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Ägypten
Mursi zum Tode verurteilt

Der ehemalige ägyptische Präsident, Mohammed Mursi, ist wegen Spionage zum Tode verurteilt worden. Das hat ein Gericht in Kairo entschieden. Mursi wurde die Weitergabe von Staatsgeheimnissen vorgeworfen. Der Islamist soll sich mit der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisbollah verschworen haben, um einen Gefängnisausbruch zu planen.

    Mohammed Mursi am 26. März 2015 vor Gericht in Kairo
    Mohammed Mursi am 26. März 2015 vor Gericht in Kairo (imago stock&people / ZUMA Press)
    Mursi und mehr als 100 weitere Mitglieder der Muslimbruderschaft wurden für schuldig befunden, 2011 während der Proteste gegen den damaligen Präsidenten Husni Mubarak Polizisten getötet zu haben und aus dem Gefängnis ausgebrochen zu sein. Auch gegen die Mitangeklagten wurde die Todesstrafe verhängt. Der islamistische Ex-Staatschef war bei der Urteilsverkündung in Gefängniskluft gekleidet und reckte zum Trotz die Fäuste in die Luft, als der Schuldspruch verlesen wurde.
    Das Urteil von Richter Schaaban al-Schami muss vom ägyptischen Mufti bestätigt werden. Der nächste Verhandlungstermin wurde für den 2. Juni angesetzt. Im Anschluss daran kann dagegen noch Berufung eingelegt werden.
    Muslimbrüder sprechen vom politischen Urteil
    Die Muslimbruderschaft in Ägypten verurteilte die Entscheidung und rief die Internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. Dies sei ein politisches Urteil und komme einem Mord gleich. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einer "Farce" und beanstandete, dass die Verfahren gegen Mursi und andere politisch Angeklagte keinen rechtsstaatlichen Kriterien genügten. "Der Umstand, dass er monatelang an einem geheimen Ort festgehalten wurde und keinen Anwalt sah, machen diese Prozesse zu einer Farce, die jegliche Verfahrensregeln missachtet", erklärte der leitende AI-Mitarbeiter Said Boumedouha. In einem ersten Verfahren war Mursi im April wegen Anstiftung zur Gewalt gegen Demonstranten zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden.
    Abdel Fattah al-Sisi rückt nach seinem haushohen Sieg bei der Präsidentenwahl in Ägypten an die Spitze des bevölkerungsreichsten arabischen Landes. Am Sonntag wurde der 59-Jährige vereidigt.
    Staatschef Abdel Fattah al-Sisi geht konsequent gegen die Muslimbrüder vor. (AFP / EGYPTIAN PRESIDENCY)
    Mursi und einige andere Spitzenfunktionäre der Muslimbruderschaft waren im Januar 2011 verhaftet worden. Zu diesem Zeitpunkt hatten die- von linken und weltlichen Aktivisten und Jugendlichen begonnenen - Massenproteste gegen den Langzeitherrscher Mubarak, die im Monat darauf zu dessen Rücktritt führten, ihren Höhepunkt erreicht.
    Unterschiedliche Darstellungen
    Die Muslimbrüder hatten mit den Protesten des Arabischen Frühlings nichs zu tun. Wenige Tage nach der Verhaftung Mursis und seiner Mitbrüder in der Strafanstalt Wadi Natrun zog das von den Protesten bedrängte Mubarak-Regime das Wachpersonal aus mehreren Gefängnissen ab, um Chaos im Land zu säen. Auch Wadi Natrun war darunter. Mursi und die inhaftierten Muslimbrüder spazierten ebenso in die Freiheit wie andere politische Gefangene und Tausende Kriminelle.
    In dem Prozess wurden die Ereignisse von Wadi Natrun allerdings vollkommen anders dargestellt und zu einer konstruiert klingenden Anklage ausgebaut. Hunderte schwerbewaffnete Hamas- und Hisbollah-Kader sollen demnach über Tunnel aus dem Gazastreifen in Ägypten eingerückt sein, um das Hunderte Kilometer entfernte Gefängnis zu überfallen und die Führer der Muslimbruder zu befreien.
    Anhänger der Muslimbruderschaft demonstrieren in Ägypten.
    Anhänger der Muslimbruderschaft demonstrieren in Ägypten für Mursi. (picture alliance / dpa / AHMED ASAD \ APAIMAGES)
    Ein Jahr später war Mursi bei der ersten demokratischen Präsidentenwahl zum Staatsoberhaupt bestimmt worden. Später wurde er vom Militär gestürzt und inhaftiert. Die Bruderschaft wurde verboten und zur Terrororganisation erklärt. Fast die gesamte Führung wurde verhaftet. Nach Mursis Absetzung kam der heutige Staatschef Abdel Fattah al-Sisi an die Macht.
    Seitdem wurden mehr als 1.400 Mursi-Anhänger getötet und mehr als 15.000 weitere inhaftiert. Frühere Massenprozesse, bei denen im Schnellverfahren Hunderte Islamisten zum Tode verurteilt wurden, lösten internationale Proteste aus.
    (fwa/tzi)