Asmaa Mahfouz sollte eine der Ikonen der Jugend vom Tahrir-Platz werden. Denn: Ein kurzer Videoblog, den sie Mitte Januar 2011 ins Internet stellt, trägt mit dazu bei, dass der Volksaufstand in Ägypten beginnt:
"Ich mache dieses Video, um Euch eine einfache Botschaft zu schicken: Wir wollen am 25. Januar auf den Tahrir-Platz gehen. Wenn wir noch ein wenig Ehre haben - und in diesem Land in Würde leben wollen -, dann müssen wir am 25. Januar rausgehen."
Der 25. Januar ist bis 2011 noch der "Tag der Polizei"; ein Feiertag, an dem die Diktatur Hosni Mubaraks ihre Handlanger ehrt - für Proteste also ein guter Zeitpunkt. Das ist auch Asmaa Mahfouz, die zum Zeichen ihrer Frömmigkeit in der Öffentlichkeit immer ein Kopftuch trägt, klar. Mit Mitte zwanzig ist sie zwar noch jung, aber sie hat bereits einen Abschluss an der renommierten Kairo-Universität gemacht, in Betriebswirtschaftslehre. Und sie ist eine erfahrene Aktivistin: Selbst aus einer mittelständischen Familie stammend, hat sie die Arbeiterstreiks in Ägypten unterstützt und ist in ihren Kreisen bekannt für ihre Videoblogs. Doch berühmt wird sie erst durch ihren kämpferischen Protestaufruf, der die Massen ab dem 25. Januar 2011 auf den Tahrir-Platz bringt.
Asmaa blieb zunächst kampfeswillig
Im Januar 2012 - Hosni Mubarak ist längst abgetreten und das EU-Parlament hat in der Zwischenzeit Mahfouz den Sacharow-Preis für geistige Freiheit verliehen - ist der "Tag der Polizei" umbenannt in "Tag der Revolution".
Doch Asmaa Mahfouz zeigt sich nach wie vor kampfeswillig, als sie ihre Video-Aufnahme noch einmal mit etwas Abstand sieht und hört. Sie wendet sich nun gegen den Hohen Militärrat, der seit dem Abgang Mubaraks über Ägypten herrscht:
"Nach einem Jahr haben wir immer noch viel Arbeit vor uns; mehr noch als vor einem Jahr, 2011. Wir müssen uns mehr anstrengen, wir müssen mit dem ägyptischen Volk mehr reden. Wir brauchen einen richtigen Wechsel und nicht nur einen Austausch der Gesichter. Wir brauchen die Sicherheit, dass es mehr Gerechtigkeit im Land geben wird; dass unser Leben eines in Menschlichkeit, Sicherheit, Ehre, Gerechtigkeit und Freiheit ist."
Asmaa Mahfouz gibt nicht auf, engagiert sich politisch bei "al-Tayar al-Masri" - zu Deutsch etwa 'der Strom Ägyptens'. Nach dem Sturz von Hosni Mubarak hatten junge Mitglieder der Muslim-Bruderschaft die Partei gegründet - und wurden dafür aus der islamistischen Organisation verstoßen; deren Führung duldet keine politischen Alleingänge. Zunächst tritt Asmaa Mahfouz für die Partei sogar bei den Parlamentswahlen an, zieht ihre Kandidatur dann aber zurück. Aus Protest gegen die Brutalität, mit der die Sicherheitskräfte gegen Gegner des herrschenden Militärrates vorgehen. Dass Mahfouz es ins Parlament geschafft hätte, ist jedoch ohnehin zweifelhaft. Ihre politischen Gegner - die alteingesessenen Islamisten - sind die Gewinner. Auch bei der anschließenden Präsidentschaftswahl: Aus ihr geht der Muslim-Bruder Mohammed Mursi hervor.
Ein anderes Wahlergebnis erwünscht
Dabei sind die wenigsten, die 2011 auf den Tahrir-Platz gegangen sind, Islamisten. Haben die also den Aufstand von Asmaa Mahfouz und all den anderen, - sozusagen - gekidnappt? Ein Lächeln geht ihr übers Gesicht, als sie 2012 diese Frage hört: das Wahlergebnis habe sie sich nicht gewünscht, aber so könne es nun mal gehen bei demokratischen Wahlen. Und:
"Ich kann nicht sagen, dass die Brüder die Revolution gekidnappt haben. Ich als Asmaa. Einige von ihnen versuchen die anderen auch davon zu überzeugen, dass sie ihre Beschlüsse im Interesse der Revolutionäre treffen sollen. Ich kenne ihr Denken aber nicht; daher weiß ich nicht, ob sie die Revolution gekidnappt haben oder nicht."
2013 kommt es erneut zu Massenprotesten. Sie richteten sich nun gegen den Muslim-Bruder Mohammed Mursi und dessen Verbündete sowie deren Versuche, Ägypten islamistisch umzugestalten. Im Sommer erklärt Armeechef Abdel-Fattah al-Sisi Mursi für abgesetzt. Danach geht die neue Führung um Sisi mit aller Härte gegen Islamisten einerseits, andererseits aber auch gegen liberale Kritiker vor. Am vierten Jahrestag ihres Protestes, 2014, gibt Asmaa Mahfouz der BBC ein Interview.
Mahfouz ist mit einem Reiseverbot belegt
Sie hält ein Foto in die Kamera; ein Bild mit ihr sowie mit mehreren anderen Aktivisten - und in der Mitte Abdel-Fattah al-Sisi. Die meisten der Aktivisten sitzen zur Zeit des Interviews mit dem britischen Sender im Gefängnis oder sind im Ausland; Asmaa Mahfouz ist mit einem Reiseverbot belegt; darf Ägypten nicht verlassen.
"Drei oder vier Jahre seit Beginn der Umbrüche sind wir in einer viel schlechteren Situation als zuvor. Dieses Regime ist eines, das jeden zerschmettert, der in Opposition ist. Oder auch nur darüber nachdenkt. Das Regime steht der Revolution feindlich gegenüber und versucht sie aus der Geschichte zu löschen. Als wir unter Mubarak protestiert hatten, waren wir auf der Straße geprügelt worden. Manchmal wurden wir gefoltert. Aber heute werden Leute ermordet - brutal."
Wer heute als Journalist mit Asmaa Mahfouz sprechen will, hat keine Chance: Sie geht nicht ans Telefon, wenn sie über eine ihr unbekannte Nummer angerufen wird; auf Kurznachrichten oder E-Mails antwortet sie nicht. Kontaktieren sie Freunde als Mittelsmänner, lässt sie ausrichten, dass sie sich aus der Politik heraushält und keine Interviews gibt. Nicht mehr.