Archiv

Ärztinnenvereinigung fordert Olympia-Absage
"Größter Affront gegen das menschliche Leben"

Wie sicher werden die Olympischen Spiele von Tokio sein? Der in der japanischen Hauptstadt schon eingetroffene IOC-Präsident Thomas Bach sagt, man müsse sich keine Sorgen machen. Es gibt allerdings viele, die das anders sehen.

Von Felix Lill |
Fotografie des neu gebaute Japan National Stadiummit der Stadtsilhouette von Tokio im Hintergrund.
Das neu gebaute Japan National Stadium ist Hauptaustragungsort der Olympischen und Paralympischen Spiele 2021. (AFP / Charly Triballeau)
"Null Risiko" bestehe, dass die olympischen Athleten in Japan die lokale Bevölkerung anstecken. Denn mehr als 80 Prozent der Sportler seien geimpft. Und wenn es unter ihnen doch zu Infektionen kommt, werden diese sofort isoliert. Das sagte IOC-Präsident Thomas Bach im Rathaus von Tokio bei einem Treffen mit Yuriko Koike, Gouverneurin von Tokio und damit Gastgeberin der Olympischen Spiele, die inzwischen in der japanischen Bevölkerung höchst unpopulär geworden sind. Laut einer Umfrage im Juni befürchten 86 Prozent, dass die Tokioter Spiele zu mehr Infektionen mit dem Coronavirus führen werden. 78 Prozent in Japan sind gegen die Austragung der Spiele.
Japan National Stadium in Tokio
Die Pandemie-Spiele
Der Gradmesser dafür, ob Olympische Spiele als gute Spiele gelten, sind die sportlichen Leistungen. Für die Spiele von Tokio gelten nun besonders strenge Regeln vor und während der Wettkämpfe. Drohen Spiele der Mittelmäßigkeit?
IOC-Präsident Bach aber sagt, man habe wirklich alles bedacht: "Wir und die olympische Gemeinschaft wollen hier zur Sicherheit dieser Spiele beitragen. Wir wollen jede Art von Risiko für die Menschen in Tokio und Japan auf jede mögliche Weise vermeiden."

Athletinnen und Athleten vom öffentlichen Leben isoliert

Tatsächlich werden die Athletinnen und Athleten und Trainerinnen und Trainer, die bereits in Tokio sind, streng vom öffentlichen Leben isoliert. Auch als diese Woche das Olympische Dorf eröffnet wurde, gab es – anders als sonst bei Olympia üblich – keine Presseevents.
Gleichzeitig aber arbeiten dort Freiwillige, die nach Feierabend in ihre Stadt zurückkehren. Zudem bietet selbst die hohe Impfquote unter den Olympiateilnehmern keine Sicherheit. Mehrere Athleten wurden bei der Einreise auch schon positiv getestet. Und gegen die nun umgreifende Deltavariante des Coronavirus bietet das häufig genutzte Vakzin von Biontech/Pfizer wohl nur noch einen Schutz von 64 Prozent.

"Wenn Olympia stattfindet, wird Tokio ein Epizentrum"

Zwei Tage vor dem Auftritt von Thomas Bach sorgte daher eine andere Pressekonferenz in Tokios Stadtzentrum Schlagzeilen. Im Auslandskorrespondentenklub sprach Masami Aoki, Präsidentin der Japanischen Ärztinnenvereinigung: "Das ist der größte Affront gegen das menschliche Leben. Ob jetzt die Wettkampfstätten für Zuschauer geschlossen sind oder nicht – das Zusammenbringen tausender Athletinnen und Athleten, sowie deren Umfeld aus aller Welt sollte während einer Pandemie nicht erlaubt werden. Wenn Olympia stattfindet, wird Tokio zu einem großen Epizentrum der Infektion werden."
Masami Aoki wie auch zwei andere Sprecherinnen auf der Pressekonferenz forderten daher die Absage der Spiele. Zuvor hatten schon mehrere Gesundheitsexperten zu diesem Schritt geraten.
IOC-Präsident Thomas Bach aber scheint das kaum noch zu interessieren. Er bereitet sich auf einen Abstecher nach Hiroshima vor. In der Stadt, die 1945 von einer Atombombe zerstört wurde, will sich Bach morgen im Namen des globalen Friedens blicken lassen. Denn darum gehe es bei den Olympischen Spielen ja.