"Das war schon immer ein Traum von mir, in Deutschland zu arbeiten, ich hab immer von Deutschland geschwärmt."
"Und da hat's Klick gemacht und ich dachte: Das ist sie."
"Und da hat's Klick gemacht und ich dachte: Das ist sie."
"Ich bin sehr optimistisch und vielleicht auch etwas blauäugig in dieses Abenteuer gegangen."
"Ich hab sehr viel Stress im Moment. Das Visum das dauert."
"Ich weiß nicht, wie das weiter geht, ich fühle mich völlig verloren."
"Ich bin erleichtert und ich bin glücklich."
"Braunschweig wir kommen!"
Ein Radiobericht mit Folgen
Alles beginnt mit einem Radiobericht.
Februar 2017 - Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht Ägypten. Wir fragen: Was denken die Ägypter über Deutschland? Dazu interviewen wir Menschen aus Kairo, die einen Bezug zur Bundesrepublik haben - und teilweise sehr gut deutsch sprechen. Unter anderem: Die Ägypterin Judy.
"Mein Name ist Judy Ghoniem, mein richtiger Name ist eigentlich Shada, aber alle Bekannten und Freunde nennen mich Judy. Ich bin 38, hab deutsches Abi gemacht und dann hab ich Medizin studiert, ich bin Rheumatologin und am Kairo Universitätskrankenhaus tätig."
Judy war schon oft in Deutschland - und möchte gerne dort arbeiten, berichten wir.
"Ich surfe jetzt seit zwei Monaten ununterbrochen im Internet, ich habe einen Lebenslauf auf Deutsch geschrieben und ich will sehen, dass ich meinen Lebenslauf verschicke, was ich für Chancen hätte. Bis jetzt haben wir keine Chance gefunden."
Auch Judys 6-jähriger Sohn Ahmed ist seit seinem ersten Besuch begeistert von Deutschland - aus ganz eigenen Gründen.
"Da gibt's schönen Regen. Zweimal hat es schön geregnet, zwei Tage hintereinander."
Der kleine Ägypter und seine Mutter sind im Radiobericht zu hören, er wird in ganz Deutschland gesendet - und er wird gehört.
"Ich kann mich sehr gut an diesen regnerischen Tag erinnern und ich war mit meinem Sohn auf dem Weg nach Hannover und wir hörten ihren Radiobeitrag und da kam eine ägyptische Ärztin zu Wort, die in so einem perfekten Deutsch sprach, dass mein Sohn mich anguckte und sagte: Die spricht besser Deutsch als meine Deutschlehrerin."
Professor Jan Kielstein ist Chefarzt am Städtischen Klinikum Braunschweig. Und er braucht dringend Personal.
"Der Ärztemangel ist täglich mit Blick auf den Dienstplan greifbar, wir haben wenig qualifiziertes Personal im ärztlichen Bereich, so dass die Besetzung von Stationen teilweise nur mit Notbesetzung funktioniert, also dieser Ärztemangel ist wirklich mit Händen zu greifen."
"Und als die Sendung vorbei war, hab ich mir gedacht: So jemanden hättest du gern in deinem Team. Und jetzt gib dir mal Mühe, schneller zu sein als all die anderen Kliniken in Deutschland, die auch nach qualifizierten Ärzten suchen, gerade im Bereich der Rheumatologie."
Chefarzt ergreift die Initiative
Der Hörerservice des Deutschlandfunks leitet uns eine Email weiter: "Sehr geehrte Damen und Herren. Die freundliche und kompetente Art der Kollegin hat mich sofort begeistert, so dass ich der Kollegin gerne eine Stelle anbieten möchte. Für Sohn Ahmed werden wir sorgen, dass er den von ihm so geliebten Regen regelmäßig bekommt."
Die Freude bei Judy und ihrer Familie ist riesig. Mit etwas zittrigen Fingern ruft sie aus Ägypten das erste Mal in Braunschweig an.
"Hallo Herr Professor Kielstein, hier ist Shada Ghoniem, die Rheumatologin aus Kairo…"
"Nach den ersten Worten von Frau Ghoniem am Telefon fand ich sofort diesen ersten Eindruck vom Radio wieder, eine Stimme, die kompetent und warmherzig mit mir sprach. Wir waren uns, glaube ich, beide der besonderen Situation des Zustandekommens dieses Telefonates bewusst."
Die beiden verabreden sich: Judy fliegt wenige Wochen später nach Deutschland, um Braunschweig und die Klinik kennenzulernen. Sie ist begeistert.
