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Ärger über die Grenzgänger

Mehr als die Hälfte der Arbeit im Großherzogtum wird von Ausländern verrichtet. Nun zieht die luxemburgische Beamtengewerkschaft gegen die rund 120.000 Grenzgänger zu Felde. Diese seien mitverantwortlich für die gestiegene Arbeitslosenquote im Land, denn die hat sich in den vergangenen zwei Jahren beinahe verdoppelt auf durchschnittlich fünf Prozent. Tonia Koch berichtet.

    250 Patienten betreut die luxemburgische Pflegeorganisation mit dem Namen help. Viele davon, meist ältere Damen, besuchen die Tagespflege im luxemburgischen Moselörtchen Wasserbillig unweit von Trier.

    "Ich bin schon anderthalb Jahre hier in Pflege, ich bin schon 90 Jahre alt. Ich bin zufrieden, sie haben alle viel Geduld mit mir."

    Viele helfende Hände kümmern sich um die Tagesgäste. Es ist unschwer zu erkennen, dass im ambulanten Pflegebereich mehr Personal zur Verfügung steht als auf deutscher Seite. Das bedeutet, dass für die 250 Patienten 96 ausgebildete Kräfte zur Verfügung stehen, darunter Ergotherapeuten, Kranken- und Altenpfleger sowie Haushaltshilfen. Die Hälfte davon kommt aus Deutschland. Marielle Oberweis.

    "Es ist sehr schwierig, Luxemburger zu bekommen in diesem Beruf, weil es nicht genügend Luxemburger gibt. Sie sind meist beschäftigt in Kliniken, Pflegeheimen, Altenheimen."

    Irmina Denzborn ist gelernte Altenpflegerin. Sie wohnt in Bitburg in der Eifel und hat sich ganz gezielt in Luxemburg beworben.

    "Hier hat man Zeit, viel, viel Zeit, und das brauchen die alten Menschen, nicht alles im Hauruckverfahren."

    Verständigungsprobleme hat sie keine.

    "Ich schwätze Bitburger Dialekt und das verstehen alle."

    Manche belegen auch einen Intensivkurs Luxemburgisch. In aller Regel aber reicht der entlang der Mosel im Hunsrück und der Eifel gesprochene moselfränkische Dialekt als Gesprächsbasis aus. Das empfinden auch die Tagesgäste so.

    " Die deutschen Mädchen sind auch lieb, die sind ganz nett, die deutschen Mädchen, gerade wie die Luxemburgerinnen."

    Trotzdem versucht Marielle Oberweis, die Beschäftigung von Luxemburgern und Deutschen im Gleichgewicht zu halten. Aber das fällt ihr zunehmend schwer, weil die Dienstleistungsberufe von Einheimischen kaum noch nachgefragt werden und die Grenzgänger vielfach besser qualifiziert sind. Für sie lohnt sich der Gang nach Luxemburg . Nicht allein wegen der besseren Arbeitsbedingungen sondern auch des Geldes wegen. Marielle Oberweis.

    "Oh ja, wir haben einen sehr guten Kollektivvertrag hier, und der ist sehr günstig, und das macht für die Grenzgänger sehr viel aus, das ist schon Schlaraffenland hier."

    Marco Nicolay, gelernter Krankenpfleger mit langjähriger Erfahrung im deutschen Krankenhausbetrieb, möchte da nicht widersprechen.

    "Ich kann sagen, das ich fast zwei Drittel mehr verdiene als in Deutschland."

    Doch ausgelöst durch die Bemerkungen des Generalsekretärs der kleinen luxemburgischen Beamtengewerkschaft regt sich Widerstand gegen die zunehmende Zahl von Grenzgängern. Die Grenzgänger treffe eine Mitschuld an der zunehmenden Arbeitslosigkeit in Luxemburg. Der luxemburgische Gewerkschaftsbund und auch die christlichen Gewerkschaften weisen die Anfeindungen in Richtung Grenzgänger zurück. Viviane Goergen von der christlichen Gewerkschaft.

    "Unsere Wirtschaft würde nicht so drehen, und unsere Wirtschaft wäre nicht so gut bestückt, wenn wir die Grenzgänger nicht hätten. Ich bin sehr klar, der Gesundheitsbereich in Luxemburg würde ohne Grenzgänger nicht funktionieren, aber das ist nur ein Bereich. Der ganze Finanzbereich würde ohne die Grenzgänger nicht laufen."

    Kein anderes europäisches Land ist so sehr auf ausländische Pendler angewiesen wie Luxemburg. Jedes Jahr schafft das Land 10.000 neue Jobs. Trotzdem steigt die Arbeitslosigkeit. Denn nur ein Drittel der neuen Jobangebote können mit Luxemburgern besetzt werden. Arbeitsminister Francois Biltgen.

    "Schließlich ist es so, dass viele besonders qualifizierte und junge Arbeitnehmer aus der Großregion nach Luxemburg kommen und hier in Konkurrenz treten zu den einheimischen Arbeitssuchenden. Und schließlich sind die Schwächsten diejenigen, die auf der Strecke bleiben. Nach Luxemburg kommen die Stärkeren, und das macht diesen Druck aus auf die schwachen Arbeitnehmer in Luxemburg."

    Konjunkturelle Probleme am Arbeitsmarkt kennt das Land nicht. Die Arbeitslosigkeit ist struktureller Natur. Und nachdem sie sich in nur fünf Jahren von 2,5 auf knapp 5 Prozent verdoppelt hat, wird auch darüber geredet. Francois Biltgen.

    "Über drei Viertel der eingeschriebenen Arbeitsuchenden haben keine abgeschlossene Ausbildung. Über die Hälfte davon haben nur den obligatorischen Schuldienst gemacht, davon übrigens 40 Prozent im Ausland. Es ist so, dass die Arbeitslosigkeit zu 35 Prozent Luxemburger betrifft und zu 65 Prozent Ausländer, die in Luxemburg wohnen."

    Die in den letzten Wochen oft gescholtenen Grenzgänger Füllen die Lücken im Dienstleistungssektor im Handwerk und in den Top-Etagen. Denn für Zwei-Drittel der tagtäglich neu entstehenden Jobs brauchen die Bewerber einen Hochschulabschluss. Aber auch die sind in Luxemburg Mangelware.