Bananen, Orangen, Guaven - der Duft frischer Früchte weht durch die engen Gassen von Embaba. In dem dicht bewohnten Stadtviertel in der ägyptischen Hauptstadt Kairo preisen die Händler ihre Ware an; Männer und Frauen mit Einkaufstaschen prüfen die Qualität von Pfirsichen und Aprikosen.
In Embaba sind Früchte, Fisch und Fleisch günstiger als auf vielen anderen Märkten der Stadt - aber trotzdem noch sehr teuer, findet Mohammed.
Ein Kunde auf dem Markt: "Die Preise sind stark gestiegen, wir kaufen nur das, was wir brauchen. Der Nilbarsch hier kostete früher 15 oder 20 Pfund. Aber jetzt kostet ein Kilo 30 oder 35, manchmal sogar 40 Pfund."
Knapp zwei Euro für ein Kilo Fisch - viele Ägypter können sich das nicht leisten. Schon jetzt lebt fast jeder Dritte unterhalb der Armutsgrenze - und täglich werden es mehr. Seit die ägyptische Regierung vor zweieinhalb Jahren den Wechselkurs des Pfundes freigegeben, Subventionen stark gekürzt und die Treibstoffpreise erhöht hat, haben sich die Preise vervielfacht – nicht aber die Gehälter und Renten.
Der ägyptische Politikwissenschaftler und emeritierte Professor der Universität Kairo, Mustapha Kamel Al-Sayyid, beobachtet das mit Sorge:
"Die meisten Menschen leiden unter der wirtschaftlichen Situation. Laut dem jüngsten Haushaltsbericht, der vom Nationalen Amt für Statistik erhoben wurde - und das weiß ich, weil ich den Teamleiter kenne -, ist die Armutsrate im Land von 27 Prozent im Jahr 2016 auf 32 Prozent im Jahr 2018 gestiegen."
Sicherheit verbessert - aber um welchen Preis?
Auch gestiegen: die Zahl der Ägypter. Fast 100 Millionen Menschen leben in dem Land am Nil; jedes Jahr werden es zwei Millionen mehr. Neue Schulen müssen gebaut, Arbeitsplätze geschaffen, Krankenhäuser in Betrieb genommen werden.
Doch der Staat setze die falschen Prioritäten, kritisiert Mustapha Kamel Al-Sayyid:
"Im Bildungs- und Gesundheitswesen gibt es keine ernsthafte Verbesserung. Vor kurzem haben die Bildungs- und Gesundheitsminister beklagt, dass sie sie keine ausreichenden Mittel bekommen, um den Bildungs- und Gesundheitsbereich zu reformieren. Aber gleichzeitig geben wir - ich weiß nicht wie viel - Geld für die neue Verwaltungshauptstadt aus und für die Armee."
Dabei hatte der ehemalige Feldmarschall Abdel Fattah Al-Sisi den Ägyptern viel versprochen, bevor er Präsident wurde. In einer Fernsehansprache im März 2014 wandte er sich an die Bevölkerung:
"Millionen junger Menschen sind arbeitslos (…). Das ist inakzeptabel. Es gibt auch Millionen von Ägyptern, die an Krankheiten leiden und keine angemessene Behandlung finden. Das können wir nicht akzeptieren. Ägypten, das reich an Ressourcen und an Menschen ist, ist auf Subventionen und Hilfe angewiesen; das ist ebenfalls inakzeptabel. Die Ägypter verdienen ein besseres Leben. Sie verdienen ein Leben in Würde, Sicherheit und Freiheit und haben das Recht auf Arbeit, Nahrung, Bildung, Gesundheitsversorgung und Unterkunft, die allen Ägyptern zur Verfügung stehen muss."
Davon ist Ägypten fünf Jahre nach Al-Sisis Amtsantritt weit entfernt. Um das Land vor dem Kollaps zu bewahren, hat der Internationale Währungsfonds dem Staat Milliarden-Kredite gewährt. Mit Mega-Projekten versucht die Regierung, dem Wirtschaftswachstum Schwung zu geben. Aus dem Ausland gibt es dafür viel Lob. Doch strukturelle Reformen, die den Ärmsten zugute kommen, gibt es kaum.
Die Sicherheit habe sich zwar verbessert, sagt Mustapha Kamel Al-Sayyid - aber dafür gehe der Staat hart gegen diejenigen vor, die das System kritisieren:
"Freiheit? Gibt es nicht. Auch keine soziale Gerechtigkeit oder menschliche Würde. Ich glaube, das größte Versagen [des Präsidenten] ist, dass er nicht die Ideale der Januar-Revolution [von 2011] verkörpert. Dabei haben ihn viele Leute unterstützt, weil sie glaubten, die Muslimbrüder würden Ziele der Januar-Revolution nicht ernst nehmen, und weil sie wollten, dass jemand diese Ziele wieder in den Fokus rückt. Aber ich glaube nicht, dass Al-Sisi das getan hat."
"Ich sehe Menschen weinen, weil alles teuer ist"
Im April ließ die ägyptische Regierung das Volk über eine Verfassungsänderung abstimmen. Al-Sisi könnte nun für insgesamt drei Amtszeiten Präsident bleiben – bis zum Jahr 2030. Er brauche mehr Zeit, um seine Vorhaben umzusetzen, hieß es zuvor von seinen Anhängern.
Der Politologe Mustapha Kamel Al-Sayyid sieht das skeptisch: "Ich mache mir wirklich Sorgen, weil sich die Qualität des Bildungs- und Gesundheitswesens im Land verschlechtert. Aber ich glaube, Präsident Al-Sisi ist optimistisch, weil er meint, dass die Einnahmequellen für das Land nachhaltig sind – und weil er glaubt, dass die Leute dem Diskurs der Regierung glauben, solange sie die Medien fest im Griff hält."
Auf dem Markt in Embaba hat sich eine Diskussion entfacht. Drei Frauen sprechen über die gestiegenen Preise - und das wenige Geld, das sie zum Leben haben. Die älteste von ihnen muss mit umgerechnet 15 Euro im Monat auskommen - und mit dem, was ihre Kinder ihr zustecken.
"Die Menschen können die hohen Preise nicht mehr ertragen. Die Armen mit ihren begrenzten Einkommen schaffen das nicht mehr. Ich sehe Menschen weinen, weil alles teuer ist: Strom, Wasser, Gas. Was sollen wir tun?"
"Al-Sisi ist nicht schlecht, aber er muss uns mehr Geld geben. Er soll auf uns schauen, auf die Armen."