Alexander Fischer ist stolz auf den neuen Laden mitten in der Billstedter Fußgängerzone. Auf den so genannten Gesundheitskiosk, die neue Anlaufstelle für ratsuchende Menschen aus dem Viertel, das zu den ärmeren in der Hansestadt gehört:
"Es ist sehr, sehr hell. Sehr, sehr weitläufig. Offen. Wollen wir auch symbolisieren! Warm, hoffe ich. Und hoffentlich nicht wie typisch im Gesundheitswesen, sondern, gerade, um zu genesen, auch das Drumherum sehr, sehr wichtig ist. Wir haben uns schon Mühe gegeben, hier sehr einladend zu wirken!"
Eine große Glasfront öffnet den Blick auf den Platz zwischen Einkaufszentren und kleineren Läden, die U-Bahn-Station ist gleich gegenüber. Im hinteren Teil des Gesundheitskiosks gibt es einen großen Seminarraum für Vorträge über Diabetes, Rheuma oder Schwangerschaft, über alle Gesundheits-Themen, die für die Menschen im Stadtteil interessant sein könnten. Die Idee, ein gut erreichbares Anlaufzentrum für Menschen mit gesundheitlichen Problemen gerade in Billstedt zu schaffen, ist Ergebnis einer genauen Analyse der Ärztedichte im Stadtteil. Die ist im Vergleich zu anderen Vierteln besonders niedrig, erklärt Projektleiter Alexander Fischer. Hamburg-Billstedt sei für viele Mediziner nicht lukrativ genug. Privatpatienten seien eher die Ausnahme:
"Ein Problem, das wir festgestellt haben, ist, dass Ärzte hier viel zu wenig Zeit haben, viel zu wenig Zeit für viel mehr Patienten und dass die Arzt- Patient-Kommunikation wesentlich schwieriger ist, weil sie viele sozialen Nebendiagnosen haben und auch oft die Sprache ein Problem darstellt. das heißt, die Ärzte haben sich jemanden gewünscht, der Arztbesuche entweder noch mal nach bespricht oder auch besser vorbereitet, dass die Zeit dann eben besser genutzt werden kann."
Eine gemeinsame Spracht schafft Vertrauen
Die Billstedter Ärzte sind weiterhin für die Diagnose von Krankheiten zuständig. Für Gespräche über Präventionsmaßnahmen, Ernährungsfragen oder adäquate Sportangebote können die Mediziner ihre Patienten dann aber in den Gesundheitskiosk schicken. Dort bietet das Team Gespräche in zehn Sprachen an. Und nicht immer geht es dabei nur um Gebrechen und Genesung, erzählt Jennifer Schmidt, eine von sieben Gesundheitsberaterinnen im Team:
"Wir haben auch sehr viele Angehörige, die reinkommen, die sich um Angehörige halt kümmern und sorgen, wenn es dann um pflegerische Fragen geht oder auch um die psychische Gesundheit, weil das oftmals auch die Familiensituation belastet. Die suchen einfach Unterstützungsmöglichkeiten. Da können wir auch vermitteln. Wie beantrage ich überhaupt einen Pflegegrad? An wen muss ich mich wenden?"
Sie selbst, erzählt Jennifer Schmidt, spreche auch Englisch und Russisch und in den meisten Fällen würde erst eine gemeinsame Sprache das Vertrauen schaffen, dass für eine nachhaltige Gesundheitsvorsorge vonnöten ist.
"Es ist auch wirklich die sensible Arbeit, die wir auch dadurch leisten, weil wir auch einfach verstehen, wie die Esskultur in Russland oder in der Türkei. Dass es für Klienten oft schwierig ist, ihr Ernährungsverhalten umzustellen auf die gesunde Ernährungsweise. Und da versuchen wir, in kleinen Schritten mit den Klienten zu arbeiten."
Geld sparen durch eine bessere Vernetzung
Betrieben wird das Beratungszentrum zu 60 Prozent vom "Ärztenetz Billstedt-Horn", zu 30 Prozent von der Hamburger Optimedis AG. Beteiligt sind auch die Stadtteilklinik, der Virchow-Bund. Partner ist die AOK Rheinland/Hamburg. Für die nächsten drei Jahre stehen für das Gesamtprojekt 6,3 Millionen Euro aus dem so genannten Innovationsfonds zur Verfügung. Der Fonds wiederum ist Teil des 2015 beschlossenen "Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung" und soll Lösungen für den Ärztemangel, nicht nur in ländlichen Gegenden, finanzieren. Am Ende könnte durch eine bessere Vernetzung von Ärzten, Gesundheitsberatern und Pflegekräften aber Geld gespart werden, erklärt Projektleiter Alexander Fischer:
"Und diese Effizienzgewinne bekommen wir dann durch einen Vertrag, beispielsweise durch weniger Krankenhauseinweisungen von der AOK vergütet. Und daraus wollen wir uns langfristig finanzieren. Wir sagen: höhere Qualität zu irgendwann niedrigeren Kosten."
Ob das gelingt, soll eine begleitende Evaluation durch die Uni Hamburg prüfen. In drei Jahren sollen die Ergebnisse vorliegen.