Sie sitzen unsicher am Lenkrad, sehen zunehmend schlechter, verwechseln gar das Brems- mit dem Gaspedal: Senioren am Steuer. Studien belegen, je älter die Menschen sind, um so höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in Unfälle verwickelt werden. Laut Statistischen Bundesamt ist das Risiko seit 1980 gar um ein Viertel gestiegen. Wenn dann Verkehrssicherheitsexperten Tauglichkeitstests älterer Autofahrer in die Debatte bringen, winken die Meisten nur ab. Auch Cornelia Willich, eine 74-jährige Frau, die einen großen Van durch Sachsen-Anhalt steuert.
"Man sollte, wenn, dann da Tauglichkeitstests machen, wo die höchsten Unfallquoten sind. Und die sind nicht unbedingt bei den älteren Leuten. Ich sag nicht, dass die Älteren keine Fehler machen, aber schauen sie mal auf die jungen Fahrer."
Auch der Endfünfziger Mario Steinke hält nichts von Testfahrten für ältere Autofahrer. Zusammen stehen sie auf einem Parkplatz an einer vielbefahrenen Straße im anhaltischen Zerbst, das liegt zwischen Magdeburg und Dessau
"Wenn ich so manchmal sehe, wenn Ältere mit Krücken ins Auto steigen, dann sieht es gefährlich aus. Aber: Manche fahren besser, als sie laufen können."
Deutlich wird: Führerschein-Tauglichkeitstests für Senioren sind ein hochemotionales Thema. Das zunehmend aktueller wird. Denn bald werden ein Drittel aller Fahrteilnehmer über 60 sein, der Anteil der Fahrer über 70 wird sich gar verdoppeln. Weshalb ältere Autofahrer mittelfristig gesetzlich verpflichtet werden sollten, Testfahrten mit geschulten Personal durchzuführen, das zumindest regen Unfallforscher an. Eine Idee, die bei Verbänden und Politikern auf Widerstand stößt. Auch Klaus Klang in Magdeburg lehnt Zwangsmaßnahmen kategorisch ab. Bis vor kurzem war er der Staatssekretär im sachsen-anhaltischen Verkehrsministerium.
"Würde zu einer Einschränkung der Mobilität im ländlichen Raum führen. Und damit würde ich Menschen zwingen, aus ihren angestammten Bereichen wegzuziehen. Das ist ein Aspekt, den wir nicht vernachlässigen dürfen. Auch nicht vor dem Hintergrund, dass wir ohne Gründe keine Altersdiskriminierung vornehmen dürfen."
Wenn ältere Autofahrer in Unfälle verwickelt sind – so das Ergebnis einer Studie der Unfallforschung beim Gesamtverband der Versicherer - haben sie diese zu 75 Prozent selbst verursacht, was beispielsweise an der schlechteren Beweglichkeit der Halswirbelsäule – Stichwort Schulterblick oder der langsameren Verarbeitung von Informationen zu tun hat.
"Wichtig ist, dass man sich darüber klar ist, dass man Probleme hat. Wichtig ist, dass man auf Freunde, Verwandte hört, wenn dort mal Bedenken geäußert werden. Aber die Gleichung: Alt gleich fahruntauglich ist auch nicht richtig", so der frühere, nun pensionierte Polizist Wulf Hoffmann. Jetzt ist er der Vizepräsident der Verkehrswacht in Sachsen-Anhalt und ein ausgewiesener Gegner von Tauglichkeitstest bei Senioren.
Andere europäische Länder haben Gesundheitschecks
Anders sieht die Praxis in einigen europäischen Nachbarländern aus. So müssen beispielsweise Autofahrer in den Niederlanden ab 70 alle fünf Jahre zum Gesundheitscheck, die Schweden und Briten alle drei Jahre.
Unter Verkehrspsychologen hierzulande sind die Tests jedoch höchst umstritten. Weil man keine Erkenntnisse habe, ob dadurch die Zahl der Senioren-Unfälle signifikant gesenkt würden. Der Hannoveraner Verkehrsexperte Karl-Friedrich Voss fordert dagegen die Führerscheinbehörden auf, Möglichkeiten zu schaffen, dass sich Senioren freiwillig testen lassen können, ohne dass ihnen – bei negativen Ergebnis - gleich der Führerschein ganz weggenommen wird. Denn es gebe durchaus die Möglichkeit – so der Verkehrspsychologe Voss weiter – dass ältere Autofahrer den Führerschein mit Auflagen zurück bekommen könnten.
"Es gibt solche Auflagen, dass man nur noch tagsüber fährt oder dass man nur noch im Umkreis von 20 Kilometern fährt. Also die härteste Einschränkung, die es mal gegeben hat, dass war eine einzige Straße, die allerdings sehr lang war. Die alte Dame die davon profitierte, hatte dort ihre Sparkasse, ihre Tankstelle, ihren Arzt, mehr brauchte sie auch nicht. Das ist durchaus eine Maßnahme, die man alten Leuten anbieten kann, weil ihnen dann die Mobilität nicht vollkommen weggenommen wird, sondern sie wird auf das wesentliche beschränkt."
Doch das seien immer noch Ausnahmefälle, so Voss weiter. Das würden die meisten Führerscheinstellen überhaupt nicht in Erwägung ziehen. Was daran läge, dass die Behörden oft nur zwischen tauglich und nicht-tauglich entscheiden, ein Dazwischen gäbe es in nur sehr seltenen Fällen.
"Und deswegen muss man da künftig etwas flexibler reagieren, um das Problem zu lösen."
"Eine gesetzliche Regelung sei überflüssig." Stattdessen appelliert Verkehrspsychologe Voss Einfluss darauf zu nehmen, wenn Oma oder Opa im Straßenverkehr zu einer Gefahr würden.