die Regierung gestürzt wurde, und Ägypten, natürlich mit ein paar Wochen Verspätung -, aber die Menschen in Teheran, im Iran haben gesehen, es ist möglich, und das hat ihnen auch, würde ich sagen, Mut gegeben. Und die Demonstration, die gestern stattfinden sollte, die ja nicht erlaubt wurde von der Regierung, war ja eigentlich dafür gedacht, um die Solidarität des iranischen Volkes mit Ägyptern und Tunesiern zu zeigen. Aber weil die Demonstration vonseiten der Oppositionellen organisiert wurde, hat die Regierung das verhindert, obwohl die Regierung die ganzen Wochen vorher die Solidarität des iranischen Volkes mit Tunesiern und Ägyptern bekundet hat. Aber als die Menschen dann dafür auf die Straße gehen wollten, haben sie es nicht zugelassen.

    Bremkamp: Herr Payar, mit Bitte um kurze Antwort: In Tunesien, in Ägypten, in beiden Ländern haben sich anfänglich vereinzelte Demonstrationen zu einem wahren Massenprotest entwickelt. Können Sie sich so etwas im Iran auch vorstellen?

    Payar: Das wäre möglich! Das wäre möglich, denn auch für heute haben sich viele verabredet, dass sie demonstrieren gehen, und es ist klar, dass jetzt immer wieder - und wenn es Tote gibt, natürlich -, dass man dann nach 40 Tagen, nach drei Monaten immer einen Anlass sucht, um daran zu erinnern, und das fürchtet auch die Regierung und deshalb haben sie auch viele, viele kritische Stimmen im Vorfeld auch verhaftet und auch letzte Nacht hat es mehrere Hausdurchsuchungen gegeben, auch viele Verhaftungen. Man weiß nicht, ich weiß nur seit heute Morgen, dass ein Freund von mir, der ist Musiker, auch letzte Nacht verhaftet worden ist.

    Bremkamp: Sagt der iranische Journalist Farhad Payar. Herr Payar, herzlichen Dank!

    Payar: Ich danke auch.