"Also zunächst mal hat mir Prof. Dr. Kielstein vom Flughafen abgeholt. Das Gute bei der Klinik ist: Sie ist sehr multikulti, es gibt viele ausländische Ärzte dort, ich fühle mich nicht als Fremdkörper."
Verbundenheit mit Deutschland
Seit Generationen ist Judys Familie eng mit Deutschland verbunden. Ihr Großvater war in den '50er, '60er Jahren Kulturrat an der ägyptischen Botschaft in Bonn, erhielt für seine Verdienste zur deutsch-ägyptischen Verständigung das Bundesverdienstkreuz. Judys Mutter Teti wuchs teilweise im Rheinland auf.
"Deutschland ist meine Kindheit, sind die schönsten Jahre meines Lebens, ist die Freiheit, die Möglichkeiten…"
Judy machte in Kairo als Jahrgangsbeste ihr deutsches Abitur. Zuhause wird deutsch gesprochen, auch später mit Judys Söhnen Omar und Ahmed. Die beiden Jungs gehen ebenfalls auf die deutsche Schule. Der 11-jährige Omar teilt den Traum von Deutschland.
"Ein schönes Land, alles dort ist anders, es gibt viele Pflanzen, auch die vielen Berge und Wälder, Drachenfels und so. Ich möchte gerne in Deutschland studieren und arbeiten."
"Deutschland ist ein Teil von uns. Wir haben unsere Identität nicht verloren, wir sind immer Ägypter geblieben. Aber wir haben das gute von beiden Seiten."
Und doch - trotz aller Nähe zu Deutschland - der Schritt, auszuwandern ist doch noch etwas anders. Denn ihr Facharzt in Rheumatologie wird in Deutschland nicht anerkannt. Judy würde wieder fast vor vorne anfangen, als normale Stationsärztin. Und sie weiß, einfach wird ein Leben in der Fremde nicht. Sie ist gläubige Muslimin, trägt Kopftuch. Und fürchtet, in Deutschland als Flüchtling abgestempelt zu werden
"Mich hat kein Mann dazu gezwungen, es war meine Entscheidung, es heißt nichts weiter, als dass ich mich zu meiner Religion bekenne, das ist alles."
Schwierige Bedingungen in Ägypten
Aber Judy sieht für sich und ihre Familie keine Alternative. Ägypten steckt in einer massiven Wirtschaftskrise. Das Pfund wurde abgewertet, es herrscht Inflation. Die Preise für Lebensmittle haben sich teilweise verdoppelt. Die Gehälter blieben meist auf niedrigem Niveau.
"Ärzte verdienen überhaupt nicht gut, überhaupt nicht. Man hat jahrelang studiert, gehörte zu den Besten. Wir sind beide Dozenten an der Uni und verdienen ziemlich wenig."
Umgerechnet 250 Euro verdient Judy - pro Monat. Bei teilweise hohen Lebenshaltungskosten.
"Wir müssen allein für die Schule jedes Jahr 100.000 Pfund bezahlen."
Hinzu kommt: Die Arbeitsbedingungen in ägyptischen Krankenhäusern sind teilweise schlecht.
"Dadurch dass die Ressourcen in Ägypten knapp sind, konnten wir die Patienten nicht richtig behandeln. Wir mussten teilweise Medikamente nehmen, die nicht die richtigen für die Krankheit waren, nur weil sie billiger waren."
Viele Ägyptische Fachkräfte wandern aus
Das bestätigt auch ein Vertreter der ägyptischen Ärztegewerkschaft, der aus Sorge vor Repressionen seinen Namen nicht nennen will. Die schwierige Situation für Ärzte in Ägypten treibe viele ins Ausland
"Die Lage der Ärzte hier ist so, dass man nicht davon leben kann. Rund 60.000 Ägypter arbeiten mittlerweile als Mediziner in den Golfstaaten, das sind rund 30 Prozent aller ägyptischen Ärzte."
Auch der Mann von Judy arbeitet in Saudi-Arabien - damit sich die Familie das Schulgeld für die Kinder weiter leisten kann. Die beiden führen eine Fernbeziehung.
"Für die Kinder, für mich, für ihn ist das nicht gut. Ich bin wie eine alleinerziehende Mutter."
So entsteht der Traum von Deutschland - das Leben in einem Land, in dem Mediziner besser bezahlt werden, Kinder kostenlos zu guten Schulen gehen dürfen. Ein Land, das Ärzte dringend braucht. Die Zahl der ausländischen Ärzte in Deutschland ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.
