Nach Ansicht von Farid Zahran, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei des Landes, gab es dafür vor allem einen Grund:
"Es wurden alle die Minister entfernt, die den neuen demokratischen Kräften angehören. Mit dem Ausschluss dieser Minister wurde die Wiederherstellung des alten Mubarak-Staates vorangetrieben."
Die neuen Minister sind überwiegend die alten, abzüglich jener, die der demokratischen Aufbruchsstimmung nach dem Sturz Mubaraks entstammten. Der neue Premier Ibrahim Mahlab gehörte zu den Gefolgsleuten Mubaraks. Vorgänger El-Beblawi von der Sozialdemokratischen Partei musste gehen. Der Zirkel der Macht wird kleiner.
"Seit dem Sturz der Muslimbrüder vor acht Monaten waren die demokratischen Kräfte ohnehin kaum an Entscheidungen beteiligt, aber auch diesen kleinen Einfluss haben die Seilschaften des alten Regimes bekämpft – vom ersten Tag an."
"Es wurden alle die Minister entfernt, die den neuen demokratischen Kräften angehören"
In der Euphorie nach dem Sturz des Präsidenten der Muslimbruderschaft Muhammad Mursi, da hieß es, die Revolution schreite unaufhaltsam voran – erst Mubarak, dann der Militärrat, und am 3. Juli des letzten Jahres Mursi. Schritt für Schritt befreie sich das Volk von seinen Unterdrückern. Wenn Farid Zahran recht hat, dann gibt es tatsächlich eine stufenweise Entwicklung, allerdings in umgekehrter Richtung. Das Regime in Gestalt von Militär, Sicherheitsapparat, Mubarak-nahen Oligarchen und anderen Unterstützern befindet sich auf Erfolgskurs.
"Das Regime denkt, dass es jetzt, nachdem es die Muslimbrüder erledigt hat, gegen alle anderen Widersacher vorgehen kann. Es braucht keine demokratischen Kräfte oder irgendein 'breites Bündnis'. Die Kabinettsumbildung ist nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zurück zur Tyrannei."
"Kabinettsumbildung ist weiterer Schritt auf dem Weg zurück zur Tyrannei"
Vor Wochen wurden prominente säkulare Aktivisten ins Gefängnis gesteckt, ebenso Journalisten, auch ausländische Mitglieder der Partei Misr al-Qawiyya erhielten Haftstrafen, weil sie auf Plakaten dazu aufriefen, beim Referendum über die neue Verfassung mit Nein zu stimmen. Parteichef Abdel-Moneim Abul-Futouh hatte die Proteste gegen Mursi unterstützt. Jetzt beschreibt er das Klima im Land unter al-Sisi so:
"Es herrscht Angst. Die Ägypter haben Angst davor, ihre Meinung zu sagen. Sie befürchten, dass man ihre Häuser stürmt und sie inhaftiert."
Militärchef Al-Sisi führe die Konterrevolution an, behaupten viele Kritiker. Rifai Nasrallah sieht das anders:
"Feldmarschall Al-Sisi hat eine Atmosphäre der Liebe im Land geschaffen. Er opfert sich für das Volk. Er ist ein Geheimdienstmann, der sah, wohin das Land mit Mursi geht. Ihm trauen die Leute zu, dass er Ägypten führen kann."
Klima der Hysterie
Nasrallah hat die populärste aller Werbekampagnen für Al-Sisi gegründet. "Kammel Gamilak" heißt sie, sinngemäß übersetzt: "Erfülle Deine Mission". Der Feldmarschall soll Präsident werden. 24 Millionen Unterschriften will Nasrallah dafür gesammelt haben.
Tatsächlich ist das der Wunsch vieler Ägypter. Al-Sisi soll die Terroristen bekämpfen sowie die Unruhestifter und Verräter. Und auch die unreife Opposition, die mit ihrer Revolution gegen Mubarak nur Chaos und Niedergang brachte. Die militärtreuen Medien malen Schreckgespenster an die Wand. Die USA, Europa, Israel, der Iran und die Islamisten wollten Ägypten vernichten. Wenn man manchen Zeitungen glaubt, dann machen sie dafür sogar gemeinsame Sache.
Neulich titelte ein Blatt: "Die Hamas und der Malteserorden stecken hinter den Tötungen von Aktivisten während der Revolution von 2011." Keine Verschwörungstheorie ist zu absurd, als dass man sie den Leuten nicht vorsetzen könnte. In diesem Klima der Hysterie ist Al-Sisi der klassische "starke Mann", von dem Rettung erwartet wird.
Gleichzeitig wird der Volksaufstand von 2011 zum Plot von Ausland und Islamisten umgedeutet – als hätte das ganze Desaster erst mit dem Sturz Mubaraks begonnen. Mubarak sei ein patriotischer Präsident gewesen, sagt Al-Sisi-Unterstützer Nasrallah. Er habe Ägypten geliebt. Leider war er von korrupten Leuten umgeben. Die Zeit werde zeigen, dass Mubarak ein Patriot war und die Geschichte des ägyptischen Militärs bewahrte.
Neue Revolution gegen Unterdrückung erwartet
Regimekritiker wie Abdel-Moneim Aboul-Futouh glauben nicht, dass ein gleichgeschaltetes System die Misere des Landes tatsächlich beseitigen kann, ein System, das mehr der DDR ähnelt als dem, das sich die Menschen 2011 erhofften. Im Gegenteil, viele befürchten weitere Aufstände, vielleicht auch Hungerrevolten.
"Die Wut des Volkes wird größer werden. Es wird eine neue Revolution gegen die Unterdrückung geben. Ich hoffe, dass das nicht geschieht. Ägypten braucht einen geordneten Übergang zu neuen Verhältnissen."
Bei der Frage, was denn jetzt noch von der Revolution von 2011 übrig sei, muss Farid Zahran von den Sozialdemokraten einen Moment lang überlegen:
"Die Ägypter sind weiterhin aktiv. Selbst die, die Al-Sisi unterstützen, machen das aus Überzeugung und mit Begeisterung. Aber wer jemanden unterstützt, kann ihm diese Unterstützung auch wieder entziehen. Die Beteiligung an der Politik ist das Hauptergebnis der Revolution. Viele, die Mursi gewählt haben, protestierten später gegen ihn. Wenn die Leute aktiv bleiben, dann wird die Rückkehr der Tyrannei scheitern."