Die Ärztin und Universitätsprofessorin Omeima Idriss hat nichts gegen den Schleier. Im Gegenteil: Sie ist ja selbst eine fromme Muslima, trägt immer ein Kopftuch, das ihre Haare bedeckt; die Haare, nicht das Gesicht. Ihr Gesicht ist offen und freundlich und sehr dezent mit Lippenstift und Lidschatten geschminkt:
"Ich bin Ärztin. Wenn eine Patientin zu mir kommt und vollkommen verschleiert ist, sodass ich nicht einmal ihr Gesicht erkennen kann, bin ich jedes Mal frustriert. Ich sag dann zu ihr: Nimm den Schleier ab, ich muss dich doch sehen. Wie soll ich dir helfen, wenn ich nicht mal Dein Gesicht sehen kann. Und das gleiche gilt für unsere Studenten: Sie haben ein Recht darauf, das Gesicht ihrer Professorin zu sehen. Nur dann ist Interaktion, zwischenmenschliche Beziehung möglich."
"Es geht nicht um Religion"
Die Schleierdebatte. Wieder und wieder wird sie in Ägypten geführt, diesmal wegen eines Erlasses der Universität Kairo. Weiblichen Lehrkräften ist es von nun an verboten, während der Vorlesung den Niqab, den Gesicht verdeckenden Ganzkörperschleier zu tragen. Die Entscheidung wurde von Gaber Nasser getroffen, dem Rektor der Universität Kairo. Er sagt, ihm sei gar nichts anderes übrig geblieben, weil immer häufiger Professorinnen im Unterricht den Niqab trugen:
"Wir haben erst mal untersucht, wie viele Frauen bei uns im Vollschleier lehrten. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es knapp über 100 sind," erklärt der Uni-Rektor. "Wir sind aber der Überzeugung, dass eine Lehrkraft, die ihr Gesicht versteckt, nicht wirklich mit anderen kommunizieren kann. Das haben uns auch Pädagogen bestätigt. Kommunikation ist die Grundlage jeder Lehre. Darum geht es, nicht um Religion."
Das lässt sich leicht sagen. Aber beim Schleier geht es immer auch um Zwang und Freiheit und den rechten Weg im Islam. Vor zwei Jahren wurden in Ägypten die Moslembrüder gestürzt. Seitdem herrscht Abdel Fatah al-Sisi am Nil, ein Ex-General, der auf Biegen und Brechen versucht, in einer tief religiös geprägten Gesellschaft Islam und Politik auseinanderzuhalten. Die Moslembruderschaft wurde verboten, Ex-Präsident Mursi zum Tode verurteilt und tausende seiner Anhänger ins Gefängnis geworfen. Wenn aber eines geblieben ist von der einjährigen Herrschaft der Islamisten, dann ist es die enorme Verbreitung des Schleiers.
"Lehren geht nur, wenn man sich ins Gesicht schaut"
Auf dem Campus der Universität Kairo trägt ihn fast jede Studentin; entweder als Hedjab, als kopf- oder auch körperbedeckendes Tuch. Oder eben es als Niqab, schwarz, alles verhüllend, nur nicht die Augen. Der Erlass des Rektors hat die Ultrareligiösen empört. Er zeige, dass Ägyptens Gesellschaft systematisch säkularisiert werden solle, heißt es in Internet-Kommentaren. Selbst auf dem Campus wird verhalten Kritik daran geübt:
"Für mich ist es unwichtig, ob eine Professorin voll verschleiert ist oder nicht, sagt eine Studentin, entscheidend ist doch, was sie sagt und lehrt."
Nein, sagt die Professorin Ommeima Idriss: So einfach ist das nicht:
"Lehren ist ein Beruf. Es geht dabei nicht nur darum, einfach Information weiter zu geben. Dann könnte man sich das einfach auch über Lautsprecher zuhause anhören. Aber Unterrichten hat immer auch etwas mit der Beziehung zwischen Lehrenden und Studenten zu tun. Das geht nur, wenn man sich ins Gesicht schaut."