Jeder fünfte Arzt hat ausländische Wurzeln
Peer Köpf von der Deutschen Krankenhausgesellschaft: "Wir haben derzeit in Deutschland etwa 35.000 ausländische Ärzte an den Krankenhäusern beschäftigt. Das bedeutet etwa jeder 5. Arzt hat ausländische Wurzeln. Also der Bedarf ist da! Wir wissen, dass wir derzeit etwa 2000 Stellen im ärztlichen Dienst nicht besetzen können."
Ein Thema, das in Deutschland kontrovers diskutiert wird.
Thomas Spieker, Ärztekammer Niedersachsen: "Man muss bedenken, dass ein Tourismus von Ärzten aus dem Ausland in den Herkunftsländern Probleme bereitet, wenn wir weltweit den Markt an Medizinern abgrasen, würden wir den Migrationsdruck erhöhen, das kann nicht Sinn der Sache sein."
Im Klinikum Braunschweig trifft Judy auf Kollegen aus dem Jemen, aus Syrien und Osteuropa. Sie spricht deutsch wie ihre Muttersprache - im Gegensatz zu den Kollegen.
"Das hat zur Folge, dass meine Oberärzte einen guten Teil ihrer Zeit damit verbringen, Ärztebriefe zu korrigieren."
Die Sprachkenntnisse und fachliche Kompetenz machen Judy zu einer perfekten Bewerberin für Chefarzt Prof. Kielstein. Das Angebot aus Braunschweig lässt sie nicht lange zögern. Ja, ich will - sagt sie, wir wollen nach Deutschland. Was Judy nicht ahnt: Es ist der Beginn eines monatelangen bürokratischen Hürdenlaufs.
Bürokratische Hürden
Einige Wochen später an der Deutschen Botschaft in Kairo. Es ist 8 Uhr morgens. Zielstrebig steuert Judy auf das Gebäude hinter hohen Mauern aus Beton zu, in einen Hand eine große Tasche voller Papiere, an der anderen ihren kleinen Sohn Ahmed. Omar, der 11-Jährige, trottet etwas müde hinterher. Es ist einer von vielen Terminen, den Judy für das Visum bereits an der Botschaft hatte.
Der erste Schalter, an dem sie vorsprechen müssen, ist nicht mehr als eine Art Fenster in der Außenmauer des Gebäudes, hinter Sicherheitsglas prüft eine Mitarbeiterin, ob die Unterlagen komplett sind. Judy blättert in den Papieren, zieht Dokumente hervor. Habe ich alles beisammen, fragt sie leise? Ihre Hände zittern leicht.
"Es bebt innerlich. Ich bin aufgeregt… Manchmal fragt man sich, ist es das Paradies, das man sich vorstellt? Ich weiß, es ist nirgendwo das Paradies. Aber man muss schon glauben, dass es ein besseres Leben gibt, sonst macht das hier alles keinen Sinn."
Kopien der Pässe fehlen. Schnell zum nächsten Geschäft. Die Kinder warten solange vor der Botschaft, lehnen sich an den Betonwall, die als Schutz vor Anschlägen meterhoch das Gelände umgibt. Der 6-jährige Ahmed schaut auf die hohen Mauern und den Stacheldraht. Bundesrepublik Deutschland steht auf einem metallenen Schild mit Bundesadler. "Schau mal, die haben auch so einen Vogel wie Ägypten", sagt Ahmed. Dann legt er den Kopf in den Nacken. "Warum versteckt sich Deutschland hinter so hohen Mauern?", fragt er. "Damit nicht die falschen Leute reinkommen", antwortet ein Passant. Sein großer Bruder Omar tröstet: "Wir sind nicht falsch, Ahmed. Wir nicht."
"Ich möchte gerne nach Deutschland fliegen."
Judy kommt zurück, sie wirkt gehetzt. Zurück an den Schalter, dort ist eine lange Schlange. Der Andrang ist groß, Endlich, Judy und die Kinder dürfen in die Botschaft.
"Jetzt geht's rein - aufgeregt?" "Ja sehr. Aber wenigstens sind die Unterlagen komplett. Den ersten Schritt haben wir schon."
Wir müssen draußen bleiben. Die Tür schließt sich.
