Als Mitte April in Ägypten die Ostermessen stattfinden, herrschen immer noch Trauer, Angst und Entsetzen in den koptischen Gemeinden des Landes. Eine Woche zuvor waren bei Anschlägen auf zwei Kirchen insgesamt 45 Menschen ums Leben gekommen.
Die jüngsten Angriffe hätten das Ziel gehabt, die Christen und die Muslime zu Feinden zu machen, aber das werde nicht gelingen, sagt die Koptin Soheir Mahrous am Rande der Messe in der Markus-Kathedrale von Kairo. Die ägyptischen Christen würden weiterhin friedlich mit den Muslimen zusammenleben. Die meisten Freunde ihres Sohnes seien Muslime, und es gebe keinerlei Hass zwischen ihnen.
Es wäre falsch, von Christenverfolgung zu sprechen
Zu den beiden Anschlägen hatte sich die Terrorgruppe "Islamischer Staat" bekannt, die auch im Norden der Sinai-Halbinsel aktiv ist. Hier hatten die Extremisten im Februar mehrere Hundert koptische Familien in die Flucht getrieben, indem sie mehrere Kopten brutal ermordeten. Bei einem Selbstmordanschlag des IS in der Kairoer Kirche St. Peter und Paul wurden im Dezember 29 Menschen getötet.
Trotzdem wäre es falsch, von einer Christenverfolgung in Ägypten zu sprechen. Im Gegenteil: Selbst nach Ansicht der schärfsten ägyptischen Islamkritiker wünschen sich mindestens 80 Prozent der Muslime im Land ein friedliches Miteinander mit ihren christlichen Nachbarn.
Die koptische Politologin Mona Makram Ebeid erklärt, warum sich die Gewalt der Extremisten in Ägypten immer öfter gegen Christen richtet: Es sei den Terroristen bislang nicht gelungen, die Regierung zu stürzen. Deshalb wollten sie jetzt Christen und Muslime gegeneinander aufhetzen. In Ägypten herrsche immer noch ein starker Zusammenhalt, der das Land bislang vor Verhältnissen bewahrt habe, wie sie in Syrien, Libyen oder im Jemen herrschen.
Die Extremisten wollen also den Staat destabilisieren. Präsident Abdelfattah al-Sisi hingegen beschwört immer wieder die Einheit von Muslimen und Christen, und er besuchte demonstrativ koptische Messen. Das unterscheide ihn von den Führern der Muslimbruderschaft, deren Regierung al-Sisi 2013 stürzte, sagt Ishak Ibrahim von der Ägyptischen Initiative für Persönlichkeitsrechte.
"Eine Kluft zwischen dem, was gesagt und getan wird"
"In den offiziellen Reden – zum Beispiel von Präsident al-Sisi – wird tatsächlich ein Fortschritt deutlich. Al-Sisi spricht von Gleichheit und von den Bürgerrechten der Christen. Aber es gibt eine Kluft zwischen dem was gesagt, und dem was in der Realität getan wird."
So würden Christen auch weiterhin unter Diskriminierung leiden.
"Die Kopten werden sowohl vom Staat als auch von der Gesellschaft diskriminiert. Das neue Gesetz zum Beispiel, das den Kirchenbau regelt, ist meiner Meinung nach in Wirklichkeit ein Gesetz, das die Errichtung von Kirchen erschwert und das den Kirchenbau gegenüber dem Bau von Moscheen benachteiligt."
Der Bau von Kirchen wird staatlich erschwert
Das Gesetz erlaubt es Provinzgouverneuren, den Neubau einer Kirche zu verhindern, etwa wenn sie befürchten müssen, dass der Bau zu Protesten von Muslimen führt. Das ist nicht Rechtsstaatlichkeit, sondern Willkür. Die islamischen Autoritäten und auch viele konservative Muslime im Land glauben ohnehin, dass sich die ägyptischen Christen der muslimischen Mehrheitsgesellschaft unterordnen müssten.
Hetze gegen Christen wird nur selten juristisch verfolgt. In den Lehrplänen der Schulen wird der Islam bevorzugt, und das nicht nur in religiösen Fächern, sondern zum Beispiel auch im Geschichtsunterricht.