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Ägypten
Mithilfe der Schattenwirtschaft zu mehr Wachstum

Ein paar Gesetzesänderungen würden der ägyptischen Wirtschaft auf einen Schlag zwei Prozent Wachstum bescheren, meinen Ökonomen aus Kairo. Ihr Vorschlag: Die Schattenwirtschaft, die 40 Prozent der Gesamtwirtschaft ausmacht, müsse legalisiert werden.

Von Elisabeth Lehmann |
    Eine Frau unterhält sich mit einem Gemüsehändler an dessen fahrbaren Stand auf einer Straße in der Innenstadt von Kairo.
    Straßenhändler: Selten sind diese Jobs legal. (dpa / picture-alliance / Matthias Tödt)
    Freitagabend in der Kairoer Innenstadt. Hunderte von Händlern bieten ihre Waren an. T-Shirts, Spielzeug, Musik. Die Händler sind der Regierung ein Dorn im Auge, denn sie sind illegal. Ihre Geschäfte sind nicht angemeldet, sie zahlen keine Steuern. Dabei würden die meisten von ihnen gerne ganz offiziell arbeiten, sagt Ahmed Elan. Seit über 20 Jahren steht er Tag für Tag hier auf der Straße und bietet Plastikschuhe an:
    "Wie soll ich denn sonst Geld verdienen? Wenn ihr mich hier vertreibt, gebt mir eine Alternative. Anstatt den und den zu bezahlen, legalisiert mich! Dann bezahle ich das Land!"
    Die Händler gehören zur sogenannten Schattenwirtschaft in Ägypten, die fast 40 Prozent der Gesamtwirtschaft ausmacht. Ihre Legalisierung würde dem Staat Milliardeneinnahmen bringen, meint Scherif El Diwan vom Ägyptischen Zentrum für ökonomische Studien. Um das zu erreichen, müssten in erster Linie Gesetze geändert werden, um es einfacher zu machen, ein Geschäft anzumelden, sagt El Diwan:
    "Die Zugangsregulierungen sind ausufernd. Es dauert überdurchschnittlich lange. Wenn jemand zum Beispiel eine Bäckerei in der Stadt Tanja eröffnen will und sich mit nichts anderem in seinem Leben beschäftigt, als mit den benötigten Formularen und Anträgen, dauert es etwa eineinhalb Jahre und kostet ihn das Dreifache des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens."
    Viel totes Kapital in Ägypten
    El Diwan und seine Kollegen haben eine Studie veröffentlicht über Ägyptens totes Kapital. Neben den Straßenhändlern sind auch die Immobilien und Ländereien der Ägypter ein Schatz, der dem Staat im Moment nichts nützt. Das Problem auch hier: Meist bauen die Menschen illegal oder schleusen Landverkäufe am Fiskus vorbei. El Diwan führt ein Beispiel an:
    "Du hast eine Firma, die 50 000 Dollar Kapital hat und dann gehört dir ein Stück Land, das drei Millionen wert ist. Aber du kannst es nicht in die Bücher schreiben und davon profitieren, weil du keine Papiere für das Land besitzt. Und dann stelle dir vor, du bekommst plötzlich den Eigentumsnachweis – wie schnell deine Firma wachsen kann. Das ist die Situation mit der ägyptischen Wirtschaft."
    Integrierte man diese Menschen in einen gesetzlichen Rahmen, so die Berechnungen der Ökonomen, könnte die ägyptische Wirtschaft pro Jahr um zwei Prozent wachsen – allein durch Gesetzesänderungen. Ein Segen für das Land, das kurz vor der Pleite steht und auf Finanzhilfen aus Saudi Arabien angewiesen ist.
    Auch Straßenhändler Ahmed würde die neuen Regelungen begrüßen, bedeuten sie für ihn doch einen Ausweg aus der Illegalität:
    "Ich will doch nur meine Familie ernähren. Ich respektiere die Kunden, ich respektiere den Präsidenten."
    Und der scheint überzeugt zu sein vom Konzept der Ökonomen. Neben innerer Sicherheit steht die Wiederbelebung der ägyptischen Wirtschaft ganz oben auf der Liste von Präsident Abdel Fatah Al Sigi. Immerhin hat sich Abdel Fatah Al Sigi den Ansatz schon dreimal persönlich erläutern lassen.