Alles ist organisiert
Wir telefonieren noch am gleichen Tag. Judy ist optimistisch - mit ihrem Visum sieht alles gut aus, habe man ihr gesagt. Der Plan der Familie ist: In den Sommerferien nach Deutschland ziehen. Der Arbeitsvertrag aus Braunschweig liegt bereits vor - Judy könnte sofort anfangen. Ahmed, der bislang noch in einen Kairoer Kindergarten geht, würde Anfang August zum Schulbeginn in Niedersachsen in die erste Grundschul-Klasse eingeschult. Natürlich mit einer großen Schultüte. Und der 11-jährige Omar ginge auf ein Braunschweiger Gymnasium. Eine Wohnung hat die Familie bereits gefunden - mit Hilfe des Klinikums. Der Mietvertrag ist unterschrieben - ab dem 1. Juli muss in Braunschweig Miete gezahlt werden. Eigentlich ein guter Plan.
Prof. Jan Kielstein: "Hürden haben wir beide, als wir beschlossen haben, ja wir machen das, nicht gesehen."
Doch die Behörden spielen nicht mit. Erst Wochen nach dem Visumsantrag, so schildert es Judy, erfährt sie, als sie bei der Botschaft nachfragt, dass ein entscheidendes Dokument für das Visum fehlt: Die Botschaft verlangt eine Berufserlaubnis aus Deutschland, oder zumindest eine Zusicherung. So steht es im Aufenthaltsgesetz. Kielstein schaltet sich ein, versucht, zu vermitteln. Vergeblich. Die Emails werden schärfer, empörter, wütender.
"Verschiedenen Institutionen haben sich nicht gescheut, Wassergräben und Mauern mit Stacheldraht aufzubauen, in einer Vehemenz, die ich nicht für möglich gehalten hätte."
Die Situation ist festgefahren. Denn der zuständige niedersächsische Zweckverband zur Approbationserteilung hatte so einen Fall noch nicht.
Im Behördenwirrwarr
Die Kommissarische Leiterin Maike Meyer Wrobel: "Wir erteilen eine Berufserlaubnis selber erst, wenn der Antragsteller in Deutschland ist und eine Anschrift hier nachweist."
Die Aussagen der Behörden scheinen widersprüchlich. Judy steckt im Behördenwirrwarr: ohne Berufserlaubnis kein Visum, und ohne Visum keine Einreise nach Deutschland, um dort eine Berufserlaubnis bekommen. Ein Teufelskreis?
"So dass Frau Ghoniem und ich wechselseitige sehr bizarre Emails austauschen, weil die Behörden untereinander lehnten eine Kommunikation ab."
Die Lösung wäre die Zusicherung einer Berufserlaubnis. Doch die dauert Wochen. Und so zieht sich das Visumsverfahren hin.
Thilo Schröter, Sprecher der Deutschen Botschaft in Kairo: "Wir versuchen hier an der Botschaft, alle Visumsanträge so schnell wie möglich zu bearbeiten. Insbesondere wenn es um Berufstätigkeitsvisa für qualifizierte Bewerber in Mangelberufen geht, für die es in Deutschland einen ganz konkreten Bedarf gibt. Auch dabei sind wir aber natürlich an die geltenden Gesetze wie das Aufenthaltsgesetz gebunden, denn diese Gesetze dienen nicht zuletzt der Qualitätssicherung."
Für Judy ist das Hin und Her eine Katastrophe - die Zeit läuft ihr davon. Die Kinder verpassen den Schulbeginn in Braunschweig - Ahmed hat keinen ersten Schultag. Die Wohnung in Braunschweig steht weiter leer - bei einer monatlichen Miete von 700 Euro - ein Vermögen für Judy, die ja in Deutschland noch kein Einkommen hat. Und ihre Arbeitsstellen in Ägypten und Saudi-Arabien haben Judy und ihr Mann bereits gekündigt - im festen Glauben, bald in Deutschland zu sein. Die Familie sitzt mit Geldsorgen auf gepackten Koffern in Kairo - und Judy ist verzweifelt.
"Ich kann nachts nicht mehr schlafen. Ich bleibe bis um drei wach und laufe im Zimmer hin und her, weil ich nicht weiß, wie ich das machen soll. Die Ungewissheit macht mich verrückt."
"Abgrundtief geschämt für mein Land"
Jan Kielstein, der Chefarzt aus Braunschweig wendet sich an höhere Stellen, ruft bei Landesministerien an, beim Auswärtigen Amt und Bundesgesundheitsministerium. Er schreibt mehr als 300 Emails.
"Das Ganze ging sogar soweit, dass in einem Nebensatz gesagt wurde, es läge vielleicht daran, dass sich das Klinikum einsetzt, weil Geld im Spiel ist. Spricht, wir werden bestochen, um die Familie nach Deutschland zu holen. Das sind so Momente, wo man doch sehr ins Zweifeln kommt. Ich hab dann das Gefühl entwickelt, das sich mich abgrundtief geschämt habe, für mein Land, dass es Menschen so schwer macht, die alles auf dem Silbertablett mitbringen, was man sich nur wünschen kann."
Judys Mutter schreibt an den deutschen Botschafter. Auch der Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig schaltet sich ein.
"Es galt zu betonen, dass das für uns ein sehr wichtiger Vorgang ist, der keinen Aufschub duldet."
Und dann geht es plötzlich ganz schnell. Die Approbationsbehörde in Niedersachsen signalisiert der deutschen Botschaft in Kairo, dass eine gute Aussicht auf Erteilung einer Berufserlaubnis besteht. Die Botschaft stellt das Visum aus und hilft auch bei weiteren Anträgen. Sofort bucht Judy einen Flug.
Reise nach Deutschland
Wenige Tage später, am Flughafen Kairo. Fast ist die Familie nicht zu finden, hinter all den Koffern auf einem großen Kofferwagen. Auch Judys Mutter Teti fliegt mit nach Deutschland, um ihrer Tochter in der ersten Zeit zu helfen. Judys Ehemann ist noch in Saudi-Arabien, er kommt nach. Alle sind aufgeregt. Endlich - es geht los.
"Braunschweig wir kommen!"
"Total aufgeregt, ich fühle mich wie im Traum, ich musste mich kneifen."
Die Familie stellt sich in die Schlange vor der ersten Sicherheitskontrolle. Omar hat eine große Papprolle unter dem Arm - ein Bild, das er für seine neue Klasse gebastelt hat. Es soll den Kindern in Deutschland zeigen, wo er herkommt - mit Bildern aus Kairo. Damit sie nicht denken, wir reiten hier auf Kamelen, sagt Omar. Er als Fußballfan freut sich schon auf Deutschland - und weiß auch schon, welchen Verein er künftig unterstützen wird: "Eintracht Braunschweig".
Beim Abschied kommen Judy doch die Tränen. Ägypten, ihre Heimat. Die Familie. Abschied für so lange Zeit.
Und dann müssen sie los, gehen durch die Sicherheitskontrolle - in ein neues Leben.
"Tschüss, alles Gute!"
Arbeitsvertrag für sechs Jahre
Was danach geschah?
Die Familie wird in Braunschweig von Chefarzt Kielstein freudig begrüßt.
"Herzlich willkommen in Deutschland!"
Die Kinder gehen schon am nächsten Tag auf ihre neuen Schulen - und finden neue Freunde.
"Sein Sitznachbar in der Klasse hat gesagt: 'Mach dir keine Sorgen, ich bin auch braun'. Der kommt aus Südamerika."
Judy muss noch weitere vier zermürbende Wochen auf ihre Berufserlaubnis warten.
"Ich fühl mich total verloren! Also wenn die in zehn Tagen nicht da ist, dann packe ich meine Koffer und gehe."
Dann endlich gibt die Behörde grünes Licht - Judy unterschreibt ihren Arbeitsvertrag für sechs Jahre am Klinikum Braunschweig.
"Sie ist bei Patienten und Kollegen aufgrund ihrer Professionalität und Warmherzigkeit sehr geschätzt."
"Und die Patienten in Deutschland sind wie die in Ägypten, alles Menschen."
Judy weiß, es wird nicht leicht, lange Arbeitstage, wenig Zeit für die Kinder. Aber: "Meine Tochter wirkt sehr glücklich, ich höre sie singen, das habe ich seit Jahren nicht!"
"Ich bin schon sehr glücklich!"
Und der kleine Ahmed hat seine Meinung über den deutschen Regen geändert - ein bisschen zumindest.
"Hier regnet's richtig viel. Aber der Regen ist sehr kalt, das gefällt mir nicht so. Aber der Schnee ist schön."
"Ehrlich gesagt finde ich die Personalakquise übers Radio das Beste, was uns bislang in Braunschweig passiert ist."
"Das ist das Märchen an der ganzen Geschichte. Dass Herr Prof. Kielstein das im Radio gehört hat. Er hätte ja in dem Moment aus dem Auto aussteigen können. Es ist unglaublich, wie das Schicksal das Leben eines Menschen bestimmt. Wie im Märchen!"